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Im April 1941 geriet Wolf Graf von Baudissin, Generalstabsoffizier bei Generalfeldmarschall Rommel, bei einem Aufklärungsflug unweit Tobruk in englische Gefangenschaft. Eine Monate dauernde Odyssee führte ihn um den halben Erdball, über Palästina bis nach Australien, wo er als Prisoner of War bis 1947 inhaftiert war. Es ist, "als wären wir nie getrennt gewesen", schrieb Baudissin nach über fünf Jahren Kriegsgefangenschaft an Dagmar Gräfin zu Dohna, seine spätere Frau. Wie es den Liebenden gelang, über die große Entfernung hinweg im Gespräch zu bleiben und sich gegenseitig Vertrauen und Halt zu…mehr

Produktbeschreibung
Im April 1941 geriet Wolf Graf von Baudissin, Generalstabsoffizier bei Generalfeldmarschall Rommel, bei einem Aufklärungsflug unweit Tobruk in englische Gefangenschaft. Eine Monate dauernde Odyssee führte ihn um den halben Erdball, über Palästina bis nach Australien, wo er als Prisoner of War bis 1947 inhaftiert war. Es ist, "als wären wir nie getrennt gewesen", schrieb Baudissin nach über fünf Jahren Kriegsgefangenschaft an Dagmar Gräfin zu Dohna, seine spätere Frau. Wie es den Liebenden gelang, über die große Entfernung hinweg im Gespräch zu bleiben und sich gegenseitig Vertrauen und Halt zu geben, lässt sich in ihren Briefen auf bewegende Weise nachvollziehen.

Die Korrespondenz ist ein anrührendes Zeugnis einer sich vertiefenden Zweisamkeit und einer großen Liebe, aber auch ein zeitgeschichtliches Dokument von Rang: Die Briefe spiegeln die Erschütterung angesichts der deutschen Katastrophe und versuchen eine politische und moralische Neuorientierung nach 1945.

Nicht zuletzt erfährt der Leser nachhaltig, wie sehr Grundideen des Konzepts der "Inneren Führung" und des "Staatsbürgers in Uniform" - Stichworte einer demokratischen Orientierung der Bundeswehr, die General Baudissin entwarf - im gemeinsamen Denken des Paares ihren Ursprung haben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2001

Aus dem ersten Soldatenleben
Briefe von Wolf Graf von Baudissin und Dagmar Gräfin zu Dohna

Wolf Graf von Baudissin/Dagmar Gräfin zu Dohna: ". . . als wären wir nie getrennt gewesen". Briefe 1941-1947. Herausgegeben mit einer Einführung von Elfriede Knoke. Bouvier Verlag, Bonn 2001. 287 Seiten, 49,80 Mark.

Der Titel läßt auf eine große Liebe schließen, die sich in schmerzlicher Trennung während der Kriegs- und Nachkriegszeit behauptete. Das allein aber dürfte kein übermäßiges Interesse an diesem Buch auslösen. Vielmehr ist es der Name Baudissin, der Aufmerksamkeit erregt. Dieser ist unverrückbar mit dem Begriff der "Inneren Führung" verknüpft, dem Konzept zeitgemäßer soldatischer Menschenführung, das Wolf Graf von Baudissin Anfang der fünfziger Jahre als zuständiger Referent im Amt Blank für die deutsche Wiederaufrüstung entwickelte. So leidenschaftlich damals um diese Thesen gestritten wurde, so (geradezu verdächtig) unbestritten werden sie heutzutage als Markenzeichen der Bundeswehr, gar als ein "Exportartikel" gepriesen. Letzteres dürfte selbst Baudissin äußerst skeptisch stimmen - wie man unschwer aus seiner Abschiedsvorlesung entnehmen kann, die im Anhang des Buches abgedruckt ist.

Nicht nur die Innere Führung war umstritten, auch die Person Baudissins. Dieser Mann paßte in kein Schema. Geboren 1907, von gräflicher Herkunft, tief im Preußischen verwurzelt, Offizier im berühmten Infanterie-Regiment Nr. 9 ("Graf Neun"), Generalstabsoffizier bei Erwin Rommel, schon im Frühjahr 1941 in britischer Gefangenschaft, sodann bis 1946 in einem australischen Lager. So blieb ihm das bittere Schicksal der meisten seiner Kameraden erspart, das Leiden und Sterben an der Ostfront wie in sowjetischer Gefangenschaft.

