Die Thriller-Entdeckung aus Skandinavien: packend, atmosphärisch, voller Sogkraft.
Wenn man am Tiefpunkt ist, gibt es nur einen Weg: Hoch, in den Norden
Thorkild Aske wird aus dem Gefängnis entlassen. Früher war er interner Ermittler bei der norwegischen Polizei und ein gefragter Verhörspezialist, doch dann lief etwas entsetzlich schief. Nun steht er vor dem Nichts. Von Schuldgefühlen und Schmerzen geplagt, lässt er sich von seinem Freund und Psychologen Ulf überreden, nach einem jungen Mann zu suchen: Rasmus Moritzen arbeitete auf einer verlassenen Leuchtturmwärterinsel im nordnorwegischen Meer. Er ist spurlos verschwunden. Ein Tauchunfall, vermutet die örtliche Polizei, für sie ist der Fall erledigt. Doch damit wollen sich Rasmus' Eltern nicht zufrieden geben.
Thorkild macht sich auf in den Norden, wo die Polarnacht anbricht. Bald schon bemerkt er, dass er nicht allein auf der kargen Felseninsel ist. Und als die Herbststürme wüten, wird tatsächlich eine Leiche angeschwemmt. Thorkilds alter Spürsinn erwacht: Denn es handelt sich nicht um Rasmus.
Wenn man am Tiefpunkt ist, gibt es nur einen Weg: Hoch, in den Norden
Thorkild Aske wird aus dem Gefängnis entlassen. Früher war er interner Ermittler bei der norwegischen Polizei und ein gefragter Verhörspezialist, doch dann lief etwas entsetzlich schief. Nun steht er vor dem Nichts. Von Schuldgefühlen und Schmerzen geplagt, lässt er sich von seinem Freund und Psychologen Ulf überreden, nach einem jungen Mann zu suchen: Rasmus Moritzen arbeitete auf einer verlassenen Leuchtturmwärterinsel im nordnorwegischen Meer. Er ist spurlos verschwunden. Ein Tauchunfall, vermutet die örtliche Polizei, für sie ist der Fall erledigt. Doch damit wollen sich Rasmus' Eltern nicht zufrieden geben.
Thorkild macht sich auf in den Norden, wo die Polarnacht anbricht. Bald schon bemerkt er, dass er nicht allein auf der kargen Felseninsel ist. Und als die Herbststürme wüten, wird tatsächlich eine Leiche angeschwemmt. Thorkilds alter Spürsinn erwacht: Denn es handelt sich nicht um Rasmus.
buecher-magazin.deEs gibt wohl kaum jemanden, der weniger zu verlieren hat als ein von Schmerzmittel abhängiger Ex-Verhörspezialist, der gerade aus dem Knast entlassen wurde und nicht einmal einen Selbstmord richtig hinbekommt. Thorkild Aske hat auch gar kein Interesse, irgendetwas hinzubekommen, es reicht ihm, mit vernebeltem Bewusstsein seiner verstorbenen Liebe hinterher zu trauern. Selbst die Frau vom Arbeitsamt hat keine Idee, was er mit seinem verkorksten Leben anfangen könnte. Doch wozu hat man Freunde?! Sein Therapeut Ulf beschließt, dass es unter diesen Umständen genau das Richtige für ihn sei, auf einer einsamen Leuchtturminsel hoch im Norden Norwegens für dessen Eltern herauszufinden, was aus dem jungen Mann Rasmus wurde, der seit einigen Tagen verschollen ist. Eine Leiche taucht tatsächlich bei Schnee- und Graupelschauern aus den eisigen Fluten auf. Doch es ist nicht Rasmus. Hilfe bekommt Bakkeids kaputter Held von seiner übergewichtigen, traurigen Schwester. Dazu die beklemmend nasskalte Winterlandschaft Nordnorwegens: Atmosphärisch bewegt sich der Autor ganz weit vorne, wenn es um Grusel geht. Und warum ist Askes Ex eigentlich tot?!
© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2017Es gibt Mörder, die Tote wie Trophäen sammeln
Je kaputter der Ermittler, desto kälter der Norden: Heine Bakkeid geht nach Leichen tauchen in Norwegen
Sein täglicher Medikamentencocktail ist furchteinflößend. Schmerzmittel zählen dazu, Antipsychotika, Neuroleptika, Antidepressiva. Aber ohne sie wäre er gar nicht einsatzfähig. Er ist nämlich ein ziemlich aussichtsloser Fall, dieser Thorkild Aske. Einst ein Verhörspezialist der norwegischen Polizei, Abteilung Innere Ermittlung, jetzt nach mehr als drei Jahren in Haft und in der Psychiatrie entlassen trotz einer eklatanten Selbstmordgefährdung. Nach einem von ihm unter Drogeneinfluss verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine junge Frau namens Frei zu Tode kam, ist seine Beamtenlaufbahn für immer beendet. Und Frei, der er verfallen war, lässt ihn nicht mehr los. Zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft bietet man ihm einen Job in einem Callcenter an. Seine Frau hat ihn verlassen und hat sich mit seinem früheren Vorgesetzten verpartnert. Geld hat er auch keines.
