Albert Schaefer-Ast war in ganz Deutschland für seine humorvollen Zeichnungen, Illustrationen und aquarellierten Naturstudien bekannt. Die Nazis belegten ihn mit Berufsverbot. Der Maler zog sich nach Prerow auf dem Darß zurück und durchlebte gefährliche und von Hungertod und Typhus bedrohte Zeiten. Seiner jüdischen Frau und ihrer Tochter Susanne gelang unabhängig voneinander die Flucht nach Großbritannien. Über Jahre schrieben sie sich, erst 1951 kam es zu einem Wiedersehen der drei in Berlin; kurz darauf starb Schaefer-Ast. Seine hier erstmals veröffentlichten Briefe an Frau und Tochter sind liebevolle private und berührende zeitgeschichtliche Zeugnisse eines Künstlers in schwierigsten Verhältnissen. Sie werden begleitet von Zeichnungen, deren schwungvoll-karger Strich die unverwechselbare Handschrift des Künstlers und seine den Widrigkeiten trotzende heitere Phantasie offenbaren.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Bernd Eilert empfiehlt den von John Buck herausgegebenen Band mit Briefen und Burlesken des Zeichners Albert Schäfer-Ast aus den Jahren 1946-1951. Der Leser erhält laut Eilert Gelegenheit, einen Zeitgenossen und Kollegen von Hanna Höch, Walter Trier und George Grosz kennenzulernen, der nahezu vergessen ist. Die Zeitgenossenschaft Schäfer-Asts wird für Eilert in den Briefen an Zuckmayer ebenso deutlich wie in den im Band enthaltenen Limericks, Kalauern und Tierzeichnungen, in denen Weltschemerz und "leise Gesellschaftskritik" mitschwingt. Zu erahnen ist für Eilert ferner, inwieweit sich Schäfer-Ast von Trier, Grosz u. a. unterscheidet. Seine Grotesken bleiben für Eilert eben bloß "drollig".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2022Erst das nackte Leben, dann die Kunst
Verfolgt von allen Ideologien, die er in seinem kurzen Künstlerleben erdulden musste: Mehr als siebzig Jahre nach seinem Tod sind nun Briefe und Burlesken des Humorzeichners Albert Schäfer-Ast in einem Buch versammelt.
Wer durch die Ungnade der Geburt dazu verdammt war, die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland zu leben, ist nicht zu beneiden. Wer dabei halbwegs anständig geblieben ist, verdient Respekt.
Der Zeichner Albert Schäfer-Ast ist ein Vertreter dieser leidgeprüften Generation. Insofern ist der Titel seiner "Briefe und Burlesken" symptomatisch: ". . . und wundere mich, dass ich noch lebe". 61 Jahre alt ist er geworden und hat nur ein gutes Jahrzehnt erlebt. Noch sein Nachlass ist spät und auf Umwegen zu den rechtmäßigen Erben gelangt. Erst 2008 konnte sein Schwiegersohn John Buck "Letters from East Germany 1946-1951" herausgeben, die zum siebzigsten Todestag Schäfer-Asts jetzt in der Originalsprache vorliegen.
Um sie einschätzen zu können, ist die Kenntnis der Lebensgeschichte dieses fast in Vergessenheit geratenen Künstlers unabdingbar. Ein Vorwort des Herausgebers und ein Nachwort des Karikaturisten Harald Kretzschmar bemühen sich um einige Fakten.
Albert Schäfer, Jahrgang 1890, Vater Oberlehrer, Mutter Pfarrerstochter, acht Geschwister - ungünstige Voraussetzungen für eine Kunst, die in diesen Kreisen gern als "brotlose" vorverurteilt wurde. Seine Karriere nahm gerade Fahrt auf, als er freiwillig in den Ersten Weltkrieg zog. Da verlor er außer seinen Illusionen ein Auge. Offensichtlich hinderte ihn die Kriegsverletzung nicht daran, weiterzumachen, wo er aufgehört hatte.
