RB Leipzig ist wohl der Verein im deutschen Fußball, der derzeit am meisten gehasst wird. Er wird aber auch geliebt, nämlich von seinen immer zahlreicher werdenden Fans. Was könnte es sein, was den Verein für sie derart anziehend macht? So reizvoll, dass ihre ehemals kleine Schar heute Zuschauerrekorde bricht.111 GRÜNDE, RB LEIPZIG ZU LIEBEN zeigt auf, was alles seit der Vereinsgründung im Jahr 2009 geschehen ist, welche Highlights es gab und welche Wegmarken gesetzt wurden. Das Buch berichtet von Höhen und Tiefen, präsentiert wichtige Ereignisse und Charaktere der kurzen, aber bunten Geschichte des Vereins.RB Leipzig klopft mit aller Macht an die Tür zum Spitzenfußball und hat Ambitionen, dort nicht nur mitzuspielen, sondern Titel und Erfolge nach Leipzig zu holen. 111 GRÜNDE, RB LEIPZIG ZU LIEBEN zeigt, dass dies nur funktioniert, weil der Verein mehr ist als der von außen sichtbare große Sponsor.EINIGE GRÜNDEWeil wir die rasanteste Entwicklung im deutschen Fußball erfahren. Weil man hier perfekte Bedingungen für den Jugendfußball schafft. Weil Demut Teil des Jugendkonzeptes ist. Weil kaum eine Stadt im Fußball so viele Rückschläge hinnehmen musste wie Leipzig. Weil ein Stadtduell für eine Rekordkulisse sorgte. Weil der Ostfußball RB Leipzig verdient hat. Weil auch Freikarten kein Teufelswerk sind. Weil Red Bull uns nicht nur Flügel verleiht, sondern auch einen Plan hat. Weil wir mehr wollen, als nur zu gewinnen. Weil hochprofessionelle Strukturen im Fußball keinesfalls selbstverständlich sind. Weil der Verein die große Fußballwelt nach Leipzig bringt. Weil sich der Verein seiner sozialen Verantwortung bewusst ist. Weil ein Pokalspiel Deutschland aufhorchen ließ. Weil niemand vor uns den Durchmarsch durch die 3. Liga schaffte. Weil der Umbruch schmerzlich, aber notwendig war.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2015Brausedelirium
Streng genommen könnte man einen Widerspruch erkennen. 49 Bände, 49 Klubs, immer derselbe Slogan: "Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt". Als wäre derjenige, dem dann jeweils mit 111 Gründen, ihn zu lieben, gehuldigt wird, tatsächlich der einzig wahre - aber geschenkt. Offenbar läuft das Spiel für den Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, der die stetig expandierende Reihe herausgibt, in die richtige Richtung. Ob sich das auch für den Leser lohnt? Ansichtssache. Neugierig gemacht hat aber dann doch dieser eine Band - über den Verein, bei dem den meisten Fans wahrscheinlich eher 111 Gründe einfallen würden, ihn nicht zu lieben. Aber lassen wir uns mal erklären, warum man sein Herz ausgerechnet RB Leipzig schenken sollte.
Bei Matthias Kämmerer, Fan und Blogger (RBLObserver), war es, nun ja, speziell. Oder soll man sagen: radikal neu? Jedenfalls sind uns noch nicht viele begegnet, in denen das Fan-Sein schon angelegt war, noch bevor es den Verein überhaupt gab. Ein Interview mit Dietrich Mateschitz, in dem der Red-Bull-Gründer über die Möglichkeit eines Fußball-Ablegers in Sachsen sprach, ließ ihn gewissermaßen zum ersten Mal die süße Brause kosten, 2007 war das. Und als das Projekt zwei Jahre später Wirklichkeit wurde, wollte er mehr. "Für mich war schnell klar, dass dies der erste Verein sein könnte, der etwas für mich war." Aber vielleicht muss man das vor dem Hintergrund der besonderen Leipziger Verhältnisse sehen, die es einem lange ja wirklich nicht leicht machten, sich für Fußball zu begeistern, wenn man wirklich den Sport meinte und nicht die groteske Abwärtsspirale der beiden Traditionsklubs der Stadt mit ihren bisweilen gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen. Auch darauf geht Kämmerer ein. Ansonsten hält er sich aber nicht lange mit der Vergangenheit auf, sondern berauscht sich am rasanten, unaufhaltsamen Fortschritt. Tradition? Wird mit Hilfe eines Wikipedia-Eintrags dekonstruiert. Mitbestimmung? Ist doch besser, wenn niemand die Profis stört. Dafür: rosarote Zukunft, wohin man schaut. Ein fußballfuturistisches Manifest, in dem der Weg in jeder Hinsicht nach ganz oben führt: sportlich in die Champions League, aber auch darüber hinaus: in eine bessere (Fußball-) Welt. Kommerz? Ach was. "Unzählige Sportler profitieren von der Erfahrung und der Passion, das Optimum zu erreichen." Es sind Sätze wie diese, die einen nach gut 230 Seiten wie im Brausedelirium zurücklassen. Eine Liebeserklärung in dem Sinne, dass sie mit prallem Leben (und auch Leiden) gefüllt wäre, ist das nur in dosierter Form. Eher eine teleologische Rechtfertigungsschrift, warum alles, was Red Bull in Leipzig tut, einem höheren Zweck dient. Fehlt nur, dass Mateschitz, der große Schöpfer, äh, Spender, persönlich herabtritt und seinen Segen gibt: Sehet, es war sehr gut. Kann man das wirklich alles ernst meinen? Wir wenden uns auf der Suche nach Zerstreuung und ein wenig Leichtigkeit einem anderem Band zu: Wäre doch gelacht, wenn sich bei den "111 Gründen, Bayern München zu hassen", nicht der eine oder andere gute finden ließe.
