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Lilla, auf Deutsch "Die Kleine", begegnet nach 25 Jahren ihrer großen Jugendliebe wieder, einem Mann, der lange in Italien lebte. Bei einem Kaffee wird sie eingeladen, den inzwischen gutaussehend grauhaarigen und welterfahrenen Ex-Lover übers Wochenende in seinem Landhaus außerhalb von Reykjavik zu besuchen. Lilla hat ihn einst sehr geliebt, ein dramatisches Ereignis in ihrer Jugend hat ihr jedoch den Zugang zu ihm verschlossen und die Liebe absterben lassen. Die bevorstehende aufwühlende Begegnung lässt sie nun zurückdenken an ihre Kindheit, eine Zeit, die sie gern als heimelig empfinden…mehr

Produktbeschreibung
Lilla, auf Deutsch "Die Kleine", begegnet nach 25 Jahren ihrer großen Jugendliebe wieder, einem Mann, der lange in Italien lebte. Bei einem Kaffee wird sie eingeladen, den inzwischen gutaussehend grauhaarigen und welterfahrenen Ex-Lover übers Wochenende in seinem Landhaus außerhalb von Reykjavik zu besuchen. Lilla hat ihn einst sehr geliebt, ein dramatisches Ereignis in ihrer Jugend hat ihr jedoch den Zugang zu ihm verschlossen und die Liebe absterben lassen.
Die bevorstehende aufwühlende Begegnung lässt sie nun zurückdenken an ihre Kindheit, eine Zeit, die sie gern als heimelig empfinden möchte. Doch je mehr sie darüber nachsinnt, desto klaffender die Lücken in ihrem harmonischen Bild von der Mutter, die eine erfolgreiche Kinderärztin war, aber "schwerhörig", wie die Kinder treffend ihre Gefühlskälte umschreiben. Früh hat Lilla Verantwortung für sich und ihren kleinen Bruder übernehmen müssen, und wäre da nicht ihr deutsches Kindermädchen gewesen oder Halla, die Verkäuferin im Milchgeschäft, oder gar Nelli, die Säuferin, die in einem Schuppen hauste, wer weiß, was aus den Kindern geworden wäre...
Autorenporträt
Steinunn Sigurdardóttir, geboren 1950, gehört zu den prominentesten Autoren Islands. Sie studierte Psychologie und Philosophie am University College in Dublin und hat viele Jahre für das isländische Radio und Fernsehen gearbeitet. Mit ihrem ersten Gedichtband "Sífellur", den sie im Alter von 19 Jahren veröffentlichte, begeisterte sie ihr Publikum. 1995 erhielt sie den Isländischen Literaturpreis. International wurde sie durch ihre Romane bekannt. Steinunn Sigurdardottir hat an unterschiedlichen Orten in Europa, den USA und Japan gelebt. Heute pendelt sie zwischen Reykjavík und Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Laut Uwe Stolzmann hat Steinunn Sigurdardottir mit "Sonnenscheinpferd" einen großartigen Roman über die Liebe und den Tod geschrieben. Die isländische Autorin erzählt darin von der Krankenschwester Lilla, die nach 25 Jahren ihre große Jugendliebe wieder trifft und nun auf eine Fortführung der Beziehung hofft; während sie auf der Fahrt zu ihm ins Sommerhaus ist, verunglückt sie, was, wie der spürbar geschockte Rezensent bemerkt, in aller erschütternden Breite berichtet wird. Zwischen diesem hoffnungsvollen Anfang und dem schockierenden und unvermuteten Ende der Geschichte aber entwickelt Sigurdardottir die beklemmende Kindheitsgeschichte Lillas mit dem an Krebs gestorbenen Vater und einer vernachlässigenden Mutter, so Stolzmann weiter. Er bewundert, wie scheinbar mühelos die Autorin ihre Geschichten entwirft, sei es die poetische Liebesgeschichte oder die tragische Lebensgeschichte Lillas, und er hebt zudem begeistert hervor, dass Sigurdardottir ihre Figuren derart lebendig zu charakterisieren vermöge, dass sie dem Leser wie alte Bekannte erschienen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2008

Wer nichts sucht, der kann ja rauchen

In Island haben es Männer und Frauen, Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern auch nicht leichter miteinander als anderswo - aber sie haben eine Schriftstellerin, die auf ganz besondere Weise davon zu erzählen versteht: Steinunn Sigurdardóttirs raffinierter und rätselhafter neuer Roman "Sonnenscheinpferd"