Zwischen 1921 und 1933 erschienen Schäfers Zeichnungen, die er bald nur noch mit "Ast" signierte, in den angesehensten Periodika dieser Zeit: Berliner Illustrirte, Der Uhu, Simplicissimus . . . Im Rahmen des wöchentlich erscheinenden Magazins Die Dame befand er sich in bester Gesellschaft: Redakteurin war Vicki Baum, Autoren von Brecht bis Zuckmayer, illustriert von George Grosz oder Hannah Höch, Titelblätter von Tamara Lempicka und Walter Trier.
Einige dieser Namen tauchen in den Briefen Schäfers auf, 1934 bedankt er sich bei Carl Zuckmayer für ein Gedicht, an dem ihm "die Stimmung, das philosophisch Besoffene, die Resignation und die weltschmerzliche Zufriedenheit" besonders gut gefallen. Die Briefe, die jetzt erstmals veröffentlicht werden, stammen aus den Jahren 1946 bis 1950. Aus der weltschmerzlichen Zufriedenheit keine Verzweiflung werden zu lassen ist ihr Tenor. Anrührend ist Schäfers Bemühen, seine Lebensumstände Frau und Tochter gegenüber zu beschönigen und Optimismus zu verbreiten. "Der unentwegte Optimismus der Natur steckt an", behauptet er. Wenn es um die Kunst geht, dann meist, um die zu überleben: "Denn zuerst gibt es das nackte Leben, dann kommt erst die Kunst." Schon 1948 werden die schaurigen Jahre zu Anekdoten: "Ich stecke überhaupt voller drolliger Geschichten."
Die machen ungefähr die Hälfte des kleinformatigen Buchs aus. Illustrierte Limericks, fabelhafte Tierzeichnungen, schüchterne Kalauer, leise Gesellschaftskritik - vor allem das Allzumenschliche lässt diese Blätter gleichermaßen zeit- wie harmlos erscheinen. "So was Simples", ". . . und was es sonst noch alles gibt", "Listig und lustig" lauten Zwischentitel, die typisch sind für diese Art von Humor, die Trost und Heilung verspricht und vor möglicher Verletzungsgefahr schon im Ansatz zurückschreckt - eine Haltung, die heute eigentlich neue Freunde finden müsste.
Auf einen Personalstil lässt sich Schäfer-Ast kaum festlegen. Der Praktiker sagt selbst: ". . . ob modern oder zurück zur Natur. Da ich beides kann, ist es mir ganz gleichgültig." Im Vergleich zu George Grosz fehlt es ihm an Schärfe, Walter Triers Vorliebe fürs Plakative teilt er nicht, anders als e.o.plauen entwickelt er kein Markenzeichen. Selbst seine Grotesken bleiben eben drollig. Seine besten Zeichnungen weisen mit ihren weichen Schwüngen und lockeren Schraffuren schon in die Fünfzigerjahre, als französische Zeichner wie der famose Sempé, aber auch weniger witzige wie Peynet und Effel mit dieser kinderleichten Strichführung und ähnlichen Motiven erfolgreich werden.
1933 galt dieser Stil als entartet. Bei Schäfer kam dazu eine jüdische Ehefrau, das reichte für den Ausschluss aus der Reichskulturkammer, erst nach der Trennung von Frau und Tochter, die nach England emigrieren konnten, wurde das Veröffentlichungsverbot aufgehoben. Mit belanglosen Brotarbeiten schlug sich Schäfer durch, bis 1944 in der Volksgerichtsverhandlung gegen seine Freunde Erich Ohser (alias e.o.plauen) und Erich Knauf sein Name fiel. Ohser entzog sich dem Prozess durch Selbstmord, Knauf wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einem ähnlichen Schicksal entging Schäfer wohl nur, weil er im Dorf Prerow auf der Halbinsel Darß untertauchen konnte.
Unmittelbar nach dem Krieg beruft den Halbverhungerten sein alter Freund Hermann Henselmann als Professor für Buchkunst und Pressegrafik an die reorganisierte Bauhaus-Hochschule nach Weimar. Wie rasch der Hoffnungsschimmer verblasst, steht weder in Schäfers alten Briefen noch in dem neuen Buch. Auch den Tonangebern der DDR ist Schäfer-Ast nicht geheuer: ein "Individualist" - was sonst? - oder in der Diktion seiner neuen Feinde ein "Egoist" und "Quertreiber", kein Parteimitglied und deswegen ein Gegner der SED.
