Durch 'Sehnsucht nach dem Unendlichen' übersetzte Friedrich Schlegel das altgriechische "philosophia", etwas frei, aber sprechend: Das Unendliche ist Ziel nur unseres Sehnens, erreicht und besessen wird es nie. Ja, genau genommen darf es nur als eine Idee im kantischen Sinne gelten, deren reale Verfolgung, wie Novalis sagt,'in die Räume des Unsinns führen' würde. So tritt der Gedanke der unendlichen Annäherung an die Stelle eines evidenzgesicherten Prinzips, von dem die Philosophie entweder ihren Ausgang glaubte nehmen zu können (wie das Reinhold und wenigstens eine Weile auch Fichte annahmen) oder den sie doch als den Zielpunkt des ganzen Unternehmens getrost vorwegnehmen durfte (wie das Hegel unterstellte). Auf die Weise bildet die philosophierende Frühromantik - vor allem in Gestalt ihrer Hauptvertreter Novalis und Friedrich Schlegel (ähnlich aber auch bei Hölderlin und seinen Freunden) - ein merkwürdiges Hybrid zwischen orthodoxem Kantianismus, dessen Ideen-Lehre stark ausgelegt wird, und spekulativem Idealismus, dessen grundsatzphilosophische Züge skeptisch überwunden werden, noch bevor sie in Schellings und Hegels Systementwürfen zum freien Flug ansetzen. Diese Anlage hat dafür gesorgt, daß von den großen Projekten dieser Zeit - den wenigen, während deren Gedanken in deutscher Sprache europäischen Einfluß erlangten - eigentlich nur die der Frührornantik von einer skeptischen, aber auch perfektibilistisch eingestellten Moderne haben übernommen werden können. Während um Schelling und Hegel eine antiquarische Philologie sich bemüht, die aus der Asche kein Feuer mehr blasen kann, scheinen die Gedanken der Frühromantik brandaktuell geblieben. Freilich sind sie - umgekehrt proportional zu ihrem Ruhm - allererst zu entdecken. Neuere Forschungen haben zeigen können, wie wichtig für ihr Aufkommen zumal der Verfallsprozeß der Reinholdschen Grundsatzphilosophie gewesen ist. Von ihm hatten Novalis - als Reinhold-Schüler direkt oder durch seinen ehemaligen Hauslehrer Carl Christian Erhard Schmid oder seine Freunde Johann Benjamin Erhard, Franz Paul von Herbert, Friedrich Carl Forberg oder Friedrich Immanuel Niethamrner - und Friedrich Schlegel indirekt Kunde durch den antigrundsatz-philosophischen Jenaer Gesprächskontext, in den er im Winter 1796/97 geriet. Ihn rekonstruiert Franks Vorlesungsreihe ausführlich (bis hin zum Jahre 1797), zeigt, welchen Einfluß er aufs frühromantische Denken hatte, aber auch, wie originell ihn Novalis und Friedrich Schlegel zu einer eigenen Philosophie umgestalteten, die durchaus als eine skeptische Alternative zum Fichteschen Absolutismus auf unsere Sympathie hoffen darf.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1998Es muß etwas sein um das Sein
Jena vor ihm im lieblichen Tale: Was immer schon verloren ist, will Manfred Frank nicht fahrenlassen
Dem umfangreichen Schaffen von Manfred Frank liegt der einfache Gedanke zugrunde, den Dieter Henrich vor dreißig Jahren als Fichtes ursprüngliche Einsicht herausstellte. In der Reflexionstheorie von Selbstbewußtsein stecke ein Zirkel. Wenn das Bewußtsein sich selbst zum Objekt mache, müsse es bereits über ein präreflexives Wissen davon verfügen, daß es in diesem Objekt mit sich zu tun hat. Wenn Selbstbewußtsein sich aber immer schon vorausgesetzt haben muß, werde man auf die Annahme eines unvordenklichen Grundes im Bewußtsein zurückgeführt.
