
Leo N. Tolstoi
Broschiertes Buch
Die Kreutzersonate
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Während einer nächtlichen Zugreise macht Posdnyschew, der Held von Tolstojs Erzählung, einem Mitreisenden ein aufwühlendes Geständnis: in seiner maßlosen Eifersucht - noch zusätzlich durch Beethovens Kreutzersonate geschürt - sah er keinen anderen Weg mehr, als seine vermeintlich untreue Frau umzubringen. Schritt für Schritt gerät er stärker in den Sog seiner heftigen Gefühle.
Lew Tolstoj wurde am 9. September 1828 in Jasnaja Poljana bei Tula geboren und starb am 20. November 1910 in Astapowo, heute zur Oblast Lipezk an einer Lungenentzündung. Tolstoj entstammte einem russischen Adelsgeschlecht. Als er mit neun Jahren Vollwaise wurde, übernahm die Schwester seines Vaters die Vormundschaft. An der Universität Kasan begann er 1844 das Studium orientalischer Sprachen. Nach einem Wechsel zur juristischen Fakultät brach er das Studium 1847 ab, um zu versuchen, die Lage der 350 geerbten Leibeigenen im Stammgut der Familie in Jasnaja Poljana mit Landreformen zu verbessern. Er erlebte von 1851 an in der zaristischen Armee die Kämpfe im Kaukasus und nach Ausbruch des Krimkriegs 1854 den Stellungskrieg in der belagerten Festung Sewastopol. Die Berichte aus diesem Krieg (1855: Sewastopoler Erzählungen) machten ihn als Schriftsteller früh bekannt. Er bereiste aus pädagogischem Interesse 1857 und 1860/61 westeuropäische Länder und traf dort auf Künstler und Pädagogen. Nach der Rückkehr verstärkte er die reformpädagogischen Bestrebungen und richtete Dorfschulen nach dem Vorbild Rousseaus ein. Seit 1855 lebte er abwechselnd auf dem Gut Jasnaja Poljana, in Moskau, und in Sankt Petersburg. Im Jahre 1862 heiratete er die 18-jährige deutschstämmige Sofja Andrejewna Behrs, mit der er insgesamt 13 Kinder hatte. In den folgenden Jahren seiner Ehe schrieb er die monumentalen Romane Krieg und Frieden sowie Anna Karenina, die Tolstojs literarischen Weltruhm begründeten.
Foto: Wikipedia, Tolstoi 1908
Produktdetails
- insel taschenbuch 763
- Verlag: Insel Verlag
- Originaltitel: Angabe fehlt
- Artikelnr. des Verlages: 32463, IT 763
- 22. Aufl.
- Seitenzahl: 175
- Erscheinungstermin: November 2008
- Deutsch
- Abmessung: 180mm x 110mm x 15mm
- Gewicht: 146g
- ISBN-13: 9783458324638
- ISBN-10: 3458324631
- Artikelnr.: 02368860
Herstellerkennzeichnung
Insel Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Leider keine Satire!
Die A-Dur-Sonate Opus 47 für Klavier und Violine hatte Ludwig van Beethoven dem französischen Geigenvirtuosen und Komponisten Rodolphe Kreutzer gewidmet, sie wird deshalb populär auch als «Kreutzersonate» bezeichnet. In Leo Tolstois gleichnamiger …
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Leider keine Satire!
Die A-Dur-Sonate Opus 47 für Klavier und Violine hatte Ludwig van Beethoven dem französischen Geigenvirtuosen und Komponisten Rodolphe Kreutzer gewidmet, sie wird deshalb populär auch als «Kreutzersonate» bezeichnet. In Leo Tolstois gleichnamiger Erzählung bildet dieses Musikstück den Kulminationspunkt einer düsteren Geschichte um eheliche Treue, die mit einem Eifersuchtsmord endet. Die russische Erzählprosa des 19. Jahrhunderts erreichte mit Tolstoi und Dostojewski einen Höhepunkt, wovon auch dieses Buch zeugt. Offensichtlich ging es dem berühmten Autor hier vor allem darum, die verlogenen Konventionen seiner Zeit zu demaskieren, eine Absicht, die man ja auch in vielen anderen Werken der Literatur jener Zeit häufig antrifft, nicht nur in der russischen.
Während einer Bahnfahrt erzählt ein etwas verwirrt wirkender älterer Mann von seiner Ehe und ihrem tragischen Ausgang. Es handelt sich weitgehend um einen Erzählmonolog, sein Gegenüber, der Ich-Erzähler, fungiert ganz selten mal als Stichwortgeber, er bleibt fast imaginär. Ein Leitthema bei Tolstoi ist ja Liebe und Ehe mit ihren vielschichtigen Problemen, hier nun auf die Spitze getrieben durch eine rigorose Verurteilung der Geschlechterliebe als Wurzel allen Übels in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis sei die völlige sexuelle Enthaltsamkeit vonnöten, das Zölibat als Ziel für alle gewissermaßen, und die Arterhaltung ist dabei insofern sichergestellt, als ja nicht alle diesen idealen Zustand erreichen, nicht alle Paare wie Brüderlein und Schwesterlein zusammenleben werden. Starker Tobak, der da abgebrannt wird, aber ernst gemeint! Wie das alles geschildert wird, ist einfach meisterhaft, die Gedankenwelt eines eifersüchtigen Ehemannes wird geradezu seziert, seine Ansichten und Standpunkte zum Thema sind logisch aufeinander aufgebaut. Eine unglaublich detailreiche Beschreibung führt den Leser durch einen Plot, dessen Ende ihm zwar schon früh bekannt ist, ohne dass es dadurch jemals langweilig würde. Es entfaltet sich das Psychogramm eines verbitterten Mannes, der an seinen falschen Schlüssen scheitert, auch zwingend scheitern muss, da ihnen ein falsches Menschenbild, eine absurde Moralvorstellung zugrunde liegt. So weit, so gut!
Nicht gut aber ist die verbissene moralischer Verallgemeinerung, die Tolstoi seiner Geschichte als Leitfaden mitgibt, das, was Thomas Mann eine «Riesentölpelei« nannte im Werke seines russischen Kollegen. Auch wenn man Tolstois Geschichte als absolut zeitgebunden betrachtet, sind die von seinem Protagonisten vertretenen Ansichten nichts Abstraktes, keine philosophischen Reflexionen einer erfundenen Figur, der Autor identifiziert sich unzweifelhaft mit seinem Protagonisten, hat ein geradezu distanzloses Verhältnis zu ihm. Man könnte nun einwenden, diesen Schluss lasse der Text gar nicht zu, hätte Tolstoi seiner Geschichte nicht jenes unsägliche Nachwort hinzugefügt, in dem er seine abstrusen Thesen wiederholt und weiter verdeutlicht. Die zu diskutieren ich mir an dieser Stelle aber verkneife, solches Gedankengut war schon vor mehr als hundert Jahren jenseits aller menschlichen Erfahrungen und Erkenntnisse. Die «Kreutzersonate» ist also leider keine Satire und folglich ein äußerst ambivalentes Werk der Weltliteratur!
Und so bleibt als Motiv zum Lesen eigentlich nur der Spaß an der grandiosen Erzählkunst dieses Autors. Mancher mag vielleicht sogar Lust bekommen, mal wieder Beethovens «Kreutzersonate» zu hören, wie ich das gerade tue, während ich diese Rezension schreibe, um damit meinen Ärger über völlig ernst gemeinte Sätze wie «Kinder sind eine Plage» und die zugehörige, wortreiche Begründung dieser Weisheit wenigstens ein bisschen abzumildern.
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