Am 13. September 1951 beklagt er sich bei Erich Kästner über Weimar: Nach dem Weggang seines Gönners sei "der Dornröschenschlaf der alten Residenz darüber hingefallen und wartet auf den nächsten Prinzen, wenn's noch einen gibt!". Zwei Tage später stirbt Albert Schäfer-Ast - man möchte sagen: eben rechtzeitig, um nicht auch noch die Konsequenz aus der sozialistischen Definition von Realismus erfahren zu müssen.
Dass ausgerechnet ein so gut wie unpolitischer komischer Zeichner wie Albert Schäfer-Ast so gegensätzlichen Systemen nicht passte, lässt nur einen Schluss zu. Egal, ob sie sich explizit gegen sie richtet oder nicht: Komik ist jeder Ideologie suspekt - und umgekehrt. BERND EILERT
John Buck (Hrsg.): ". . . und wundere mich, dass ich noch lebe". Briefe und Burlesken von Albert Schäfer-Ast.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2021. 240 S., Abb., br., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verfolgt von allen Ideologien, die er in seinem kurzen Künstlerleben erdulden musste: Mehr als siebzig Jahre nach seinem Tod sind nun Briefe und Burlesken des Humorzeichners Albert Schäfer-Ast in einem Buch versammelt.
Wer durch die Ungnade der Geburt dazu verdammt war, die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland zu leben, ist nicht zu beneiden. Wer dabei halbwegs anständig geblieben ist, verdient Respekt.
Der Zeichner Albert Schäfer-Ast ist ein Vertreter dieser leidgeprüften Generation. Insofern ist der Titel seiner "Briefe und Burlesken" symptomatisch: ". . . und wundere mich, dass ich noch lebe". 61 Jahre alt ist er geworden und hat nur ein gutes Jahrzehnt erlebt. Noch sein Nachlass ist spät und auf Umwegen zu den rechtmäßigen Erben gelangt. Erst 2008 konnte sein Schwiegersohn John Buck "Letters from East Germany 1946-1951" herausgeben, die zum siebzigsten Todestag Schäfer-Asts jetzt in der Originalsprache vorliegen.
Um sie einschätzen zu können, ist die Kenntnis der Lebensgeschichte dieses fast in Vergessenheit geratenen Künstlers unabdingbar. Ein Vorwort des Herausgebers und ein Nachwort des Karikaturisten Harald Kretzschmar bemühen sich um einige Fakten.
Albert Schäfer, Jahrgang 1890, Vater Oberlehrer, Mutter Pfarrerstochter, acht Geschwister - ungünstige Voraussetzungen für eine Kunst, die in diesen Kreisen gern als "brotlose" vorverurteilt wurde. Seine Karriere nahm gerade Fahrt auf, als er freiwillig in den Ersten Weltkrieg zog. Da verlor er außer seinen Illusionen ein Auge. Offensichtlich hinderte ihn die Kriegsverletzung nicht daran, weiterzumachen, wo er aufgehört hatte.
Zwischen 1921 und 1933 erschienen Schäfers Zeichnungen, die er bald nur noch mit "Ast" signierte, in den angesehensten Periodika dieser Zeit: Berliner Illustrirte, Der Uhu, Simplicissimus . . . Im Rahmen des wöchentlich erscheinenden Magazins Die Dame befand er sich in bester Gesellschaft: Redakteurin war Vicki Baum, Autoren von Brecht bis Zuckmayer, illustriert von George Grosz oder Hannah Höch, Titelblätter von Tamara Lempicka und Walter Trier.
Einige dieser Namen tauchen in den Briefen Schäfers auf, 1934 bedankt er sich bei Carl Zuckmayer für ein Gedicht, an dem ihm "die Stimmung, das philosophisch Besoffene, die Resignation und die weltschmerzliche Zufriedenheit" besonders gut gefallen. Die Briefe, die jetzt erstmals veröffentlicht werden, stammen aus den Jahren 1946 bis 1950. Aus der weltschmerzlichen Zufriedenheit keine Verzweiflung werden zu lassen ist ihr Tenor. Anrührend ist Schäfers Bemühen, seine Lebensumstände Frau und Tochter gegenüber zu beschönigen und Optimismus zu verbreiten. "Der unentwegte Optimismus der Natur steckt an", behauptet er. Wenn es um die Kunst geht, dann meist, um die zu überleben: "Denn zuerst gibt es das nackte Leben, dann kommt erst die Kunst." Schon 1948 werden die schaurigen Jahre zu Anekdoten: "Ich stecke überhaupt voller drolliger Geschichten."
