EINIGE GRÜNDE?
Weil der Glubb a Depp is (und das auch gut so ist). Weil Max Merkel jeden Pfennig wert war. Weil Franz Brungs gegen den FC Bayern fünf Tore in einem einzigen Spiel erzielte. Weil man lieber Fünfter als Fürther ist. Weil "Zick-Zack Cebinac" die Gegner lautlos auslachte. Weil Herbert Widmayer bewies, dass das Leben ein Scheißspiel ist. Weil der Club in die deutschsprachige Lyrik eingegangen ist. Weil sein Wappen so fränkisch ist. Weil Heiner Stuhlfauth Hände wie Bratpfannen hatte. Weil der Club 1963 in Gesellschaft von Tottenham und Madrid war. Weil sich die Club-Fans nicht jeden Quatsch bieten lassen. Weil Vlado Kasalo ein (Eigen-)Torjäger war. Weil das Wort "Fahrstuhltruppe" auf Fränkisch einfach besser klingt. Weil Willi Entenmann nach einem 2:0-Sieg gegen den FC Bayern entlassen wurde. Weil Günther Koch sich vom Abgrund meldete. Weil Bumbes Schmidt die Seiten doch nie wechselte. Weil der Goldbach durch den Zabo fließt. Weil Michael A. Roth nie auf dem Teppich blieb. Weil sich Hans Meyer in Nürnberg wie im Süden fühlte. Weil sein Stern für immer am Fußballhimmel stehen wird. Weil Marek Mintal ein Phantom war. Weil alle Mädchen in Nürnberg in Andreas Köpke verliebt waren. Weil er ein Tor kassierte, das es nicht gab. Weil seine Fans die Firma Grundig um Lösebier erpressten. Weil er 1922 im Finale um die deutsche Meisterschaft zu wenige Spieler hatte.
"Der Glubb is a Depp", das weiß in Franken jeder. Belege dafür gibt es in der langen Historie des 1.FC Nürnberg ja auch genügend: dämlich verballerte Torchancen, Schiedsrichter-Fehlentscheidungen in Serie, regelmäßiges Finanzchaos, rational nicht erklärbare Abstürze.
Der Club ist ein Depp, und das ist auch gut so. Wie viele bedauernswerte Vereine müssen Marketingspezialisten engagieren, um ein Image zu kreieren. Der Club braucht kein anderes Image. Ein durchgängig erfolgreicher und solide geführter Verein ist langweilig und höchstens was für Oberbayern. Das richtige Maß an Misserfolg ist daher schon immer ein elementarer Bestandteil fränkischer Lebensqualität.
Bei allem gebotenen Grundpessimismus werden in dem Buch natürlich die vielen Erfolge des 1.FC Nürnberg gewürdigt. Franken können sich ja auch freuen und feiern, und wenn sie das mal tun, dann richtig. Allerdings immer mit der beruhigenden Gewissheit im Hinterkopf, dass auch bald mal wieder schlechtere Zeiten kommen werden. Dass der Club ein Depp ist - und 110 andere Gründe, den 1.FC Nürnberg zu lieben -, finden sich in diesem Buch: bekannte und unbekannte Anekdoten, große und zu Unrecht kleine Persönlichkeiten, Heldengeschichten und eben: Deppengeschichten.
