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Diese Monographie untersucht die theoretische und praktische Bedeutung von Experten, Beratern und Ratgebern in der Gegenwartsgesellschaft.Offensichtlich gibt es eine wachsende Schicht von wissensbasierten Berufen, die zur Pluralisierung von Expertise und zur Multiplikation von Experten geführt hat. Entscheidungsträger in Organisationen wie Privatbürger suchenvermehrt den Rat von Experten. Die beiden Autoren analysierenwichtige Aspekte von Expertentätigkeit und legen dar, dass die Rolle von Experten von anderen - wie Professionen, Wissenschaftlern oder Intellektuellen - unterschieden werden…mehr

Produktbeschreibung
Diese Monographie untersucht die theoretische und praktische Bedeutung von Experten, Beratern und Ratgebern in der Gegenwartsgesellschaft.Offensichtlich gibt es eine wachsende Schicht von wissensbasierten Berufen, die zur Pluralisierung von Expertise und zur Multiplikation von Experten geführt hat. Entscheidungsträger in Organisationen wie Privatbürger suchenvermehrt den Rat von Experten. Die beiden Autoren analysierenwichtige Aspekte von Expertentätigkeit und legen dar, dass die Rolle von Experten von anderen - wie Professionen, Wissenschaftlern oder Intellektuellen - unterschieden werden muss. Experten üben wissensbasierte Tätigkeiten aus, die zwischendem Kontext der Wissensproduktion und der Wissens-anwendung vermitteln.Wissen ersetzt mehr und mehr die Rolle der klassischen Produk-tionsfaktoren Eigentum, Arbeit und Boden. Diesen Wandel in modernen Gesellschaften betrachten Stehr und Grundmann im Hinblick auf eine zentrale Veränderung näher: die Zunahme der wissensbasiertenTätigkeiten. Ihr besonderes Interesse gilt dem Wissen, das die Experten, Berater und Ratgeber vermitteln, den gesellschaftlichenVeränderungen, die das Wachstum wissensbasierter Berufe erklären, sowie den Konsequenzen, den diese Form der Arbeit für moderne Gesellschaften hat.Kapitel 1: Wissen und Expertentum klärt die Konzepte Wissen, Expertentum, Professionen und Berater und erläutert ihre soziale Bedeutung. Kapitel 2: Wer sind die Wissensarbeiter? untersucht die sozialstrukturellen Voraussetzungen für das Entstehen und das Wachstum einer Gruppe, die als Experten bezeichnet wird. Es zeigt sich, dass wissensbasierte Berufe die Voraussetzung für die Ausbreitungvon Expertenwissen in der Gegenwartsgesellschaft sind. Nicht alle wissensbasierten Tätigkeiten oder Berufe sind jedoch unter dem Begriff der Expertise zu fassen. Kapitel 3: Was tun Experten? untersucht deshalb die verschiedenen Dimensionen von Expertise und die verschiedenen Rollen, die Experten spielen. Dabei wird die soziale Rolle des Experten von anderen Rollen abgegrenzt - von Intellektuellen, Wissenschaftlern oder Angehörigen hoch spezia-lisierter Fachberufe. Kapitel 4: Die Hierarchie der Expertise erörtertmarginales und dominantes Wissen und die Frage, wie beide in unterschiedlichen historischen Perioden definiert werden. Ein Exkurs behandelt die Fallbeispiele Finanzkrise und globaler Klimawandel.Diese Beispiele führen in dramatischer Weise vor Augen, wie Experten als Mittler zwischen etablierten Wissensbeständen, neuen Entwicklungen und dringenden Handlungserfordernissen auftreten und Empfehlungen abgeben. Kapitel 5: Sozialer Wandel und Krise der wissenschaftlichen Expertise fragt nach den Perspektiven der künftigen Rolle von Expertise, ihren Grenzen und Möglichkeiten. Insbesondere geht es auf die Rolle wissenschaftlichen Wissens und die Krise der wissenschaftlichen Expertise ein, die in Deutschland spätestens seit Tschernobyl augenfällig geworden ist.