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Wenn der Erzähler seinen Freund, den Fischer Selim, auf der Jagd nach dem letzten großen Schwertfisch begleitet, beginnt das Marmarameer zu leben, leuchtet in all seinen Farben. Selims Traum ist es, ein Stück Land, das er bereits mit Olivenbäumen bepflanzt hat, zu kaufen und für seine große Liebe ein Haus zu bauen. Auf dem Boot erzählt Selim von seiner Freundschaft zu einem Delphin und beschreibt das grässliche Massaker, das die Fischer aus Geldgier unter den Delphinen des Marmarameers anrichteten. Während vieler Jahre hat Yasar Kemal die Fischer auf ihren Fahrten begleitet und die Stimmungen…mehr

Produktbeschreibung
Wenn der Erzähler seinen Freund, den Fischer Selim, auf der Jagd nach dem letzten großen Schwertfisch begleitet, beginnt das Marmarameer zu leben, leuchtet in all seinen Farben. Selims Traum ist es, ein Stück Land, das er bereits mit Olivenbäumen bepflanzt hat, zu kaufen und für seine große Liebe ein Haus zu bauen. Auf dem Boot erzählt Selim von seiner Freundschaft zu einem Delphin und beschreibt das grässliche Massaker, das die Fischer aus Geldgier unter den Delphinen des Marmarameers anrichteten. Während vieler Jahre hat Yasar Kemal die Fischer auf ihren Fahrten begleitet und die Stimmungen des Marmarameers in sich aufgenommen. Dieser Roman ist eine Liebeserklärung an dieses Meer und an die von Leben sprühende Stadt Istanbul, zugleich ein spannender Kriminalroman und ein Hohelied der Freundschaft.
Autorenporträt
Yaşar Kemal wird der »Sänger und Chronist seines Landes« genannt. Er wurde 1923 in einem Dorf Südanatoliens geboren. Seine Werke erschienen in zahlreichen Sprachen und wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. 1997 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2008 wurde er mit dem Türkischen Staatspreis geehrt. Er starb in Istanbul am 28.2.2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.1996

Selim über den Wassern
Yashar Kemal schürt den Zorn des Meeres · Von Peter Demetz

Der türkische Schriftsteller Yashar Kemal, heute dreiundsiebzig Jahre alt, zählt in seinem Vaterland zu den populärsten Autoren, und er hat auch in Frankreich, Schweden und Rußland eine loyale Leserschaft. Wenn sein Roman "Zorn des Meeres", im Original vor achtzehn Jahren erschienen, jetzt in der Übersetzung von Cornelius Bischoff dem deutschen Publikum vorgestellt wird, mag der günstigste Augenblick der Aufmerksamkeit hierzulande bereits vorüber sein. In der Epoche Heinrich Bölls etwa wäre Kemals Populismus oder der aufrichtige Glaube an die sogenannten einfachen Leute und die entsprechende Abneigung gegen Bourgeoisie, Industrielle, Waffenhändler, Spekulanten und Beamte des Innenministeriums, alle unter dem einen üblen Hut, von unmittelbarerer Anziehungskraft gewesen als in einem Moment, da sich viele Erzähler aus der Öffentlichkeit zurückziehen und das Politische unter den Bettlaken suchen.

Das türkische Establishment hat Kemal des Marxismus bezichtigt und zu Gefängnisstrafen verurteilt, aber sein gefühlsstarker Sozialismus der archaischen Dorfgemeinschaft gründet sich auf der Überzeugung, daß Nachbarn einander wohlwollen, daß jedes Geschöpf, ob Mensch oder Tier, seine besonderen Lebensrechte besitzt, und daß Demütigungen des Menschen nicht unvergolten bleiben sollen. Nichts ist klein in seiner Epik, und was er sagt, strömt wie die schäumenden Fluten des Meeres.

In seinen früheren Arbeiten hat sich Kemal in seinen südanatolischen Heimatdörfern bewegt (sein Vater war allerdings ein feudaler Landbesitzer, den seine Feinde ermordeten), aber im neuen Roman lebt er mit den Fischern, nicht weit von Istanbul, und mit den jungen Leuten, die es in die Stadt treibt. Kemal erzählt, in nahezu parallelen Handlungssträngen, von zwei Männern, dem alten und lebenskräftigen Fischer Selim und dem jungen Zeynel, der sich an einem Boß rächt, eine Bank ausraubt und durch die Märkte, Bahnhöfe und Docks Istanbuls flüchtet.

