Die Nigerianerin Deola ist 39 und hat viel erreicht. Sie arbeitet in London als Wirtschaftsprüferin internationaler Hilfsorganisationen, ihr Job ist anspruchsvoll und einträglich. Als Deola beruflich nach Nigeria fliegt, sieht sie ihre Familie und Freunde wieder, deren Vorstellungen von einem erfüllten Frauenleben immer noch untrennbar mit Ehe und Mutterschaft verbunden sind. Auch wird sie wieder mit dem Leben im Moloch Lagos konfrontiert, und so steckt sie fest zwischen den beiden Anteilen ihres Lebens. Der One-Night-Stand mit Wale macht ihr Leben nicht eben leichter, denn es gibt einen ärgerlichen Unfall und Deola fürchtet beides: HIV und Schwangerschaft. Deolas Reise bringt alles in Bewegung, und am Ende fällt sie eine Entscheidung, die ihr Leben in neue Bahnen lenkt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Lebenswirklichkeit junger afrikanischer Weltbürger bringt Sefi Atta laut Sabine Berking in diesem Roman recht gut rüber. Der etwas hölzerne Stil der Autorin, deren Protagonisten zwischen Laos und London hin- und herpendeln, auf der Suche nach Identität, nach Arbeit, Karriere und Familienzusammenhängen, scheint Berking angenehmer als der bittere Ton von Attas Kollegin Taiye Selasi. Die postkoloniale Welt mit ihren nicht totzukriegenden Rassismen schildert Atta laut Berking in dieser Geschichte eindrucksvoll.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2013Zwischen Pest und Cholera
Sefi Atta erzählt von einer afrikanischen Aufsteigerin
Ob man lieber in London oder in Lagos leben möchte, ist für die meisten keine Frage. Natürlich lebt man lieber im zivilisierten London als in der urbanen Hölle der nigerianischen Hauptstadt Lagos, in der ständig der Strom ausfällt, man vor Raubüberfällen auf der Hut sein muss und wo trotz riesiger Ölvorkommen Benzin für die Bürger rar ist. Von Übeln wie Korruption, Armut, Umweltverschmutzung ganz zu schweigen.
Die Hauptfigur in Sefi Attas neuem Roman geht einem gutbezahlten, interessanten Job in der britischen Hauptstadt nach und besitzt dort obendrein eine nette Eigentumswohnung. Für Deola, eine aus Lagos stammende Enddreißigerin und Finanzexpertin bei einer internationalen Hilfsorganisation, ist ein Leben in ihrer Geburtsstadt kein Thema.
Bis eine Dienstreise sie in die alte Heimat führt, wo sie sich für eine Nacht mit dem gutaussehenden Besitzer eines Hotels einlässt. Der alleinerziehende Vater hat wie Deola im westlichen Ausland studiert, ist dann aber nach Nigeria zurückgekehrt, wo er nun eine Firma und sein Hotel besitzt. Ungewollt wird Deola schwanger, was sie aber erst nach ihrer Rückkehr in London bemerkt. Hinzu kommt nun die Angst vor Aids.
Doch da ist sie bereits hin- und hergerissen, denn natürlich könnte sie auch in der Bank ihres verstorbenen Vaters in Lagos arbeiten. Die Familie ist wohlhabend, die Eltern gehörten nach der Unabhängigkeit der Elite an. Schon lange drängte die Mutter auf Nachwuchs, selbst ein uneheliches Kind wäre also kein Drama. Doch der Clan, die Religion, die Volkszugehörigkeit entscheiden in Nigeria noch immer, wer man ist und wo man zu stehen hat.
Andererseits ist auch in London nicht alles perfekt. Vor allem der unterschwellige, unter der Maske eines weltoffenen Kosmopolitismus verborgene Rassismus stößt der jungen Frau unangenehm auf. Der kleine Unterschied, "a bit of difference", wie das Buch im Original heißt, scheint sie hier wie dort von den anderen zu trennen. Lagos oder London - für Deola ist es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Sefi Atta wurde 1964 als Kind eines hohen nigerianischen Politikers in Lagos geboren und erhielt ihre Ausbildung in England. Heute lebt sie mit ihrem ebenfalls aus Nigeria stammenden Mann in den Vereinigten Staaten. Sie gehört zur Gruppe der afropolitans, junger afrikanischer Weltbürger, deren postkoloniale zersplitterte Lebenswirklichkeit zwischen Kontinenten und Kulturen auch schon die Literatur erobert hat. Ihre Identität müssen diese Weltafrikaner entlang der Linien von Nation, Rasse, Familienzugehörigkeit und Kultur stets neu verhandeln. Ihre Probleme - Partnerschaft, Karriere, Familie - scheinen denen ihrer westlichen Altersgenossen zu ähneln, müssen aber mit der Frage nach Zugehörigkeit und einem subtilen Rassismus multipliziert werden.