Auch mit der Rekonstruktion des Gesprächszusammenhanges, in dem Fichtes Einsicht steht, folgt Frank Henrich. Das neueste, fast tausendseitige Werk über die Anfänge der philosophischen Frühromantik bezweckt nur eine kleine Korrektur. Während für Henrich Hölderlins Fragment "Urteil und Sein" das zentrale Ereignis ist, sieht Frank die Entwicklung auf die "Fichte-Studien" von Novalis und Friedrich Schlegels Gedanken des Wechselerweises zulaufen. Er habe Henrich auch geschrieben, "daß Novalis viel expliziter, analytischer und argumentativ gewandter sich zeige als Hölderlin". Henrich habe dem nur Hölderlins Erstgeborenenrecht entgegensetzen können, um später öffentlich seinen Schülern vorzuwerfen, daß sie nicht wirklich in das Innere der explosiven Verwandlung des Denkens eingedrungen seien. "Wir müssen also alle unsere Hausaufgaben noch einmal und besser machen."
Einiges wird gesagt über den radikalen Skeptizismus Schulzes, über Maimons Kritik am Ding-an-sich, über Jacobis Glaubensphilosophie. Aber den eigentlichen Anfang macht für Frank das Philosophieren aus einem Grundsatz, mit dem Reinhold die Kantische Lehre systematisieren wollte: "Die Vorstellung wird im Bewußtsein vom Vorgestellten und Vorstellenden unterschieden und auf beide bezogen." Aber wer unterscheidet? Doch ein Subjekt. Das wiederum nicht Gegenstand einer Vorstellung sein kann, weil diese es voraussetzt. Es kann also nur als Idee gefaßt werden, als hypothetisch Angenommenes. Damit ist, wie Reinhold selbst bald einsieht, das Projekt, die Geltung unserer Überzeugungen aus einem unumstößlich gewissen Prinzip abzuleiten, gescheitert.
Ausführlich zeichnet Frank die Debatten im Umkreis von Reinholds Jenenser Hörern nach. Vergessene Gestalten gehören dazu. Ihr Format dürfte geringer sein, als der jeweilige Editor es reklamiert. Dennoch mag in den Wiederentdeckungen die bedeutendste Leistung der Henrichschule liegen. Gerade die langweilige Häufung oft nur geringfügig abweichender Argumentationen macht dem Leser deutlich, auf wie breitem Sockel die Höhen der klassischen deutschen Philosophie aufruhen. Eine philosophische Karriere schien damals attraktiv. So manches Fichte oder Hegel zugeschriebene Theorem war allgemeines Einverständnis, von dem sich Fichte oder Schelling durch kleine Unterschiede absetzen.
Hölderlin, Novalis und Friedrich Schlegel gehören zum Umkreis der Reinholdhörer. Sie alle verbindet - und trennt von Fichte, der Reinhold fortsetzt - laut Frank eine Bewegung zurück zu Kant. Erkenntnistheoretische Vorsicht lasse sie gegenüber der Grundsatzphilosophie die höchsten Prinzipien nur mehr als Postulate annehmen. Und eine mit Kant geteilte "erzrealistische Grundintuition" führe zur Behauptung einer Gleichursprünglichkeit von Bewußtsein und Natur. Zugleich teile die eigentliche Frühromantik mit Fichte eine monistische Intention. Der (nur mehr postulierte) Einheitsgrund wird jedoch aus der Immanenz eines sich selbst durchsichtigen Bewußtseins in ein transzendentes und unausdenkbares Sein verlegt.
Munter durcheinander geht bei Frank, ob dieses Sein das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein oder Subjekt und Prädikat eint. Aber er ist Historiker, kein Systematiker, und die drei Aspekte hängen schon irgendwie zusammen. Laviert wird auch bei der Frage, ob es sich beim Sein um ein tiefergelegtes Prinzip handelt. Heidegger folgend, hält Frank die Suche nach letztbegründeter Gewißheit für die ursprüngliche Verblendung der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes, was bei Frank leicht aussieht, als wäre die Realität für eine Projektion gehalten worden. Das Sein soll vielmehr für die Erfahrung einer bewußtseinsunabhängigen Wirklichkeit stehen - Schleiermachers Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit. Andererseits sollen Erfahrung und Gefühl doch auch wieder rational ausweisbar sein: eben letztbegründete Gewißheit.
