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Eine Enzyklopädie der Bergpässe: Alpine Verbindungswege im Blick von Kulturwissenschaftlern und bekannten Autoren.Hochgelegene Regionen verbinden wir heute oftmals mit den Namen herausragender Berge, dem Matterhorn, dem Kilimandscharo, dem Mount Everest. Wurden die Gipfel lange Zeit als Orte des Zwiegesprächs zwischen Göttern und Menschen angesehen, so schufen die Pässe hingegen vielfältige Verbindungen zwischen den Menschen selbst.Handelswege, Schmugglerwege, Kriegswege, Pilgerwege: Pässe bilden Einbuchtungen in den ansonsten nur schwer zu überquerenden Gebirgsriegeln. Sie sind Orte eines…mehr

Produktbeschreibung
Eine Enzyklopädie der Bergpässe: Alpine Verbindungswege im Blick von Kulturwissenschaftlern und bekannten Autoren.Hochgelegene Regionen verbinden wir heute oftmals mit den Namen herausragender Berge, dem Matterhorn, dem Kilimandscharo, dem Mount Everest. Wurden die Gipfel lange Zeit als Orte des Zwiegesprächs zwischen Göttern und Menschen angesehen, so schufen die Pässe hingegen vielfältige Verbindungen zwischen den Menschen selbst.Handelswege, Schmugglerwege, Kriegswege, Pilgerwege: Pässe bilden Einbuchtungen in den ansonsten nur schwer zu überquerenden Gebirgsriegeln. Sie sind Orte eines vielfältigen Verkehrs von Menschen, Tieren, Dingen, von Erlaubtem und Verbotenem, auch Möglichkeitsräume, an denen zukünftige Ereignisse zum Greifen nahe scheinen. Pässe stiften daher auch Ideen und Fantasien.Mit Essays u. a. von Iso Camartin, Udo Friedrich, Lucas Mario Gisi, Alexander Honold, Rolf Parr, Barbara Piatti, Angela Steidele und Manfred Weinberg.Mit Lyrik und Prosa u.a. von Marcel Beyer, Nico Bleutge, Martin R. Dean, Tim Krohn, Volker Kutscher, Klaus Merz, Klaus Modick, Karl-Heinz Ott, Angelika Overath, Annette Pehnt, Marion Poschmann, Norbert Scheuer, Tom Schulz, Ulf Stolterfoth, Alain Claude Sulzer, Leo Tuor, Theresia Walser und Peter Wawerzinek.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2017

Wer sich dem Gipfel stellt
Von der Überwindung der Höhenangst: Literarische "Bergübergänge" in Fülle

Zum Beispiel der Malojapass, diese kuriose mit Haarnadelkurven gespickte Straße, die das Oberengadin mit dem Bergell verbindet. Eine Fluchtroute für wintermüde Schweizer, die fortwollen vom vielen Schnee, hinunter nach Italien und hinein in den Frühling. Ein steiler, 1500 Höhenmeter überwindender Pass, der mehr eine Kante ist, "ein Abbruch. Ein Augensturz in die Tiefe. Ein Schwindel." So schreibt Angelika Overath in der aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "die horen", die sich literarisch, lyrisch, essayistisch und bildkünstlerisch dem Thema Bergübergänge nähert.

Das ist, nicht nur aufgrund der Wandersaison, eine fabelhafte Idee, schließlich sind diese "Wolkenstege", wie Goethe einst schrieb, außergewöhnliche Orte des Dazwischens, wahrnehmungsverändernde Übergänge, die den Blick schärfen. Der hinaufsteigende Wanderer erobert Schritt für Schritt den Berg und setzt sich aus - der Natur und sich selbst. Jedoch, da hat es der moderne Mensch gut, nicht wie vor sehr langer Zeit mit Gewürzen, Getreide, Wein und sonstigen Gütern beladen, sondern bestens ausgerüstet und immer bereit, den Blick in die Ferne zu genießen. Allerdings ist die Möglichkeit zu scheitern stets Teil des Bezwingungsversuchs.