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Nico Stehr, Karl-Mannheim Lehrstuhl für Kulturwissenschaften, Zeppelin Universität Friedrichshafen. Veröffentlichung bei Velbrück Wissenschaft: Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften. Die Stagnation der Macht und die Chancen des Individuums.Reiner Grundmann, Reader in Sociology, School of Languages and Social Sciences, Aston University Birmingham. Zusammen mit Nico Stehr hat er herausgegeben: Society. Vier Bände. London: Routledge, 2009.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2010

Händler und
Mittler des Wissens
Kompetenz und Anmaßung: Eine
Expedition in die Welt der Experten
Auf tönernen Füßen ruht die Welt und dennoch flog sie uns bisher nicht um die Ohren: Politiker, vermuten wir, regieren uns stellvertretend – oder sind es die Experten, die die Politiker beraten und insgeheim ihr eigenes Süppchen kochen? Experten geben uns Ratschläge auf Schritt und Tritt, damit wir zu einer selbstverantworteten Entscheidung gelangen – oder plappern wir papageiengleich nach, was die Experten uns aus Eigeninteresse vorsagen? Weil das Wissen explodiert, bezahlen wir Experten, damit sie eine komplexitätsreduzierende, Handlung ermöglichende Schneise in den Wissensdschungel schlagen – aber wer garantiert, dass die Experten das Wissen wirklich gesichtet haben und uns nicht nur abgestandene Surrogate kredenzen? Letztlich ist die Expertokratie, in der wir leben und die mehr und mehr die Demokratie auszuhöhlen scheint, wohl eine Frage von Treu und Glauben, von Zufall und Glück.
Solche Zusammenhänge ahnte man längst, doch kaum jemand hat sich des aktuellen Themas streng wissenschaftlich angenommen. Ein schmales, ebenso konzentriertes wie eingängiges Buch will da Pionierarbeit leisten. Nico Stehr und Reiner Grundmann, ein Kulturwissenschaftler und ein Soziologe, unternehmen erste Schritte auf einem unabsehbaren Feld. Dass der Expertenstatus im Gegensatz zu jenem des Wissenschaftlers eine reine Zuschreibung ist, eine Prämie gewissermaßen für erfolgreiche Beratung, bildet die erste Säule der Darlegungen. Insofern sind Experten Personen, von denen lediglich „angenommen wird, dass sie aufgrund ihres routinemäßigen Umgangs mit bestimmten Themen Erfahrungen in relevanten Handlungskontexten gesammelt haben und daher Vertrauen sowie gesellschaftliches Ansehen genießen“. Im Extremfall also firmiert der Scharlatan so lange als Experte, bis die Gesellschaft ihm das Vertrauen entzieht. Bernie Madoff und Jérôme Kerviel und Nick Leeson waren angesehene Finanzexperten, ehe ihr Schwindelgebäude zusammenbrach.
Das Wissen, das der Experte „vermittelt oder verkauft“, wird von diesem nicht generiert. Er ist Händler und Mittler, nicht Produzent. Das Gut indes, das er weiterleitet, hat für ihn „eine unmittelbare produktive Kraft“. Darum diskutierten die Autoren die Frage, ob man die Experten als eigenständige Kategorie schlicht Wissensarbeiter nennen soll. Denn arbeiten sie nicht alle mit Wissen wie der Stahlkocher mit Stahl? Eine zu starke Betonung des produktiven Charakters der Expertentätigkeit führte jedoch zur Verwässerung des Begriffs; dann wäre jeder Büroangestellte und jeder Handelsvertreter ein Experte. Die orientierende Funktion des Spezialwissens ist darum zentral.