Wirklich heikel ist erst die These vom Kantianismus der Frühromantik. Weit entfernt, nur Postulat oder Idee zu sein, quillt das Sein bei Frank über von unausgewiesenen Vorannahmen. Es ist omnitudo realitatis, keine Verständigung könnte seinen Gehalt erschöpfen. Das Licht, in dem das Bewußtsein sich hält, fließt aus einem Grund, den das Bewußtsein nie ganz ausleuchten kann. Das Sein liegt als "Bereich" des Unbedingten "hinter" den Dingen. Wir selbst sind aus dem Absoluten, das also so ganz absolut nun doch wieder nicht ist, herausgetreten. "Wenn wir zu Bewußtsein kommen, haben wir den Einheitsgrund immer schon verloren." Aber eine entzückende "Aussicht gen Himmel" hält uns wach. Im Modus der Sehnsucht streben wir nach Wiederaneignung der verlorenen Gänze. Und Philosophie und Dichtung zeugen "schon hienieden" durch eine "immer wahrscheinlichere" Erkenntnis vom Advent einer wiederhergestellten Totalität. - "Ein glühender Dreifuß tut dir endlich kund,/ Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund", spottet die Mütterszene des "Faust II".
Franks Schreiben steht im Rahmen eines theologischen Engagements. Dagegen ist natürlich gar nichts einzuwenden. Das Proselytenmachen ist, wie Schleiermacher sagt, dem Glauben eigen. Viel einzuwenden ist etwas gegen den Schein, hier werde für die Gebildeten unter den Verächtern des unvordenklichen Seins kantisch "an den allein uns zugänglichen Tatsachen des Bewußtseins" entlangargumentiert. Frank schränkt das Wissen ein, nicht, um dem Glauben Platz zu machen, sondern, um Glauben als Wissen auszugeben. Philosophisch aber ist einzig von Bedeutung, wie es bestellt ist um den "Nachweis, daß wir ein Unbedingtes im menschlichen Wissen annehmen und dieses zugleich als ein dem Bewußtsein transzendentes Sein auslegen müssen". Wie kommen wir dazu, daß hinter, vor und nach den Dingen überhaupt etwas zu erkennen sein soll? Sind das nicht wiederum Projektionen, Hypostasierungen? Warum meint der Zirkel, daß wir Bewußtsein immer schon voraussetzen müssen, nicht nur die Faktizität des Bewußtseins?
An diesem Punkt müßte eine Auseinandersetzung mit dem sogenannten absoluten Idealismus einsetzen. Aber Fichte und Schelling bauen in ihr Spätwerk die Zweifel der Frühromantiker ein. So bliebe nur noch Hegel. Er ist für Frank der leibhaftige Gottseibeiuns, mit dem kein vernünftiges Wort gewechselt werden kann. Statt dessen wird denen, die wie weiland Lessing im Gespräch mit Jacobi den Sprung über den garstig breiten Graben nicht wagen wollen, die Romantik exoterisch schmackhaft gemacht. Sie sei viel moderner als der biedere Klassizismus Goethes, Schillers und Hegels. Zum ersten Mal in der Neuzeit sei die metaphysische Überzeugung fragwürdig geworden, wonach unser bewußtes Leben in einem absoluten Gewißheitsgrund fuße - als redete Frank nicht ununterbrochen von der Gewißheit des transzendenten Grundes. Hier finde sich zum ersten Mal ein Bewußtsein des fragmentarischen Charakters unserer Existenz - als hoffte nicht gerade Frank auf die wiederhergestellte Totalität am Ende der Zeiten. Und hier werde zum ersten Mal der Unverfügbarkeit des Realen nachgesonnen - als wiederholte Frank nicht unentwegt die einsilbig-abstrakte Rede vom: Sein. GUSTAV FALKE
Manfred Frank: "Unendliche Annäherung". Die Anfänge der philosophischen Frühromantik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 959 S., br., 39,80 DM.
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Jena vor ihm im lieblichen Tale: Was immer schon verloren ist, will Manfred Frank nicht fahrenlassen
Dem umfangreichen Schaffen von Manfred Frank liegt der einfache Gedanke zugrunde, den Dieter Henrich vor dreißig Jahren als Fichtes ursprüngliche Einsicht herausstellte. In der Reflexionstheorie von Selbstbewußtsein stecke ein Zirkel. Wenn das Bewußtsein sich selbst zum Objekt mache, müsse es bereits über ein präreflexives Wissen davon verfügen, daß es in diesem Objekt mit sich zu tun hat. Wenn Selbstbewußtsein sich aber immer schon vorausgesetzt haben muß, werde man auf die Annahme eines unvordenklichen Grundes im Bewußtsein zurückgeführt.
