"Hexensabbat des Pöbels" - so nannte Carl Zuckmayer die Ereignisse am Abend des 11. März 1938 in Wien, als der "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland vollzogen wurde: "Es war, als seien mittelalterliche Pogrome in moderner Verkleidung wieder aufgelebt." Tagelange Hetzjagden, die die Judenverfolgungen der fünf Jahre NS-Herrschaft in Deutschland in den Schatten stellten. Handelte es sich dort fast ausschließlich um gezielte, organisierte und von oben verordnete Aktionen, agierte der Mob in Wien, als es oben niemanden gab, der verordnen konnte. In Anbetracht der Pogromstimmung und der binnen weniger Tage eingeleiteten Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft der "Arier" stellt sich die Frage nach der Bewertung der tagelangen Verhandlungen um den genauen Wortlaut der "Feierlichen Erklärung" der österreichischen Bischöfe ganz neu. Die Aufforderung Kardinal Innitzers an die Gläubigen, ein Dankgebet für die ohne Blutvergießen vor sich gegangene "Umwälzung" zu halten, wirkt an gesichts der Situation der Juden geradezu zynisch. Die Verfolgung der Juden, deren Demütigung und Leid hatte zumindest kein Gewicht. Hier war die katholische Kirche in ihrer Geschichte gefangen, durch die sich der Antisemitismus wie ein roter Faden zieht, und in der das Wegsehen der Kirche in den Märztagen 1938 nur einen neuerlichen traurigen Höhepunkt darstellt. Diese Arbeit geht anhand kirchlicher Publikationen der Frage nach, inwieweit die katholische Kirche durch ihre Haltung gegenüber Judentum und der jüdischen Bevölkerung Wiens antijüdische Ressentiments verstärkte und dadurch Mitverantwortung trägt an dem weit verbreiteten antisemitischen Grundkonsens in der nicht-jüdischen Bevölkerung - und an allem, was dieser auslöste. Die Haltung der Kirche zum Nationalsozialismus spielte vor 1938 und auch danach keine Rolle bei der Beurteilung der Juden durch katholische Geistliche und Laien. So schrieb etwa die 1939 gegründete katholische Jugendgruppe "Österreichische Front": "Wir sind n aturgemäß Gegner des Bolschewismus, des Nationalsozialismus und lehnen das Judentum mit seinen Gesetzen und Elementen ab." Vor diesem Hintergrund wurden die Pfarrblätter der Wiener Pfarren auf die darin verbreitete Einstellung gegenüber Juden untersucht. Pfarrblätter waren ein weit verbreitetes kirchliches Medium: In den 30er Jahren hatten, soweit feststellbar, zumindest 41 Wiener Pfarren ein eigenes Pfarrblatt. 25 davon sind in diese Untersuchung eingeflossen.