EINIGE GRÜNDE
Weil der Glubb a Depp is (und das auch gut so ist). Weil Max Merkel jeden Pfennig wert war. Weil Franz Brungs gegen den FC Bayern fünf Tore in einem einzigen Spiel erzielte. Weil man lieber Fünfter als Fürther ist. Weil "Zick-Zack Cebinac" die Gegner lautlos auslachte. Weil Herbert Widmayer bewies, dass das Leben ein Scheißspiel ist. Weil der Club in die deutschsprachige Lyrik eingegangen ist. Weil sein Wappen so fränkisch ist. Weil Heiner Stuhlfauth Hände wie Bratpfannen hatte. Weil der Club 1963 in Gesellschaft von Tottenham und Madrid war. Weil sich die Club-Fans nicht jeden Quatsch bieten lassen. Weil Vlado Kasalo ein (Eigen-)Torjäger war. Weil das Wort "Fahrstuhltruppe" auf Fränkisch einfach besser klingt. Weil Willi Entenmann nach einem 2:0-Sieg gegen den FC Bayern entlassen wurde. Weil Günther Koch sich vom Abgrund meldete. Weil Bumbes Schmidt die Seiten doch nie wechselte. Weil der Goldbach durch den Zabo fließt. Weil Michael A. Roth nie auf dem Teppich blieb. Weil sich Hans Meyer in Nürnberg wie im Süden fühlte. Weil sein Stern für immer am Fußballhimmel stehen wird. Weil Marek Mintal ein Phantom war. Weil alle Mädchen in Nürnberg in Andreas Köpke verliebt waren. Weil er ein Tor kassierte, das es nicht gab. Weil seine Fans die Firma Grundig um Lösebier erpressten. Weil er 1922 im Finale um die deutsche Meisterschaft zu wenige Spieler hatte.
Weil der Glubb a Depp is (und das auch gut so ist). Weil Max Merkel jeden Pfennig wert war. Weil Franz Brungs gegen den FC Bayern fünf Tore in einem einzigen Spiel erzielte. Weil man lieber Fünfter als Fürther ist. Weil "Zick-Zack Cebinac" die Gegner lautlos auslachte. Weil Herbert Widmayer bewies, dass das Leben ein Scheißspiel ist. Weil der Club in die deutschsprachige Lyrik eingegangen ist. Weil sein Wappen so fränkisch ist. Weil Heiner Stuhlfauth Hände wie Bratpfannen hatte. Weil der Club 1963 in Gesellschaft von Tottenham und Madrid war. Weil sich die Club-Fans nicht jeden Quatsch bieten lassen. Weil Vlado Kasalo ein (Eigen-)Torjäger war. Weil das Wort "Fahrstuhltruppe" auf Fränkisch einfach besser klingt. Weil Willi Entenmann nach einem 2:0-Sieg gegen den FC Bayern entlassen wurde. Weil Günther Koch sich vom Abgrund meldete. Weil Bumbes Schmidt die Seiten doch nie wechselte. Weil der Goldbach durch den Zabo fließt. Weil Michael A. Roth nie auf dem Teppich blieb. Weil sich Hans Meyer in Nürnberg wie im Süden fühlte. Weil sein Stern für immer am Fußballhimmel stehen wird. Weil Marek Mintal ein Phantom war. Weil alle Mädchen in Nürnberg in Andreas Köpke verliebt waren. Weil er ein Tor kassierte, das es nicht gab. Weil seine Fans die Firma Grundig um Lösebier erpressten. Weil er 1922 im Finale um die deutsche Meisterschaft zu wenige Spieler hatte.
"Der Glubb is a Depp", das weiß in Franken jeder. Belege dafür gibt es in der langen Historie des 1.FC Nürnberg ja auch genügend: dämlich verballerte Torchancen, Schiedsrichter-Fehlentscheidungen in Serie, regelmäßiges Finanzchaos, rational nicht erklärbare Abstürze.
Der Club ist ein Depp, und das ist auch gut so. Wie viele bedauernswerte Vereine müssen Marketingspezialisten engagieren, um ein Image zu kreieren. Der Club braucht kein anderes Image. Ein durchgängig erfolgreicher und solide geführter Verein ist langweilig und höchstens was für Oberbayern. Das richtige Maß an Misserfolg ist daher schon immer ein elementarer Bestandteil fränkischer Lebensqualität.
Bei allem gebotenen Grundpessimismus werden in dem Buch natürlich die vielen Erfolge des 1.FC Nürnberg gewürdigt. Franken können sich ja auch freuen und feiern, und wenn sie das mal tun, dann richtig. Allerdings immer mit der beruhigenden Gewissheit im Hinterkopf, dass auch bald mal wieder schlechtere Zeiten kommen werden. Dass der Club ein Depp ist - und 110 andere Gründe, den 1.FC Nürnberg zu lieben -, finden sich in diesem Buch: bekannte und unbekannte Anekdoten, große und zu Unrecht kleine Persönlichkeiten, Heldengeschichten und eben: Deppengeschichten.