Auch mit der Rekonstruktion des Gesprächszusammenhanges, in dem Fichtes Einsicht steht, folgt Frank Henrich. Das neueste, fast tausendseitige Werk über die Anfänge der philosophischen Frühromantik bezweckt nur eine kleine Korrektur. Während für Henrich Hölderlins Fragment "Urteil und Sein" das zentrale Ereignis ist, sieht Frank die Entwicklung auf die "Fichte-Studien" von Novalis und Friedrich Schlegels Gedanken des Wechselerweises zulaufen. Er habe Henrich auch geschrieben, "daß Novalis viel expliziter, analytischer und argumentativ gewandter sich zeige als Hölderlin". Henrich habe dem nur Hölderlins Erstgeborenenrecht entgegensetzen können, um später öffentlich seinen Schülern vorzuwerfen, daß sie nicht wirklich in das Innere der explosiven Verwandlung des Denkens eingedrungen seien. "Wir müssen also alle unsere Hausaufgaben noch einmal und besser machen."
Einiges wird gesagt über den radikalen Skeptizismus Schulzes, über Maimons Kritik am Ding-an-sich, über Jacobis Glaubensphilosophie. Aber den eigentlichen Anfang macht für Frank das Philosophieren aus einem Grundsatz, mit dem Reinhold die Kantische Lehre systematisieren wollte: "Die Vorstellung wird im Bewußtsein vom Vorgestellten und Vorstellenden unterschieden und auf beide bezogen." Aber wer unterscheidet? Doch ein Subjekt. Das wiederum nicht Gegenstand einer Vorstellung sein kann, weil diese es voraussetzt. Es kann also nur als Idee gefaßt werden, als hypothetisch Angenommenes. Damit ist, wie Reinhold selbst bald einsieht, das Projekt, die Geltung unserer Überzeugungen aus einem unumstößlich gewissen Prinzip abzuleiten, gescheitert.
Ausführlich zeichnet Frank die Debatten im Umkreis von Reinholds Jenenser Hörern nach. Vergessene Gestalten gehören dazu. Ihr Format dürfte geringer sein, als der jeweilige Editor es reklamiert. Dennoch mag in den Wiederentdeckungen die bedeutendste Leistung der Henrichschule liegen. Gerade die langweilige Häufung oft nur geringfügig abweichender Argumentationen macht dem Leser deutlich, auf wie breitem Sockel die Höhen der klassischen deutschen Philosophie aufruhen. Eine philosophische Karriere schien damals attraktiv. So manches Fichte oder Hegel zugeschriebene Theorem war allgemeines Einverständnis, von dem sich Fichte oder Schelling durch kleine Unterschiede absetzen.
Hölderlin, Novalis und Friedrich Schlegel gehören zum Umkreis der Reinholdhörer. Sie alle verbindet - und trennt von Fichte, der Reinhold fortsetzt - laut Frank eine Bewegung zurück zu Kant. Erkenntnistheoretische Vorsicht lasse sie gegenüber der Grundsatzphilosophie die höchsten Prinzipien nur mehr als Postulate annehmen. Und eine mit Kant geteilte "erzrealistische Grundintuition" führe zur Behauptung einer Gleichursprünglichkeit von Bewußtsein und Natur. Zugleich teile die eigentliche Frühromantik mit Fichte eine monistische Intention. Der (nur mehr postulierte) Einheitsgrund wird jedoch aus der Immanenz eines sich selbst durchsichtigen Bewußtseins in ein transzendentes und unausdenkbares Sein verlegt.
Munter durcheinander geht bei Frank, ob dieses Sein das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein oder Subjekt und Prädikat eint. Aber er ist Historiker, kein Systematiker, und die drei Aspekte hängen schon irgendwie zusammen. Laviert wird auch bei der Frage, ob es sich beim Sein um ein tiefergelegtes Prinzip handelt. Heidegger folgend, hält Frank die Suche nach letztbegründeter Gewißheit für die ursprüngliche Verblendung der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes, was bei Frank leicht aussieht, als wäre die Realität für eine Projektion gehalten worden. Das Sein soll vielmehr für die Erfahrung einer bewußtseinsunabhängigen Wirklichkeit stehen - Schleiermachers Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit. Andererseits sollen Erfahrung und Gefühl doch auch wieder rational ausweisbar sein: eben letztbegründete Gewißheit.