Alles keine guten Nachrichten. Aber dann vermittelt ihm sein Psychiater einen seltsamen Auftrag: Er soll im Norden des Landes, auf einer winzigen Insel, nach dem Verbleib von Rasmus Moritzen fahnden, Sohn wohlhabender Eltern, der einen Leuchtturm zu einem Erlebnishotel umrüsten wollte. Als er verschwand, hakte die örtliche Polizei den Fall schnell als Tauchunfall ab. Aske hat etwas wiedergutzumachen, was nicht wiedergutzumachen ist, und nimmt deshalb den Auftrag an.
Damit betritt ein Ermittler die Bühne, der zu den kaputtesten Typen zählen dürfte, die derzeit im Handel sind. Er führt Selbstgespräche, sieht Gespenster und deliriert in der Totenwelt. Wenn auch seine Sozialprognose wenig Anlass zur Hoffnung gibt - aber seinen Riecher hat er nicht verloren. In Nordnorwegen trifft er seine Schwester Liz, die es nicht schafft, sich von ihrem prügelnden Gatten zu lösen. Er findet Unterschlupf bei dem Muschelfarmer Harvey und seiner Frau Merethe, einer Therapeutin im Altenheim, die nicht nur Senioren-Yoga kann, sondern auch als Medium fungiert.
Das Ganze spielt während acht Tagen im Herbst, das Wetter ist lausig, die Kälte groß, der Wind heftig. Die Besichtigung des Leuchtturmhotels wirft zunächst wenig ab, bis eine Leiche angeschwemmt wird, die Thorkild Aske birgt. Es ist nicht der vermisste Rasmus, sondern eine Frau, der ein Unterarm und das Gesicht fehlt. Ihrem Zustand zufolge muss sie schon länger als ein paar Tage im Meer getrieben haben. Während der private Ermittler die Polizei verständigt, zieht ein Taucher nächtens die Leiche zurück ins Meer. Die angeforderten Polizisten kommen nie an.
Spätestens jetzt ist klar, dass auch das Leben Askes in Gefahr ist. Spätestens jetzt ist aber auch klar, wer der Täter ist - nur nicht, warum er mordet. Im Grunde handelt der Roman von der Frage, die erst im letzten der neunundsechzig Kapitel gestellt wird: "Wie können manche Menschen ein zweites, vollkommen verschiedenes Leben führen, parallel zu dem, das sie mit anderen teilen?"
Heine Bakkeid, Jahrgang 1974, ist ein norwegischer Jugendbuchautor, der bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. ". . . und morgen werde ich dich vermissen" ist sein erster Abstecher ins Thriller-Fach. Der Roman ist in Norwegen gut angekommen, deshalb wird daraus sogleich eine Reihe werden. Schreiben kann Bakkeid jedenfalls, wie die leichthändig ausgeführte Szene belegt, in welcher ein Pathologe vor den Augen seiner Studenten die dann doch noch aufgetauchte Leiche Rasmus Moritzens obduziert. Wie ein filigranes Skalpell-Ballett wirkt das in der präzisen Abfolge der Handgriffe.
Schon die Entscheidung, die Geschichte aus Sicht des Protagonisten zu erzählen, ist mutig. Ich-Erzähler müssen schnell ein Identifikationsangebot machen, das den Leser entweder durch Plausibilität oder durch Spannung bei Laune hält. Da dem Leser im Regelfall die medikamentöse Vernebelung des Erzählers fehlen dürfte, bemüht sich Bakkeid, die chemischen Prozesse, welche die vielen Pillen im Körper auslösen, möglichst nachvollziehbar zu schildern. Das gelingt ihm, freilich schwächt er seine Beschreibungskunst durch den zwanghaften, an eine Kampfmaschine erinnernden Durchhaltewillen des Helden. Der überbäckt die Erzählung mit Action wie ein Schmelzkäse den Toast.
Dazu zählt etwa der ausgelutschte Topos vom Frischoperierten, der sich selbst entlässt und blutverschmiert mit nacktem Hintern durchs Krankenhaus rennt, weil er da draußen noch eine Rechnung offen hat. Dazu zählt auch das auf Filmeffekt getrimmte Finale, das mit den Stichworten "Schiffswrack", "Harpune", "Zweikampf" ausreichend skizziert ist. Dennoch: ein Debüt, das sich sehen lassen kann.
HANNES HINTERMEIER
Heine Bakkeid: ". . .und morgen werde ich dich vermissen."
Thriller.
Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 417 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Je kaputter der Ermittler, desto kälter der Norden: Heine Bakkeid geht nach Leichen tauchen in Norwegen
Sein täglicher Medikamentencocktail ist furchteinflößend. Schmerzmittel zählen dazu, Antipsychotika, Neuroleptika, Antidepressiva. Aber ohne sie wäre er gar nicht einsatzfähig. Er ist nämlich ein ziemlich aussichtsloser Fall, dieser Thorkild Aske. Einst ein Verhörspezialist der norwegischen Polizei, Abteilung Innere Ermittlung, jetzt nach mehr als drei Jahren in Haft und in der Psychiatrie entlassen trotz einer eklatanten Selbstmordgefährdung. Nach einem von ihm unter Drogeneinfluss verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine junge Frau namens Frei zu Tode kam, ist seine Beamtenlaufbahn für immer beendet. Und Frei, der er verfallen war, lässt ihn nicht mehr los. Zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft bietet man ihm einen Job in einem Callcenter an. Seine Frau hat ihn verlassen und hat sich mit seinem früheren Vorgesetzten verpartnert. Geld hat er auch keines.