EINIGE GRÜNDE
Weil der Glubb a Depp is (und das auch gut so ist). Weil Max Merkel jeden Pfennig wert war. Weil Franz Brungs gegen den FC Bayern fünf Tore in einem einzigen Spiel erzielte. Weil man lieber Fünfter als Fürther ist. Weil "Zick-Zack Cebinac" die Gegner lautlos auslachte. Weil Herbert Widmayer bewies, dass das Leben ein Scheißspiel ist. Weil der Club in die deutschsprachige Lyrik eingegangen ist. Weil sein Wappen so fränkisch ist. Weil Heiner Stuhlfauth Hände wie Bratpfannen hatte. Weil der Club 1963 in Gesellschaft von Tottenham und Madrid war. Weil sich die Club-Fans nicht jeden Quatsch bieten lassen. Weil Vlado Kasalo ein (Eigen-)Torjäger war. Weil das Wort "Fahrstuhltruppe" auf Fränkisch einfach besser klingt. Weil Willi Entenmann nach einem 2:0-Sieg gegen den FC Bayern entlassen wurde. Weil Günther Koch sich vom Abgrund meldete. Weil Bumbes Schmidt die Seiten doch nie wechselte. Weil der Goldbach durch den Zabo fließt. Weil Michael A. Roth nie auf dem Teppich blieb. Weil sich Hans Meyer in Nürnberg wie im Süden fühlte. Weil sein Stern für immer am Fußballhimmel stehen wird. Weil Marek Mintal ein Phantom war. Weil alle Mädchen in Nürnberg in Andreas Köpke verliebt waren. Weil er ein Tor kassierte, das es nicht gab. Weil seine Fans die Firma Grundig um Lösebier erpressten. Weil er 1922 im Finale um die deutsche Meisterschaft zu wenige Spieler hatte.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2013Münchner Glück in verschiedenen Versionen
Zwei Bücher, zwei Welten: 111 Gründe, den FC Bayern zu lieben, lassen sich leicht finden – der Löwenfan hat es da bei seinem Verein schon schwerer
Keine Frage, das Rechenmodell mit Bastian Schweinsteiger ist absolut interessant, Geld zieht thematisch immer. Mal angenommen also, der Profi des FC Bayern verdient zehn Millionen Euro im Jahr, und man bricht diese Summe herunter auf eine minimale zeitliche Einheit – welcher Verdienst ergibt sich daraus? „Drei Sekunden durchatmen: 1 Euro! Jeder Schweini-Schnaufer kostet einen Euro! Atemberaubend! Fußballer ist der beste Ein-Euro-Job der Welt.“ Eine Erkenntnis, die – so vorgetragen – Sinn ergibt. Auch die Lobpreisung der früheren Bayern-Größe Udo Horsmann ist, klar, nachvollziehbar. Über den knallharten Defensivkünstler, der nach seiner Karriere einen garantiert nicht mainstreammäßigen Weg einschlug, heißt es: „Wie viel Elend hätte sich vermeiden lassen, wenn auch andere Altstars später Schreiner geworden wären, nach dem Motto ,Sägen statt Nervensägen‘.“ Widerspruch? Nein, nein.
Wortspielereien gepaart mit Fakten, Bilderwelten, die oft mehr sind als nur kreatives Geblödel und Filmchen auslösen im Kopf, Oberflächlichkeiten, die feinsinnige Abgründe beinhalten – diesen schriftstellerischen Spagat schafft Jörg Heinrich in dem Werk „111 Gründe Bayern München zu lieben“, das im Rahmen einer Reihe jüngst erschienen ist. Man darf ja nicht vergessen: Humorvolle Formulierungen, ja gelungene Witze über Fußball und all seine normalen und verrückten Ausläufer zu kreieren, ist eine knifflige Aufgabe, schließlich ist Deutschlands liebste Sportart verbal ziemlich durchgekaut, der Hang zur Phrase und Plattitüde besteht praktisch jederzeit. Oder wem fällt noch ein origineller Spruch zu Lothar Matthäus und dessen Vorliebe für junge Frauen ein? Eben, der arme Kerl ist bereits in allen Facetten abgewatscht worden, weshalb sich Heinrich Gott sei Dank nur auf einige wenige Pflichtbeleidigungen in dieser Causa beschränkt.
