Das Dorf in weiter Flur war winzig klein,der Flusslauf rauschte sanft... im Kreis der Bauernbewohnte ich mein sehr bescheidnes Heim,und mit mir lebten Einsamkeit und Trauer.Als "Adler mit gebrochenen Flügeln" wurde Ivan Franko, derzusammen mit Taras Schewtschenko und Lesja Ukrajinka zuden bedeutendsten Autoren der Ukraine gehört, von einembefreundeten Dichter charakterisiert.In seinem umfangreichen Werk, das neben literarischen Textenfast aller Genres auch zahlreiche wissenschaftliche und publizistischeArbeiten umfasst, kommt den Gedichten besondereBedeutung zu. Gewissermaßen die Essenz seiner Lyrik stellendie Sonette dar, die Franko von Jugend an geschrieben hat, wobeiihm das strenge Kompositionsschema des Petrarca-SonettsHerausforderung und Faszination zugleich bedeutet. Nichtzuletzt aufgrund des gesellschaftskritischen Anspruchs seinesDichtungskonzepts setzt er in der europäischen Sonettistikneue und eigene Akzente: Im Mittelpunkt steht bei ihm wenigerdas individuelle als vielmehr das kollektive Leid, die Anprangerungdessen, was Menschen einander anzutun imstande sind.Dennoch finden sich unter Frankos Sonetten auch sensibleNatur- und Liebesgedichte, die sich keiner Literaturepocheeindeutig zuordnen lassen. So tritt seine unverwechselbarelyrische Stimme umso hörbarer gerade in ihrer Vereinzelunghervor.Im vorliegenden Band werden rund 60 Sonette, die meisten vonihnen erstmals in deutscher Übersetzung, präsentiert.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Eine hervorragende Veröffentlichung ist diese Edition von Gedichten des ukrainischen Autors Ivan Franko laut Rezensent Ulrich M. Schmid. Die Dichtkunst Frankos bewegt sich Schmid zufolge in einem Spannungsfeld zwischen volkstümlicher Zugänglichkeit - er selbst stellte sein Werk stets in den Dienst des ukrainischen Nationalismus und dem Streben nach Unabhängigkeit von der Monarchie Österreich-Ungarns - und einer Orientierung an den internationalen Avantgarden der Zeit. Ganz besonders gelungen ist Christine Fischers Übersetzung der Texte, lobt Schmid, sowohl die innovativen sprachlichen Qualitäten der nur auf den ersten Blick an die Klischees des Fin de Siècle erinnernden Verse als auch die polemischen Spitzen Frankos kommen für ihn in dieser "übersetzerischen Meisterleistung" perfekt zur Geltung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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