Die machen ungefähr die Hälfte des kleinformatigen Buchs aus. Illustrierte Limericks, fabelhafte Tierzeichnungen, schüchterne Kalauer, leise Gesellschaftskritik - vor allem das Allzumenschliche lässt diese Blätter gleichermaßen zeit- wie harmlos erscheinen. "So was Simples", ". . . und was es sonst noch alles gibt", "Listig und lustig" lauten Zwischentitel, die typisch sind für diese Art von Humor, die Trost und Heilung verspricht und vor möglicher Verletzungsgefahr schon im Ansatz zurückschreckt - eine Haltung, die heute eigentlich neue Freunde finden müsste.
Auf einen Personalstil lässt sich Schäfer-Ast kaum festlegen. Der Praktiker sagt selbst: ". . . ob modern oder zurück zur Natur. Da ich beides kann, ist es mir ganz gleichgültig." Im Vergleich zu George Grosz fehlt es ihm an Schärfe, Walter Triers Vorliebe fürs Plakative teilt er nicht, anders als e.o.plauen entwickelt er kein Markenzeichen. Selbst seine Grotesken bleiben eben drollig. Seine besten Zeichnungen weisen mit ihren weichen Schwüngen und lockeren Schraffuren schon in die Fünfzigerjahre, als französische Zeichner wie der famose Sempé, aber auch weniger witzige wie Peynet und Effel mit dieser kinderleichten Strichführung und ähnlichen Motiven erfolgreich werden.
1933 galt dieser Stil als entartet. Bei Schäfer kam dazu eine jüdische Ehefrau, das reichte für den Ausschluss aus der Reichskulturkammer, erst nach der Trennung von Frau und Tochter, die nach England emigrieren konnten, wurde das Veröffentlichungsverbot aufgehoben. Mit belanglosen Brotarbeiten schlug sich Schäfer durch, bis 1944 in der Volksgerichtsverhandlung gegen seine Freunde Erich Ohser (alias e.o.plauen) und Erich Knauf sein Name fiel. Ohser entzog sich dem Prozess durch Selbstmord, Knauf wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einem ähnlichen Schicksal entging Schäfer wohl nur, weil er im Dorf Prerow auf der Halbinsel Darß untertauchen konnte.
Unmittelbar nach dem Krieg beruft den Halbverhungerten sein alter Freund Hermann Henselmann als Professor für Buchkunst und Pressegrafik an die reorganisierte Bauhaus-Hochschule nach Weimar. Wie rasch der Hoffnungsschimmer verblasst, steht weder in Schäfers alten Briefen noch in dem neuen Buch. Auch den Tonangebern der DDR ist Schäfer-Ast nicht geheuer: ein "Individualist" - was sonst? - oder in der Diktion seiner neuen Feinde ein "Egoist" und "Quertreiber", kein Parteimitglied und deswegen ein Gegner der SED.
Am 13. September 1951 beklagt er sich bei Erich Kästner über Weimar: Nach dem Weggang seines Gönners sei "der Dornröschenschlaf der alten Residenz darüber hingefallen und wartet auf den nächsten Prinzen, wenn's noch einen gibt!". Zwei Tage später stirbt Albert Schäfer-Ast - man möchte sagen: eben rechtzeitig, um nicht auch noch die Konsequenz aus der sozialistischen Definition von Realismus erfahren zu müssen.
Dass ausgerechnet ein so gut wie unpolitischer komischer Zeichner wie Albert Schäfer-Ast so gegensätzlichen Systemen nicht passte, lässt nur einen Schluss zu. Egal, ob sie sich explizit gegen sie richtet oder nicht: Komik ist jeder Ideologie suspekt - und umgekehrt. BERND EILERT
John Buck (Hrsg.): ". . . und wundere mich, dass ich noch lebe". Briefe und Burlesken von Albert Schäfer-Ast.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2021. 240 S., Abb., br., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main