Natürlich soll dieses Buch ein Buch für Fans der Roten, der Großkopferten sein, unbescheiden lautet der Untertitel: „Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt“ (was im Übrigen auch bei allen anderen Büchern aus dieser Reihe der Untertitel ist, nur passt er beim FCB wohl besonders gut). Und so erklärt Heinrich seine Zuneigung auf einer Reise, die alle und alles durchdekliniert, was Bedeutung für die Bayern hatte und hat. „Wenn Thomas Müller Günther Jauch moderieren würde, könnte man die Sendung endlich wieder anschauen“ – „Karl Hopfner war über 30 Jahre lang Karl Schiller und Franz-Josef Strauß“ – „der FC Bayern ist, in guten Zeiten, ein Frühlings-Sommer-Herbst-Winter-Märchen“: Über solche Sätze lohnt es sich sogar nachzudenken. Diese Reflexion beim Leser zu verursachen, in einem Werk, das selbstverständlich oft genug dem gehobenen Kalauer huldigt, ist durchaus eine respektable Leistung. Der Nonsens jedenfalls kommt eindeutig nicht kurz, unterm Strich aber bleibt der Eindruck, dass Heinrich, ein cleverer Roter durch und durch, selbstverständlich die roten Muskeln aufpumpt, dass sich jeder Bayern-Bazi nur so freuen wird. Wer nicht so sehr die Münchner mag, und das soll ja tatsächlich vorkommen, den nimmt der Autor aber auch irgendwie galant mit. Kurz, bevor er sich ultimativ anbiedert, zieht er so manches Mal rechtzeitig die Anbieder-Reißleine und führt den gottesgleichen Stand der Bayern-Protagonisten ad absurdum. Franck Ribéry? „Das Haus der Kunst auf zwei Beinen“, tiriliert er, um trocken hinzuzufügen: „Der van Gogh mit zwei Ohren.“ Das hat Biss.
Weniger pointen- und gagreich, dafür historisch hintergründiger stellt sich das Werk über den Lokalrivalen TSV 1860 dar, was kein Wunder ist. Autor Claus Melchior ist eine Koryphäe auf dem Gebiet weißblauer Chronologie, die ja im Grunde gleichbedeutend ist mit der Aneinanderreihung weißblauer Katastrophengeschichten. Passend dazu hat Melchior ein Gedicht Bertolt Brechts vorangestellt, das das ewige Löwenleid quasi in vier Zeilen zusammenfasst: „Ja, renn nur nach dem Glück. Doch renne nicht zu sehr! Denn alle rennen nach dem Glück. Das Glück rennt hinterher.“
Die Hinterherrennerei der Sechziger nimmt natürlich einen entsprechend großen Raum im Zeitstrang ein, und man kann sich vorstellen, dass Melchior bei aller Wertschätzung zu seinem Verein ein wenig länger über 111 Gründe, die für 1860 sprechen, brüten musste als Heinrich. So werden dann auch vermeintliche Schwächen des TSV pfiffig und vielsagend in Stärken umgedeutet. Ein Liebesgrund heißt: „Weil der TSV 1860 ein entspanntes Verhältnis zum Schuldenmachen hat“. Ein anderer: „Weil Gerd Müller zweimal beinahe ein Löwe geworden wäre“. Auch berechtigt dieser Aspekt: „Weil kein Alkohol auch keine Lösung ist“.