Die Geschichte ihrer fiktiven Afropolitanen erzählt Sefi Atta in einem schnörkellosen, zuweilen etwas hölzernen Stil, klingt dabei aber weitaus weniger bitter als ihre Schriftstellerkollegin Taiye Selasi, die den Begriff des "Afropolitan" geprägt hat. Deolas Freundin Subu, die ebenfalls aus Nigeria stammt, bringt das Dilemma, um das sie viele ihrer Landsleute sicher beneiden würden, am Ende nicht ohne Zynismus auf den Punkt. Der erfolgreichen Managerin ist gerade ein Immobiliendeal in Schanghai durch die Lappen gegangen, und Deola erkundigt sich nach ihrem Befinden. Subu antwortet gleich für beide Frauen: "Uns geht es gut, wir sind hier!" In London versteht sich.
SABINE BERKING
Sefi Atta: "Nur ein Teil von dir". Roman.
Aus dem Englischen von Eva Plorin. Peter Hammer Verlag,
Wuppertal 2013. 345 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sefi Atta erzählt von einer afrikanischen Aufsteigerin
Ob man lieber in London oder in Lagos leben möchte, ist für die meisten keine Frage. Natürlich lebt man lieber im zivilisierten London als in der urbanen Hölle der nigerianischen Hauptstadt Lagos, in der ständig der Strom ausfällt, man vor Raubüberfällen auf der Hut sein muss und wo trotz riesiger Ölvorkommen Benzin für die Bürger rar ist. Von Übeln wie Korruption, Armut, Umweltverschmutzung ganz zu schweigen.
Die Hauptfigur in Sefi Attas neuem Roman geht einem gutbezahlten, interessanten Job in der britischen Hauptstadt nach und besitzt dort obendrein eine nette Eigentumswohnung. Für Deola, eine aus Lagos stammende Enddreißigerin und Finanzexpertin bei einer internationalen Hilfsorganisation, ist ein Leben in ihrer Geburtsstadt kein Thema.
Bis eine Dienstreise sie in die alte Heimat führt, wo sie sich für eine Nacht mit dem gutaussehenden Besitzer eines Hotels einlässt. Der alleinerziehende Vater hat wie Deola im westlichen Ausland studiert, ist dann aber nach Nigeria zurückgekehrt, wo er nun eine Firma und sein Hotel besitzt. Ungewollt wird Deola schwanger, was sie aber erst nach ihrer Rückkehr in London bemerkt. Hinzu kommt nun die Angst vor Aids.
Doch da ist sie bereits hin- und hergerissen, denn natürlich könnte sie auch in der Bank ihres verstorbenen Vaters in Lagos arbeiten. Die Familie ist wohlhabend, die Eltern gehörten nach der Unabhängigkeit der Elite an. Schon lange drängte die Mutter auf Nachwuchs, selbst ein uneheliches Kind wäre also kein Drama. Doch der Clan, die Religion, die Volkszugehörigkeit entscheiden in Nigeria noch immer, wer man ist und wo man zu stehen hat.
Andererseits ist auch in London nicht alles perfekt. Vor allem der unterschwellige, unter der Maske eines weltoffenen Kosmopolitismus verborgene Rassismus stößt der jungen Frau unangenehm auf. Der kleine Unterschied, "a bit of difference", wie das Buch im Original heißt, scheint sie hier wie dort von den anderen zu trennen. Lagos oder London - für Deola ist es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Sefi Atta wurde 1964 als Kind eines hohen nigerianischen Politikers in Lagos geboren und erhielt ihre Ausbildung in England. Heute lebt sie mit ihrem ebenfalls aus Nigeria stammenden Mann in den Vereinigten Staaten. Sie gehört zur Gruppe der afropolitans, junger afrikanischer Weltbürger, deren postkoloniale zersplitterte Lebenswirklichkeit zwischen Kontinenten und Kulturen auch schon die Literatur erobert hat. Ihre Identität müssen diese Weltafrikaner entlang der Linien von Nation, Rasse, Familienzugehörigkeit und Kultur stets neu verhandeln. Ihre Probleme - Partnerschaft, Karriere, Familie - scheinen denen ihrer westlichen Altersgenossen zu ähneln, müssen aber mit der Frage nach Zugehörigkeit und einem subtilen Rassismus multipliziert werden.
Die Geschichte ihrer fiktiven Afropolitanen erzählt Sefi Atta in einem schnörkellosen, zuweilen etwas hölzernen Stil, klingt dabei aber weitaus weniger bitter als ihre Schriftstellerkollegin Taiye Selasi, die den Begriff des "Afropolitan" geprägt hat. Deolas Freundin Subu, die ebenfalls aus Nigeria stammt, bringt das Dilemma, um das sie viele ihrer Landsleute sicher beneiden würden, am Ende nicht ohne Zynismus auf den Punkt. Der erfolgreichen Managerin ist gerade ein Immobiliendeal in Schanghai durch die Lappen gegangen, und Deola erkundigt sich nach ihrem Befinden. Subu antwortet gleich für beide Frauen: "Uns geht es gut, wir sind hier!" In London versteht sich.
SABINE BERKING
Sefi Atta: "Nur ein Teil von dir". Roman.
Aus dem Englischen von Eva Plorin. Peter Hammer Verlag,
Wuppertal 2013. 345 S., geb., 22,- [Euro].
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