Während der Lektoratsarbeit zum Lob der Anarchie ¿ Erlesenes und Erfahrenes ¿ entstand ein Briefwechsel zwischen Autor und Herausgeber. Die ursprüngliche Idee, diesen Briefwechsel mit ins Lob der Anarchie aufzunehmen, mußte wegen des sich immer weiter ausdehnenden Umfangs aufgegeben werden. ¿ Der Briefwechsel begleitet die Entstehung des Buches vom 18. Januar 2003 bis 13. März 2004, insgesamt 71 Briefe und Kartengrüße. Uns begegnen Gustav Landauer, Wolfgang Harich, Erich Mühsam, George Bush, Hannah Arendt, Célin, Arthimedes aus Kos, Peter Maffay, Walter Jens, Lea Rosh, Caesar Nero, Peter Eisenman und etliche andere. Auszüge aus dem Briefwechsel: Lieber Harry, 18. Januar 2003 habe mich der (un)freiwilligen Fronarbeit des Sortierens unterworfen, habe u.a. auch das gefunden: Harry Pross. Der Staat gilt als Erzfeind. Hundert Jahre nach der Geburt eines deutschen Anarchisten und Anarchismus, Anarchismus, Anarchismus! Harichs ¿Kritik der revolutionären Ungeduld¿. ¿ Meine Idee: Wärst Du damit einverstanden, wenn wir diese und andere Texte als ein ¿Harry-Pross-Brevier¿ herausgeben?!? Lieber Bernd, 22. 1. 03 Deine Sortiererei muß Dir arg langweilig geworden sein, wenn Du auf so eine krude Idee kommst, ¿ein Brevier¿ daraus zu machen. Natürlich habe ich noch viel mehr Anarchistisches geschrieben, Einleitung zu Landauers Revolution, zu Mühsam, Kropotkin usw. ¿ aber finden Sie das einmal... Lieber Bernd, 1. 5. 03 viel hat die Nachlese bis jetzt nicht ergeben, fehlen noch Sacco und Vanzetti, denn die Bush-Gang ist mit ihrem Marsch in die ¿unipolare¿ Weltherrschaft offensichtlich übergeschnappt. [...] Titel? Gegen die freiwillig Knechtschaft (Boetie-Zitat!) Lieber Harry, 6. Mai 03 Dein Titelvorschlag: Gegen die freiwillige Knechtschaft ¿ einver-standen. ¿...das ist schon ein schreckliches Unglück, einem Herrn unterworfen zu sein...¿ Lieber Bernd, 8. 5. 03 ob der Bürger seinem Staat treu sein kann, ist mir immer noch fraglich, weil ich mit dem seligen Silone meine, daß die öffentliche Sicherheit sich besser öffentliche Gefahr nennen sollte. [...] Titel denke ich momentan (!) Lob der Anarchie, Motto: Kants Definition. Lieber Harry, 20. Mai 2003 Lob der Anarchie ¿ hört sich gut an" läßt an Erasmus denken: das Lob der Torheit. ¿ Lob der Anarchie, da werden aber einige durchdrehen, ¿herrschte¿ doch im Irak die ¿Anarchie¿... Lieber Harry, 18. September 2003 sitze in einer Zelle (nicht im Knast), sondern im Kloster Philotheou auf dem Heiligen Berg Athos, und lese einen Aufsatz NICHTS VOR DER ZEIT über die kabbalistische Lehre vom Zimzum (Schilderung der Selbstzusammenziehung Gottes vor der Erschaffung der Welt). Lieber Bernd, 16. 10. 03 Buchmesse. Tempi passati, mit dem alten Rohwolt und Stomps am Nachbarstand und beide besoffen von Erinnerungen an die 1920er in Berlin. Piper im hessischen Hof, und das karge Brot der Deutschen Rundschau... Lieber Harry, 18. Oktober 2003 heute werde ich eine wichtige Entscheidung treffen: ich werde die Frankfurter Rundschau, die wir abonniert haben, abbestellen. Das neue Layout ist so schauderhaft, dämlich überdimensionierte Fotos, verhuschte, verquaste Farbidiotie, bunter Mischmasch... Lieber Bernd, Sonntag 26. 10. 03 Dein Mißvergnügen am FR-Abo zeigt ¿Außen hui, innen pfui?¿ als Weltsymbol des Kapitalismus, überall mit bunten Farben gesprayt, ganz im Interesse der Plutokraten. Lieber Harry, 4. Dezember 2003 beiliegend die Traven-CD zum Verschenken. [...] Was hältst Du von Walter Jens ¿Vergeßlichkeit¿ ¿ NSDAP ?!? Lieber Bernd, 8. 12. 03 Du fragst nach Jens Vergeßlichkeit. Wir sind derselbe Jahrgang, 1923, und waren vorher Mitglieder der ¿Staatsjugend¿ per Gesetz. [...] Aber natürlich: die Partei, die Partei, die hat immer Recht, und sie kann nur dort Recht haben, wo die Kartei immer Recht hat. Lieber Harry, 13. März 2004 Du hast Recht, jetzt beenden wir diesen Briefwechsel" aber eigentlich sehr schade. Herzliche Grüße an Dich und Frau Marianne. Bernd
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Dieses in kleiner Auflage mit nummerierten Exemplaren erscheinende Buch enthält, so erfährt man von Rezensent Rudolf Walther, den Briefwechsel, den der Verleger Bernd Kramer während der Textauswahl und Produktion des Buches "Lob der Anarchie. Erfahrenes und Erlesenes" mit dessen Autor, dem im letzten Jahr achtzig Jahre altgewordenen Journalisten und ehemaligen Publizistikprofessors Harry Pross, geführt hat. Die Briefe von Pross, lobt Walther, würden einen ebenso launigen ("Bier aus Bayern... macht dick und schmeckt nach nichts") wie "nachdenklichen" Autor zeigen - womit wohl vor allem ein "selbstkritischer" Autor gemeint ist; vom Rezensenten, der dazu nämlich aus einem Brief von Pross zitiert: "Wer Anarchie lobt, rechnet mit vergleichsweise logischem Denken; aber das ist sein Irrtum, nicht der Irrtum der von der Gewalt zu Befreienden. Selbstgemachte Menschenbilder sind immer falsch, nicht nur die der Konsumindustrie und der Justiz."
© Perlentaucher Medien GmbH
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