Wirklich heikel ist erst die These vom Kantianismus der Frühromantik. Weit entfernt, nur Postulat oder Idee zu sein, quillt das Sein bei Frank über von unausgewiesenen Vorannahmen. Es ist omnitudo realitatis, keine Verständigung könnte seinen Gehalt erschöpfen. Das Licht, in dem das Bewußtsein sich hält, fließt aus einem Grund, den das Bewußtsein nie ganz ausleuchten kann. Das Sein liegt als "Bereich" des Unbedingten "hinter" den Dingen. Wir selbst sind aus dem Absoluten, das also so ganz absolut nun doch wieder nicht ist, herausgetreten. "Wenn wir zu Bewußtsein kommen, haben wir den Einheitsgrund immer schon verloren." Aber eine entzückende "Aussicht gen Himmel" hält uns wach. Im Modus der Sehnsucht streben wir nach Wiederaneignung der verlorenen Gänze. Und Philosophie und Dichtung zeugen "schon hienieden" durch eine "immer wahrscheinlichere" Erkenntnis vom Advent einer wiederhergestellten Totalität. - "Ein glühender Dreifuß tut dir endlich kund,/ Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund", spottet die Mütterszene des "Faust II".
Franks Schreiben steht im Rahmen eines theologischen Engagements. Dagegen ist natürlich gar nichts einzuwenden. Das Proselytenmachen ist, wie Schleiermacher sagt, dem Glauben eigen. Viel einzuwenden ist etwas gegen den Schein, hier werde für die Gebildeten unter den Verächtern des unvordenklichen Seins kantisch "an den allein uns zugänglichen Tatsachen des Bewußtseins" entlangargumentiert. Frank schränkt das Wissen ein, nicht, um dem Glauben Platz zu machen, sondern, um Glauben als Wissen auszugeben. Philosophisch aber ist einzig von Bedeutung, wie es bestellt ist um den "Nachweis, daß wir ein Unbedingtes im menschlichen Wissen annehmen und dieses zugleich als ein dem Bewußtsein transzendentes Sein auslegen müssen". Wie kommen wir dazu, daß hinter, vor und nach den Dingen überhaupt etwas zu erkennen sein soll? Sind das nicht wiederum Projektionen, Hypostasierungen? Warum meint der Zirkel, daß wir Bewußtsein immer schon voraussetzen müssen, nicht nur die Faktizität des Bewußtseins?
An diesem Punkt müßte eine Auseinandersetzung mit dem sogenannten absoluten Idealismus einsetzen. Aber Fichte und Schelling bauen in ihr Spätwerk die Zweifel der Frühromantiker ein. So bliebe nur noch Hegel. Er ist für Frank der leibhaftige Gottseibeiuns, mit dem kein vernünftiges Wort gewechselt werden kann. Statt dessen wird denen, die wie weiland Lessing im Gespräch mit Jacobi den Sprung über den garstig breiten Graben nicht wagen wollen, die Romantik exoterisch schmackhaft gemacht. Sie sei viel moderner als der biedere Klassizismus Goethes, Schillers und Hegels. Zum ersten Mal in der Neuzeit sei die metaphysische Überzeugung fragwürdig geworden, wonach unser bewußtes Leben in einem absoluten Gewißheitsgrund fuße - als redete Frank nicht ununterbrochen von der Gewißheit des transzendenten Grundes. Hier finde sich zum ersten Mal ein Bewußtsein des fragmentarischen Charakters unserer Existenz - als hoffte nicht gerade Frank auf die wiederhergestellte Totalität am Ende der Zeiten. Und hier werde zum ersten Mal der Unverfügbarkeit des Realen nachgesonnen - als wiederholte Frank nicht unentwegt die einsilbig-abstrakte Rede vom: Sein. GUSTAV FALKE
Manfred Frank: "Unendliche Annäherung". Die Anfänge der philosophischen Frühromantik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 959 S., br., 39,80 DM.
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