"Der Weg stößt frontal an einen senkrechten Fels. Davor ein Stück ebener Boden, auf dem zwei Menschen nebeneinander ausruhen können. Als wir ihn erreichen, rutscht meine Freundin zusammen, scheint kurz vorm Kollabieren. Sie versucht es zu verbergen, sieht starr auf ihre Füße, kreidebleich, Panik im Blick. Ich weiß, wie das ist. Man kann nicht vor, noch zurück. Die Tiefe zieht an den Schuhen, der haltlose Abgrund", heißt es in Antje Rávic Strubels eindringlicher Erzählung "Urnerboden". Die von Höhenangst Gequälte aber überwindet die Lähmung, die Panik weicht aus ihrem Gesicht, und gemeinsam mit ihrer Begleitung erklimmt sie einen Sattel, "dahinter eine Wüste aus Geröll, mittendrin ein See, eine Oase, in der sogar Blumen wachsen". Kaum ein Sieg, der sich schöner anfühlte, als die Angst, als den in Eigenregie handelnden Körper bezwungen zu haben. Wer sich dem Berg stellt, verändert sich. Das ist unausweichlich. Udo Friedrich zitiert Balthasar Graciáns Roman "El Criticón", in dem der junge Andrenio und der alten Critilo den "Hang des Mannesalters" hinaufsteigen, "der voll war von Unebenheiten, wo nicht von Gestrüpp; gegen einen Berg von Schwierigkeiten gingen sie an. Sie gingen so hoch empor, dass es ihnen schien, als seien sie Gebieter über alles, was die Welt enthält, und hoch darüber erhaben."

Die Stimmen, die in dieser feinen Ausgabe zu Wort kommen, sind den Bergen und Pässen nicht nur wohlgesinnt. Martin R. Dean etwa mag beides nicht. Berge verstellten die Sicht und erscheinen ihm als Versinnbildlichung von Mühsal und Plackerei. Was andere als Horizonterweiterung empfinden, empfindet Dean als Verengung. Das Gebirge als Zumutung. Der Anblick von Gipfeln erwärmt sein Herz nicht, er macht es eng. Der Enge, die bei Dean als Gefühl auftaucht, begegnet man bei Stan Lafleur ganz konkret, in der sagenumwobenen Viamala-Schlucht. "Der massive Schattenwurf steiler Bergwände, die übergründliche Asphaltierung, das jeglichen Blickwinkel dominierende Grau." Dieses Eingeschlossensein zwischen Felswänden muss man aushalten können, genauso wie ein Leben in einem Tal, in dem die Sonne sich selten blicken lässt.

Jeder Übergang beginnt am Fuß eines Berges. Während die bequemen Panoramawegliebhaber die Gondel nehmen, suchen die echten Bergübergänger die Herausforderung. Sie wissen, dass sich die Mühe lohnt. Proviant darf dabei natürlich nicht fehlen, auch literarischer nicht.

MELANIE MÜHL

"Bergübergänge". die horen - Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, Bd. 266. Zusammengestellt von Andreas Erb und Christof Hamann.

Wallstein Verlag, Göttingen 2017. 233 S., br., 14,- [Euro].

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»Meer oder Berge? Nach dieser Lektüre wirkt höher auf jeden Fall weiter.« (Janina Fleischer, Leipziger Volkszeitung, 14.07.2017) »eine höchst unterhaltsame Reise durch die europäischen Höhenzüge.« (Christoph Schröder, Süddeutsche Zeitung, 25.08.2017) eine »feine Ausgabe« (Melanie Mühl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.08.2017) »kaum können wir fehlgehen, wenn wir diese horen-Ausgabe als Füllhorn von zahlreichen und stets praktisch kurzen Häppchen Lektüre empfehlen« (Stefan Schmitzer, fixpoetry.com, 05.09.2017)