Vom Fortgehen und Zurückkehren. Vom Suchen und Sich-Finden.
Der 1999 erschienene Roman wurde den 100 einflussreichsten afrikanischen Romanen zugeordnet. Er schildert uns plastisch und lebendig die Odyssee einer studierten, schönen Afrikanerin, die aus Europa zurückkehrt in ihr Heimatdorf.
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, auf der Suche nach sich selbst, nach ihrer ureigensten…mehrVom Fortgehen und Zurückkehren. Vom Suchen und Sich-Finden.
Der 1999 erschienene Roman wurde den 100 einflussreichsten afrikanischen Romanen zugeordnet. Er schildert uns plastisch und lebendig die Odyssee einer studierten, schönen Afrikanerin, die aus Europa zurückkehrt in ihr Heimatdorf. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, auf der Suche nach sich selbst, nach ihrer ureigensten Identität. Sie fühlt sich zerrissen, zerstört, zerbrochen.
Ein komplexer Roman mit diversen Ebenen: das Leben der Protagonistin, die spirituelle Welt der Muradiya, einer Sufi-Bruderschaft, das polygame traditionelle Frauenleben im Gegensatz zu westlicher Emanzipation, die Traditionen mit strikten Strukturen und Hierarchien, die einengen, aber auch Geborgenheit und Sicherheit geben.
Wir erleben eine jungen Frau, die ihre „weiße Maske auf schwarzer Haut“ (Frantz Fanon) als Fremdkörper empfindet und ablegt und langsam den Weg, ihren Sandweg, zurück zu sich selbst, findet. Im Serigne, den Kalifen der Muradiya-Gemeinde, findet sie einen Vertrauten, einen Freund, mit dem sie in Augenhöhe über alles reden kann. Alles ändert sich, als er sie zur 28. Ehefrau seines Anwesens, seines Lebens erwählt. Zum ersten Mal empfindet sie Liebe, Sanftmut und Zärtlichkeit, in stillem Einvernehmen. Diese Liebe und Zuneigung, dieses Vertrauen lösen einen Heilungsprozess in ihr aus und sie bleibt dem Serigne über Jahre engst verbunden.
Wir erfahren viel über das das Muriden-Kalifat und über den Serigne. Ein Mann mit einer Aura der Güte, des Wissens, des Scharfsinns, der Weisheit und der Freigiebigkeit. Er verkörpert ein Ganzes. Die Ich-Erzählerin erlebt eine ganz neue Art von Sinnlichkeit, von Liebe und Lust. Die manipulativen Spiele der Wolllust und der Stellungswechsel sind weit fort. Sie singt nicht das Lied der Polygamie, aber sie vergleicht sie mit westlichen Liebesprinzipien, früher romantisch konnotiert, heute ein Optimierungs- und Leistungsprozess. Als der Serigne sich nach Jahren eine neue Frau nimmt, geht die Erzählerin ihren eigenen Weg. Sie ist jetzt stark genug und hat sich selbst gefunden. „Ich war zu der geworden, die ich war“. Frei von den falschen Verlockungen und Verführungen des Westens. Fernab vom westlichen Feminismus, der einfach nur eine weitere - ismus-Schublade ist.
Eingebettet in die soziologischen, religiösen, psychologischen und philosophischen Facetten sind die Kurzporträts einiger Frauen. Immer wieder Einsprengsel von sozialkritischen und politischen Protestnoten, fast wie Werbeslogans im Stakkato. Der gesamte Text wird dadurch rhythmisch und lebendiger.
Ken Bugul entführt uns in zwei Welten, in die traditionelle afrikanische und die moderne westliche. Welche ist die bessere? Nachzudenken über Traditionen und Moderne, über weibliche Rollenspiele und Schicksale, dazu regt dieser Roman an und führt vielleicht zu Verständnis anderer Lebensarten und zum Tieferschürfen der eigenen Situation, der persönlichen wie der allgemeinen in Europa.
Abschließend ein Satz von Fernando Pessoa: Nie eine Haremsdame gewesen zu sein.