Alles keine guten Nachrichten. Aber dann vermittelt ihm sein Psychiater einen seltsamen Auftrag: Er soll im Norden des Landes, auf einer winzigen Insel, nach dem Verbleib von Rasmus Moritzen fahnden, Sohn wohlhabender Eltern, der einen Leuchtturm zu einem Erlebnishotel umrüsten wollte. Als er verschwand, hakte die örtliche Polizei den Fall schnell als Tauchunfall ab. Aske hat etwas wiedergutzumachen, was nicht wiedergutzumachen ist, und nimmt deshalb den Auftrag an.
Damit betritt ein Ermittler die Bühne, der zu den kaputtesten Typen zählen dürfte, die derzeit im Handel sind. Er führt Selbstgespräche, sieht Gespenster und deliriert in der Totenwelt. Wenn auch seine Sozialprognose wenig Anlass zur Hoffnung gibt - aber seinen Riecher hat er nicht verloren. In Nordnorwegen trifft er seine Schwester Liz, die es nicht schafft, sich von ihrem prügelnden Gatten zu lösen. Er findet Unterschlupf bei dem Muschelfarmer Harvey und seiner Frau Merethe, einer Therapeutin im Altenheim, die nicht nur Senioren-Yoga kann, sondern auch als Medium fungiert.
Das Ganze spielt während acht Tagen im Herbst, das Wetter ist lausig, die Kälte groß, der Wind heftig. Die Besichtigung des Leuchtturmhotels wirft zunächst wenig ab, bis eine Leiche angeschwemmt wird, die Thorkild Aske birgt. Es ist nicht der vermisste Rasmus, sondern eine Frau, der ein Unterarm und das Gesicht fehlt. Ihrem Zustand zufolge muss sie schon länger als ein paar Tage im Meer getrieben haben. Während der private Ermittler die Polizei verständigt, zieht ein Taucher nächtens die Leiche zurück ins Meer. Die angeforderten Polizisten kommen nie an.
Spätestens jetzt ist klar, dass auch das Leben Askes in Gefahr ist. Spätestens jetzt ist aber auch klar, wer der Täter ist - nur nicht, warum er mordet. Im Grunde handelt der Roman von der Frage, die erst im letzten der neunundsechzig Kapitel gestellt wird: "Wie können manche Menschen ein zweites, vollkommen verschiedenes Leben führen, parallel zu dem, das sie mit anderen teilen?"
Heine Bakkeid, Jahrgang 1974, ist ein norwegischer Jugendbuchautor, der bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. ". . . und morgen werde ich dich vermissen" ist sein erster Abstecher ins Thriller-Fach. Der Roman ist in Norwegen gut angekommen, deshalb wird daraus sogleich eine Reihe werden. Schreiben kann Bakkeid jedenfalls, wie die leichthändig ausgeführte Szene belegt, in welcher ein Pathologe vor den Augen seiner Studenten die dann doch noch aufgetauchte Leiche Rasmus Moritzens obduziert. Wie ein filigranes Skalpell-Ballett wirkt das in der präzisen Abfolge der Handgriffe.
Schon die Entscheidung, die Geschichte aus Sicht des Protagonisten zu erzählen, ist mutig. Ich-Erzähler müssen schnell ein Identifikationsangebot machen, das den Leser entweder durch Plausibilität oder durch Spannung bei Laune hält. Da dem Leser im Regelfall die medikamentöse Vernebelung des Erzählers fehlen dürfte, bemüht sich Bakkeid, die chemischen Prozesse, welche die vielen Pillen im Körper auslösen, möglichst nachvollziehbar zu schildern. Das gelingt ihm, freilich schwächt er seine Beschreibungskunst durch den zwanghaften, an eine Kampfmaschine erinnernden Durchhaltewillen des Helden. Der überbäckt die Erzählung mit Action wie ein Schmelzkäse den Toast.
Dazu zählt etwa der ausgelutschte Topos vom Frischoperierten, der sich selbst entlässt und blutverschmiert mit nacktem Hintern durchs Krankenhaus rennt, weil er da draußen noch eine Rechnung offen hat. Dazu zählt auch das auf Filmeffekt getrimmte Finale, das mit den Stichworten "Schiffswrack", "Harpune", "Zweikampf" ausreichend skizziert ist. Dennoch: ein Debüt, das sich sehen lassen kann.
HANNES HINTERMEIER
Heine Bakkeid: ". . .und morgen werde ich dich vermissen."
Thriller.
Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 417 S., br., 14,99 [Euro].
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Fesselnd von der ersten Zeile an. Und dank der großartigen, abwechslungsreichen und bisweilen spielerischen Prosa spannend bis zum Schluss. Harstad Tidende