Darüber hinaus genoss der FCB-Schreiber sicherlich noch einen Vorteil: Sich über die erfolgreichste Mannschaft der Republik bewundernd lustig zu machen, ist eine komfortable Situation von oben herab. Sich dagegen das – bis auf wenige Ausnahmen – abgrundreiche Schicksal der Löwen vor Augen zu halten, inspiriert nicht zu dauerhaft fröhlich-spitzen Hymnen – wenn man die Sechziger wirklich liebt, und das tut der begnadete Rechercheur Melchior zweifelsohne.
GERALD KLEFFMANN
„111 Gründe, Bayern München zu lieben“,
Jörg Heinrich
„111 Gründe, den TSV 1860 München zu lieben“,
Claus Melchior
„111 Gründe, den 1. FC Nürnberg zu lieben“,
Markus Schäflein (ab Dezember erhältlich); die Reihe erscheint im Schwarzkopf&Schwarzkopf Verlag.
Bayern ist ein Frühlings-
Sommer-Herbst-Wintermärchen
Original: Vincent van Gogh ist der, der am Ende nur ein Ohr hatte – Franck Ribéry dagegen ist der van Gogh „mit zwei Ohren“, wie Jörg Heinrich findet.
FOTO: REUTERS
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zwei Bücher, zwei Welten: 111 Gründe, den FC Bayern zu lieben, lassen sich leicht finden – der Löwenfan hat es da bei seinem Verein schon schwerer
Keine Frage, das Rechenmodell mit Bastian Schweinsteiger ist absolut interessant, Geld zieht thematisch immer. Mal angenommen also, der Profi des FC Bayern verdient zehn Millionen Euro im Jahr, und man bricht diese Summe herunter auf eine minimale zeitliche Einheit – welcher Verdienst ergibt sich daraus? „Drei Sekunden durchatmen: 1 Euro! Jeder Schweini-Schnaufer kostet einen Euro! Atemberaubend! Fußballer ist der beste Ein-Euro-Job der Welt.“ Eine Erkenntnis, die – so vorgetragen – Sinn ergibt. Auch die Lobpreisung der früheren Bayern-Größe Udo Horsmann ist, klar, nachvollziehbar. Über den knallharten Defensivkünstler, der nach seiner Karriere einen garantiert nicht mainstreammäßigen Weg einschlug, heißt es: „Wie viel Elend hätte sich vermeiden lassen, wenn auch andere Altstars später Schreiner geworden wären, nach dem Motto ,Sägen statt Nervensägen‘.“ Widerspruch? Nein, nein.
Wortspielereien gepaart mit Fakten, Bilderwelten, die oft mehr sind als nur kreatives Geblödel und Filmchen auslösen im Kopf, Oberflächlichkeiten, die feinsinnige Abgründe beinhalten – diesen schriftstellerischen Spagat schafft Jörg Heinrich in dem Werk „111 Gründe Bayern München zu lieben“, das im Rahmen einer Reihe jüngst erschienen ist. Man darf ja nicht vergessen: Humorvolle Formulierungen, ja gelungene Witze über Fußball und all seine normalen und verrückten Ausläufer zu kreieren, ist eine knifflige Aufgabe, schließlich ist Deutschlands liebste Sportart verbal ziemlich durchgekaut, der Hang zur Phrase und Plattitüde besteht praktisch jederzeit. Oder wem fällt noch ein origineller Spruch zu Lothar Matthäus und dessen Vorliebe für junge Frauen ein? Eben, der arme Kerl ist bereits in allen Facetten abgewatscht worden, weshalb sich Heinrich Gott sei Dank nur auf einige wenige Pflichtbeleidigungen in dieser Causa beschränkt.