Die Kehrseite dieser glücklichen Fügung war, daß ihm zwangsläufig jene Erfahrung fehlte, nicht zuletzt deretwegen die Amerikaner auf einen westdeutschen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung drängten. Schon in seinem Äußeren war dieser Mann eine imponierende Erscheinung. Erlagen die meisten seinem Charme, so erst recht seiner intellektuellen Dominanz. Irgendwie blieb aber Baudissin selbst den Menschen ein Rätsel, die ihm sehr nahestanden. So stellte sich die Frage, was ihn außer seiner Herkunft und seiner Begabung bestimmte. Da richtete sich der Blick auf die Frau an seiner Seite: Dagmar Burggräfin zu Dohna.

Was man wußte: Beide stammten aus etwa demselben Milieu und waren im christlichen Glauben verankert. Gleichaltrig, hatten sie erst 1947 geheiratet, 15 Jahre nach ihrem Kennenlernen: der nun arbeitslose Major im Generalstab und die inzwischen recht erfolgreiche Bildhauerin. Kinderlos, führten sie einerseits ein besonders gastliches Haus, andrerseits blieben sie stark in sich gekehrt. In diese gewollte "Zweisamkeit" gewährt ihr Briefwechsel dem Leser interessante Einblicke. Erscheint dieser in seinen Anfangsjahren ein wenig unterkühlt, so verspürt man zunehmende Annäherung und Offenheit, die schließlich 1946 in eine bewegende Liebeserklärung des Grafen und in einen Heiratsantrag mündet. Wie ein roter Faden zieht sich durch diese sechs Jahre die gegenseitige Erinnerung an gemeinsame glückliche Tage - vor allem an ihre erste Begegnung, 1932, im Atelier der Gräfin am Berliner Lützowplatz. Dort wurde sie 1943 ausgebombt und fand Zuflucht auf den Besitzungen des Grafen Kanitz-Cappenberg bei Lünen.

In der Nachkriegszeit berichtet sie ihm über das karge Leben in Cappenberg. Und natürlich geht es auch um die ihm bevorstehende Hürde der Entnazifizierung wie um seine beruflichen Möglichkeiten. Mal will er Pfarrer werden, dann gar auswandern - bis man sich resignierend für ein "einfaches Leben" entscheidet, da "unsereiner immer weniger gefragt ist". So bittet er sie schließlich um eine beglaubigte Bescheinigung, daß sie ihn nach einer Entlassung als Gehilfen in ihrer Töpferei beschäftigen und unterbringen werde. Geradezu rührend schildert er in einem der letzten Briefe beider Wiedersehen in Munsterlager. Kurz darauf wird er - als Generalstabsoffizier in die Gruppe III (belastet) eingestuft - entlassen. Für die Baudissins beginnt nun das "einfache", aber glückliche Leben.

Aus dem Anhang erfährt der Leser, wie schwer sich beide mit seiner Rückkehr in den Soldatenberuf taten. Darin war sie ihm nicht nur eine unverzichtbare Beraterin, sondern hatte als glanzvolle Stilistin entscheidenden Anteil an seinen Arbeiten und Veröffentlichungen. Aber sie blieb bewußt stets im Hintergrund. Baudissins zweite Soldatenzeit führte zwar zu einer glanzvollen Karriere. Doch überwog - bei seiner Frau noch stärker als bei ihm - die Enttäuschung darüber, daß Politiker und Militärs seinen Vorstellungen von der neuen Bundeswehr nicht oder nur mit Vorbehalten folgten.

Man darf voraussagen, daß in der deutschen Militärgeschichte Baudissin genauso umstritten bleiben wird wie sein Konzept der Inneren Führung. Aber aus dem Entstehen der Bundeswehr ist er nicht wegzudenken - und auch nicht die Frau an seiner Seite.

GÜNTER KIESSLING

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Günter Kiessling befasst sich mit dem neu erschienenen Briefwechsel zwischen Wolf Graf von Baudissin, Spezialist für die Innere Führung der Bundeswehr, und seiner Frau Dagmar Gräfin zu Dohna, einer erfolgreichen Bildhauerin. Interessant findet Kiessling nicht die Geschichte einer Liebe, die in dem 6-jährigen Briefwechsel bis zur Heirat der beiden Briefpartner dokumentiert ist, sondern die Person des Grafen, der der Rezensent auf dem Umweg über dessen Frau auf die Spur zu kommen hoffte. Nachdem das Konzept der Inneren Führung stark umstritten war (wie sein Urheber), gelte es heute in der Bundeswehr gar als "Markenzeichen". Graf Baudissin äußere sich in seinem Nachwort zum Briefwechsel hierzu skeptisch.

© Perlentaucher Medien GmbH