Ambivalent ist auch die notwendige „Sichtbarkeit eines Experten“. Sie führt dazu, dass einer „regelmäßigen Medienpräsenz“ legitimatorische Kraft zuwächst. Es gibt eben Arkanwissenschaft, aber keinen okkulten Experten. Er gewinnt seinen Status immer erst durch regelmäßiges Befragtwerden. Der Einfluss von Angebot und Nachfrage darf folglich nicht gering eingeschätzt werden. Bekannten Gesichtern schreibt man eine höhere Glaubwürdigkeit zu, die wiederum den Marktwert nach oben treibt.
Bei Experten auf jenen Gebieten, die Stehr und Grundmann aufgrund ihres soziologischen Zugangs nicht aussondern und die doch eher randständig sind, bei beratenden Heilpraktikern etwa oder Astrologen oder Homöopathen, wird das Spiel der Marktkräfte kaum katastrophale Folgen haben. Was aber sagen die beiden Wendemarken in der westlichen Expertenkultur, Umweltkrise und Finanzkrise, über die Reichweite des Expertenwissens aus? „Wahrscheinlich“, schreiben die Autoren, „hat kein Ereignis die Expertengemeinschaft so erschüttert wie die Entdeckung des Ozonloches 1985.“ Niemand nämlich habe damit gerechnet, kein wissenschaftliches Modell habe darauf hingedeutet. Die Finanzkrise hingegen von 2008 hätte von den „hochrangigen Experten im Bankensektor und in Regulierungsbehörden“ nicht „verschlafen“ werden müssen; der schwarze Freitag von 1929 und die Große Depression in den 1930er Jahren hätten zur Vorsicht mahnen können. Tatsächlich aber seien dann in die mathematischen Risikomodelle laut Alan Greenspan nur die Daten „aus den letzten beiden Dekaden“ eingeflossen, einer „Zeit der Euphorie“.
Man merke also auf: Experten sollten ein langes Gedächtnis haben und die Bereitschaft, ihre Paradigmen zu ändern. In der Umweltpolitik, heißt es überraschend holzschnittartig, habe ein solches Umdenken eingesetzt, in der Finanzpolitik bisher nicht. Diesen Schluss muss man ebenso wenig teilen wie die Vorliebe der Expertenexperten für manches hässliche Expertendeutsch; da sind Erfahrungen „brauchbar“ und werden „Optionen auf einen Punkt“ gebracht. Auch ist die Befürchtung, Experten seien Hüter der Macht, nicht gar so salopp von der Hand zu weisen. Dennoch ist der Rundgang durch die Welt der Wissenshändler eine anregende Expedition. An jeder Ecke trifft man auf Kompetenz und Anmaßung, kaum voneinander zu scheiden. ALEXANDER KISSLER
NICO STEHR, REINER GRUNDMANN: Expertenwissen. Die Kultur und die Macht von Experten, Beratern und Ratgebern. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2010. 148 Seiten, 14,80 Euro.
Ohne Sichtbarkeit, ohne stete
Medienpräsenz wird keiner
ein richtiger Experte
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Inspirierend und angesichts des Einflusses von Experten auf Entscheidungen in Alltag oder Politik auch nötig findet Alexander Kissler das Buch von Nico Steher und Reiner Grundmann. Der Kulturwissenschaftler und der Soziologe führen mit ihrer Arbeit auf ein weitgehend unbeackertes Feld, so der Rezensent anerkennend, der nach der Lektüre immerhin so weit orientiert ist, dass er abschätzen kann, wie nah "Kompetenz und Anmaßung" mitunter versammelt sein kann. Denn der Experte ist, wie die Autoren deutlich machen, allein durch seine Beschäftigung mit einem Spezialthema und durch seine "regelmäßige Befragung" legitimiert, gibt Kissler zu bedenken. Er stört sich ein bisschen am "Expertendeutsch" der "Expertenexperten" und findet, dass sie über die gefahr, dass Experten zuviel Macht bekommen könnten, allzu leicht hinweggehen. Alles in allem aber weiß er diesen Band für das Licht, das sie in die bislang unbeleuchtete Welt der Experten werfen, zu schätzen.

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