Von Peter Urban-Halle

Steinunn Sigurdardóttirs Bücher sind Liebesromane, die Frauen darin sind unglückliche Wesen, die ihr Schicksal mit einer gewissen Gelassenheit und einem gewissen Trotz ertragen, fast möchte man sie mannhaft nennen, so mannhaft wie die Frauen in den Sagas. Sie rennen in ihr Verderben, "eyes wide shut", wenn man so sagen darf (obwohl es mit Schnitzler wenig zu tun hat), sie scheinen überhaupt nur im Unglück eine reale Lebensform zu sehen. Sie schlagen sich mit der Welt herum, in erster Linie mit den Männern natürlich, die weggelaufen sind und denen nachgetrauert wird, die verheiratet, aber gnadenlos begehrenswert sind, die jahrelang abwesend waren und plötzlich wie aus dem Nichts wiederauftauchen. Nur Probleme mit den Männern, aber "lieb sind sie doch", und ohne sie hätte Steinunn Sigurdardóttir nichts zu schreiben, und wir folgen, anfangs etwas zögernd und tastend, dann verloren, ihren verrätselten Balladen der Trauer und der Heiterkeit, der Ironie, die größtenteils Selbstironie ist, der labyrinthischen Wege der einen Liebe, die man im Leben hat, verführt von Steinunn, dieser Loreley der unglücklichen Sehnsucht. Mit Frauen schlagen sich ihre Frauen aber auch herum, weniger mit Nebenbuhlerinnen als mit nah verwandten: mit Müttern und Töchtern. Die Mütter mischen sich in alles ein, manchmal auch dann noch, wenn sie schon tot sind. Und mit den Töchtern ist es auch nichts als Mühe und Arbeit gewesen.

In "Sonnenscheinpferd", dem neuen Roman, der rund um die dominierende Hallgrimskirche in Reykjavík spielt, finden wir die gleichen Konstellationen vor und doch entscheidend anders. Hier ist das Problem, dass sich die Mutter in gar nichts einmischt. Und dass die Tochter sich selbst Mühe und Arbeit machen muss. Sie heißt Lilla, eine Krankenschwester, sie ist die Ich-Erzählerin. Sie hat einen kleineren Bruder, Mummi. Die Eltern sind auch da und sind eigentlich doch nicht da, sie heißen Ragnhild und Harald und sind beide Ärzte, Ragnhild ist Kinderärztin. Sie haben die eigenen Kinder spät bekommen, aber es ist, als hätten sie gar keine. Sie leben nämlich total in ihrer eigenen Welt. Von ihren Kindern werden sie liebevoll "das Ehepaar" genannt oder beim Vornamen gerufen, denn Papa und Mama nennen sich die Eltern schon gegenseitig. Außerdem sind sie "extrem geistesabwesend" und stets auf der Suche nach irgendwelchen Dingen. Wenn Ragnhild nicht gerade sucht, raucht sie und liest Gedichte, weil sie ihre Kinder also schlicht ignoriert, leben diese ihr schon früh eigenverantwortliches Leben, spätestens nachdem die deutsche Haushälterin Magda das Haus verlassen hat, man weiß nicht recht, warum; es kann aber sein, dass ich den Grund auch nur überlesen habe, denn es gehört zu Sigurdardóttirs Eigenarten, dass sie nicht unwichtige Informationen so en passant fallenlässt, irgendwann und irgendwo, dass man sehr aufmerksam lesen muss; Steinunn Sigurdardóttir hat lange gefeilt und konstruiert, damit die Geschichte sehr raffiniert, verschlungen und rätselhaft wurde. Die gute Magda also hatte so etwas wie Wärme ins Haus gebracht, vor allem hatte sie dafür gesorgt, dass der Laden lief. Jetzt muss Lilla mit ihren sieben Jahren das alles allein stemmen und sich ums Brüderchen kümmern. Sich selbst überlassen spielen die beiden auf dem Dachboden merkwürdige Spiele, Hinrichtungen im elektrischen Schaukelstuhl zum Beispiel oder Herzoperationen, die so verlaufen: "Soll ich dir dein Mistherz rausschneiden, du armes kleines Luder? - Was kommt stattdessen rein? - Gesäuerte Blutwurst im Herzbeutel. - Na gut."

Die Eltern stehen ihnen in nichts nach, sie halten spiritistische Sitzungen ab, immer wenn der Mutter einer ihrer kleinen Patienten weggestorben ist. Das passiert nun mal, es ist "unausweichlich", mit diesem Wort versucht der Vater die Mutter zu trösten, manchmal nutzt eben auch der "Beistand aus dem Jenseits" nicht, den Ragnhild als Kinderärztin erhalten muss, da sind sich alle sicher. Also in mancherlei Hinsicht erinnert diese isländische Familie wirklich an die Addams Family, es fehlen nur die abgeschnittenen Rosenblüten.

Die kleine starke Lilla, die zwar zwei Abende lang weint, weil sie nach Meinung der Milchfrau kein Sonnenscheinpferd ist (obwohl das nicht bös gemeint war), erträgt andererseits ihre Vernachlässigung mit verblüffender Bierruhe. Vielleicht weil sie sich vor allem auf Nelli stützen kann, eine bitterarme Alkoholikerin, die sich um sie sorgt, als wäre sie die eigene Tochter, die man ihr einst weggenommen hat. Bei Nelli bekommt sie eines Tages Pfannkuchen und heiße Schokolade, "obwohl niemand Geburtstag hat", und Nelli trägt ihr Sonntagskleid und sagt wie aus heiterem Himmel: "Es ist vorbei", und dann bittet sie Lilla, in den nächsten Tagen nicht zu kommen, sie sei sowieso nicht da. Da weiß man, dass sie mit dem Leben abgeschlossen hat, und wen diese Szene nicht rührt, der muss entweder sehr stur oder sehr zynisch sein. Gleich darauf (vielleicht aus Selbstschutz) folgt eine herrliche ironische Passage über die Qualen des "chronischen Liebesleids", mit denen sich "das Ehepaar" abgibt. Das ist schon meisterhaft. Die Meisterschaft besteht darin, dass die witzigen Passagen nicht zum Klamauk und die bewegenden Passagen nicht zum Kitsch werden; vielleicht kann man sie deswegen so aufeinanderprallen lassen.