Natürlich soll dieses Buch ein Buch für Fans der Roten, der Großkopferten sein, unbescheiden lautet der Untertitel: „Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt“ (was im Übrigen auch bei allen anderen Büchern aus dieser Reihe der Untertitel ist, nur passt er beim FCB wohl besonders gut). Und so erklärt Heinrich seine Zuneigung auf einer Reise, die alle und alles durchdekliniert, was Bedeutung für die Bayern hatte und hat. „Wenn Thomas Müller Günther Jauch moderieren würde, könnte man die Sendung endlich wieder anschauen“ – „Karl Hopfner war über 30 Jahre lang Karl Schiller und Franz-Josef Strauß“ – „der FC Bayern ist, in guten Zeiten, ein Frühlings-Sommer-Herbst-Winter-Märchen“: Über solche Sätze lohnt es sich sogar nachzudenken. Diese Reflexion beim Leser zu verursachen, in einem Werk, das selbstverständlich oft genug dem gehobenen Kalauer huldigt, ist durchaus eine respektable Leistung. Der Nonsens jedenfalls kommt eindeutig nicht kurz, unterm Strich aber bleibt der Eindruck, dass Heinrich, ein cleverer Roter durch und durch, selbstverständlich die roten Muskeln aufpumpt, dass sich jeder Bayern-Bazi nur so freuen wird. Wer nicht so sehr die Münchner mag, und das soll ja tatsächlich vorkommen, den nimmt der Autor aber auch irgendwie galant mit. Kurz, bevor er sich ultimativ anbiedert, zieht er so manches Mal rechtzeitig die Anbieder-Reißleine und führt den gottesgleichen Stand der Bayern-Protagonisten ad absurdum. Franck Ribéry? „Das Haus der Kunst auf zwei Beinen“, tiriliert er, um trocken hinzuzufügen: „Der van Gogh mit zwei Ohren.“ Das hat Biss.
Weniger pointen- und gagreich, dafür historisch hintergründiger stellt sich das Werk über den Lokalrivalen TSV 1860 dar, was kein Wunder ist. Autor Claus Melchior ist eine Koryphäe auf dem Gebiet weißblauer Chronologie, die ja im Grunde gleichbedeutend ist mit der Aneinanderreihung weißblauer Katastrophengeschichten. Passend dazu hat Melchior ein Gedicht Bertolt Brechts vorangestellt, das das ewige Löwenleid quasi in vier Zeilen zusammenfasst: „Ja, renn nur nach dem Glück. Doch renne nicht zu sehr! Denn alle rennen nach dem Glück. Das Glück rennt hinterher.“
Die Hinterherrennerei der Sechziger nimmt natürlich einen entsprechend großen Raum im Zeitstrang ein, und man kann sich vorstellen, dass Melchior bei aller Wertschätzung zu seinem Verein ein wenig länger über 111 Gründe, die für 1860 sprechen, brüten musste als Heinrich. So werden dann auch vermeintliche Schwächen des TSV pfiffig und vielsagend in Stärken umgedeutet. Ein Liebesgrund heißt: „Weil der TSV 1860 ein entspanntes Verhältnis zum Schuldenmachen hat“. Ein anderer: „Weil Gerd Müller zweimal beinahe ein Löwe geworden wäre“. Auch berechtigt dieser Aspekt: „Weil kein Alkohol auch keine Lösung ist“.
Darüber hinaus genoss der FCB-Schreiber sicherlich noch einen Vorteil: Sich über die erfolgreichste Mannschaft der Republik bewundernd lustig zu machen, ist eine komfortable Situation von oben herab. Sich dagegen das – bis auf wenige Ausnahmen – abgrundreiche Schicksal der Löwen vor Augen zu halten, inspiriert nicht zu dauerhaft fröhlich-spitzen Hymnen – wenn man die Sechziger wirklich liebt, und das tut der begnadete Rechercheur Melchior zweifelsohne.
GERALD KLEFFMANN
„111 Gründe, Bayern München zu lieben“,
Jörg Heinrich
„111 Gründe, den TSV 1860 München zu lieben“,
Claus Melchior
„111 Gründe, den 1. FC Nürnberg zu lieben“,
Markus Schäflein (ab Dezember erhältlich); die Reihe erscheint im Schwarzkopf&Schwarzkopf Verlag.
Bayern ist ein Frühlings-
Sommer-Herbst-Wintermärchen
Original: Vincent van Gogh ist der, der am Ende nur ein Ohr hatte – Franck Ribéry dagegen ist der van Gogh „mit zwei Ohren“, wie Jörg Heinrich findet.
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