Die Revolver sitzen locker, Zeynel, ein Milchbart und Möchtegern-Gangster, verschlingt die Istanbuler Zeitungen, die in großer Aufmachung von seinen Verbrechen berichten (man kreidet ihm alle Raubmorde an, die in der Stadt geschehen). Der redliche Selim liebt die springenden Delphine und jagt, wie Hemingways alter Mann, dem größten und gewandtesten Riesenfisch des Marmarameeres nach. Es sind, im Schatten der Tradition, melodramatische Männergeschichten von Ehre, Kühnheit, Wagnis und Tod ohne mittlere Temperaturen; und die blassen Frauen begnügen sich mit vorgeschriebenen Rollen, drängen ihre vollen Brüste an die Männer, wiegen die breiten Hüften und bereiten den duftenden Kaffee.

Kemal ist ein geheimer Konservativer, der, ungeachtet aller Träume und Visionen, als traditioneller Erzähler arbeitet; nur selten greift er zu einem moderneren Mittel, zum Beispiel in einer interpunktionslosen Passage, Zeynels rascher Flucht. Es kommt ihm auf die deutliche Botschaft an (Selim predigt wie ein Franziskus über den Wassern), nicht auf ein kompliziertes Wie; und seine Art, Gedanken seiner Figuren als halblaute Sprache zu berichten ("er sagt vor sich hin, vielleicht sogar laut"), geht auf das tiefste neunzehnte Jahrhundert zurück. Charakteristischer für ihn und wirksamer sind die regelmäßig wiederkehrenden Chöre oder Bündelungen einzelner Stimmen, ohne Namen und Körper und immer in einzelnen Sätzen über Taten und Untaten Selims und Zeynels. Er bezeugt in diesem Stimmengewirr, wie sich alltäglicher Dorftratsch zu einem heroischen Mythos zusammenschließt, den dann die professionellen Märchenerzähler aufnehmen und entfalten. Hier zeigt er den Ursprung seiner kollektiven Poetik.

Über den Schicksalen Selims und Zeynels, die sich einander mit fataler Notwendigkeit nähern, erhebt sich die Stadt. Kemal glaubt nicht an die Ökonomie der Komposition oder der Worte und schreibt, sobald er auf Istanbul zu sprechen kommt, in hemmungslosen Additionen, ungezähmten Substantivreihen und schlangengleichen Adjektivsequenzen, die sich über viele ermüdende Seiten hinwegwinden. Inmitten der Häufungen und Wucherungen sitzt dann der Treffer, "im Stadtteil Beyoglu der Geruch von Ammoniak und Galle, abgestandenem Bier, säuerlichem Hefeteig und gequollenem Brot", oder die kühlen und meisterhaften Passagen über das allmähliche Erwachen der Stadt am frühen Morgen - leider kommt er uns dann wieder mit dem preziösen Ehrgeiz seiner malerischen Effekte: "Flugzeuge kamen vom Westen, tauchten wie goldene Tropfen ins glühende Rosa, dann wieder in rosiges Violett und zogen einen Schweif aus glitzerndem Goldstaub hinter sich."

Die Gefahr liegt darin, daß Wortmassen und malerische Effekte ins allzu Schöne drängen und die politischen und ethischen Grenzlinien, um die es Kemal ja vor allem geht, überspielen oder gar ästhetisch vernebeln. Selim und Zeynel töten mit Vorsatz, aber der Erzähler versucht zu betonen, daß der "ichbezogene" Zeynel persönliche Erniedrigungen rächt, Selim aber, "der Zorn des Meeres", die verletzte vorkapitalistische Ordnung und den Willen der Fischergemeinschaft inkarniert. Es sind mehr als individuelle Begründungen, die ihn dazu bewegen, den Geschäftsherrn zu töten, der die alten Sitten des Fischfangs durch die industrialisierte Fischjagd zerstört.

Nach seiner blutigen Tat fährt Selim wieder aufs Meer hinaus, und der Kosmos selbst, Meer, Fische und der Himmel, sprechen ihn von Sünde und Terrorismus festlich frei. In einer unerwarteten Walt-Disney-Delphin-Show springen die geliebten Fische um sein Boot, und das Meer beginnt aus der Tiefe zu leuchten, "wie eine sich öffnende Blume der Freude". Ein politischer Roman? Ein grünes Märchen? Leider beides und keines von beiden, denn das eine sabotiert das andere, und in Erinnerung bleibt ein wortmächtiger Erzähler, der sich diesmal mit allzu pittoresken Lösungen begnügt.

Yashar Kemal: "Zorn des Meeres". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Cornelius Bischoff. Unionsverlag, Zürich 1996. 490 S., geb., 48,- DM.

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»Er beschreibt - und dies tut er grandios, extensiv und masslos. Wie er die Wolken, das Licht und den Himmel schildert, das Meer abwechselnd dunkelblau, smaragdgrün und grau schimmern lässt und mit Streifen von Blau, Lila, Lindgrün, Aschgrau, Wolkenweiss und Rot überzieht, erweckt die Vorstellung von einem, dem es gelingt, mit Wörtern zu malen.« Tages-Anzeiger