Todtraurig ist das (und das Traurigste ist noch gar nicht erzählt), aber so schön zu lesen, dass man nicht aufhören möchte. "Alles was gut ist, ist flüchtig", heißt es am Ende. Lillas Leben ist im Grund total misslungen und nur "aus dem zusammengesetzt, was nie geschah". Der Schlüsselsatz in diesem Buch (und Sigurdardóttirs Werk) lautet: "Im Traum kommt man problemlos an sein Ziel." Wie tröstlich, wie illusionslos. Das Leben spielt sich in diesen Büchern nur im Kopf ab, wer es in der Wirklichkeit versucht, bei dem wird es zum Arrangement. Erkenntnisse, die daran etwas ändern könnten, kommen meist zu spät.

- Steinunn Sigurdardóttir: "Sonnenscheinpferd". Roman. Aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008. 174 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Arztgespenster
Steinunn Sigurdardóttirs „Sonnenscheinpferd”
Man zuckt erst einmal zusammen, wenn man diesen aus dem Isländischen übersetzten Romantitel hört, „Sonnenscheinpferd”, und dann auf dem Klappentext liest, dass darin Figuren vorkommen sollen wie eine „Verkäuferin im Milchgeschäft”, ein „deutsches Kindermädchen” und eine „Säuferin, die in einem Schuppen hauste”. Das klingt doch allzu sehr nach dem, was in hiesigen Verlagskatalogen als „modernes nordisches Märchen” gelistet sein könnte. Dann aber schlägt man das Buch auf – und es fällt einem ein Stein vom Herzen. Denn die isländische Autorin Steinunn Sigurdardóttir ist eine große Ironikerin. So handelt es sich beim „Sonnenscheinpferd” um ein faules Pferd, das bei schlechtem Wetter im Stall bleibt, also einen Sonntagsgaul, ein Schönwetterfohlen. Und die Geschichte, in der dieses Fabelwesen auftaucht, apostrophiert sich im Roman selbst als Kunstmärchen.
Dabei scheint die Handlung durchaus realistisch zu sein. Man weiß zwar nur, dass sie irgendwo im Hinterland von Reykjavík angesiedelt ist, und dass es in der Nähe einmal einen amerikanischen Stützpunkt gab. Der politische Hintergrund aber ist nebensächlich, denn was hier aufgeführt wird, ist ein kleinfamiliäres Kammerspiel. Die Erzählerin, eine ewige Tochter, kehrt nach 25 Jahren in die Heimat zurück, wo ihre vergreiste Mutter im Hausmantel des toten Vaters umhergeistert: „Ich finde zwar, es ist eine Unsitte, die Sachen von Verstorbenen anzuziehen, aber das soll sie halten, wie sie will”. So verschränken sich überlieferte Animismen mit aufgeklärtem Sarkasmus.
Bei Lichte besehen ist diese Familiengeschichte nichts anderes als ein pathologischer Fall. Die Mutter, die als Ärztin arbeitet, verkraftet es nicht, dass ihr so viele Kinder unter den Händen wegsterben, weshalb sie „über das Normale hinaus so geistesabwesend” ist, dass sie sich tagelang damit beschäftigen kann, Gegenstände zu verstellen. Ihren Aberwitz gewinnen diese kleinen Pathologien des Alltags aber erst aus dem grausam fabulierlustigen Blick der Kinder: So erinnert sich die Erzählerin daran, wie sie sich als „Arztgespenst” verkleidete, um ihrem Bruder mit rotem Kugelschreiber ein Herz auf den Brustkorb zu zeichnen. Auch erwähnt sie das „Unsichtbar-Spiel” und das „Tot-Spiel”, welches von allen das lustigste gewesen sein soll.
Eigentlich wäre damit stofflich wie figurenmäßig schon mehr als genug versammelt, um eine Familienaufstellung in der Tradition von Thomas Vinterbergs „Das Fest” zu inszenieren. Aber leider verliert sich Sigurdardóttir etwas in libidinösen Verwicklungen. Auch darf man sich nicht daran stören, dass Zitate aus dem Kierkegaardschen Hausschatz eingestreut werden: „Philosophie ist nicht meine starke Seite”, sinniert die Erzählerin, „ich dachte trotzdem an den Existenzsprung ins Dunkel”. Jedenfalls überlegt sie sich prophylaktisch schon mal eine gute Inschrift für ihr Grab: „Hier ruht kein Sonnenscheinpferd”.KASPAR RENNER
Steinunn Sigurdardóttir
Sonnenscheinpferd
Roman. Aus dem Isländischen von Coletta Bürling. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 176 Seiten, 16,90 Euro.
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