camp.
Besprochenes Buch: Matthias Kämmerer: 111 Gründe, RB Leipzig zu lieben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 240 Seiten, 9,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Streng genommen könnte man einen Widerspruch erkennen. 49 Bände, 49 Klubs, immer derselbe Slogan: "Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt". Als wäre derjenige, dem dann jeweils mit 111 Gründen, ihn zu lieben, gehuldigt wird, tatsächlich der einzig wahre - aber geschenkt. Offenbar läuft das Spiel für den Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, der die stetig expandierende Reihe herausgibt, in die richtige Richtung. Ob sich das auch für den Leser lohnt? Ansichtssache. Neugierig gemacht hat aber dann doch dieser eine Band - über den Verein, bei dem den meisten Fans wahrscheinlich eher 111 Gründe einfallen würden, ihn nicht zu lieben. Aber lassen wir uns mal erklären, warum man sein Herz ausgerechnet RB Leipzig schenken sollte.
Bei Matthias Kämmerer, Fan und Blogger (RBLObserver), war es, nun ja, speziell. Oder soll man sagen: radikal neu? Jedenfalls sind uns noch nicht viele begegnet, in denen das Fan-Sein schon angelegt war, noch bevor es den Verein überhaupt gab. Ein Interview mit Dietrich Mateschitz, in dem der Red-Bull-Gründer über die Möglichkeit eines Fußball-Ablegers in Sachsen sprach, ließ ihn gewissermaßen zum ersten Mal die süße Brause kosten, 2007 war das. Und als das Projekt zwei Jahre später Wirklichkeit wurde, wollte er mehr. "Für mich war schnell klar, dass dies der erste Verein sein könnte, der etwas für mich war." Aber vielleicht muss man das vor dem Hintergrund der besonderen Leipziger Verhältnisse sehen, die es einem lange ja wirklich nicht leicht machten, sich für Fußball zu begeistern, wenn man wirklich den Sport meinte und nicht die groteske Abwärtsspirale der beiden Traditionsklubs der Stadt mit ihren bisweilen gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen. Auch darauf geht Kämmerer ein. Ansonsten hält er sich aber nicht lange mit der Vergangenheit auf, sondern berauscht sich am rasanten, unaufhaltsamen Fortschritt. Tradition? Wird mit Hilfe eines Wikipedia-Eintrags dekonstruiert. Mitbestimmung? Ist doch besser, wenn niemand die Profis stört. Dafür: rosarote Zukunft, wohin man schaut. Ein fußballfuturistisches Manifest, in dem der Weg in jeder Hinsicht nach ganz oben führt: sportlich in die Champions League, aber auch darüber hinaus: in eine bessere (Fußball-) Welt. Kommerz? Ach was. "Unzählige Sportler profitieren von der Erfahrung und der Passion, das Optimum zu erreichen." Es sind Sätze wie diese, die einen nach gut 230 Seiten wie im Brausedelirium zurücklassen. Eine Liebeserklärung in dem Sinne, dass sie mit prallem Leben (und auch Leiden) gefüllt wäre, ist das nur in dosierter Form. Eher eine teleologische Rechtfertigungsschrift, warum alles, was Red Bull in Leipzig tut, einem höheren Zweck dient. Fehlt nur, dass Mateschitz, der große Schöpfer, äh, Spender, persönlich herabtritt und seinen Segen gibt: Sehet, es war sehr gut. Kann man das wirklich alles ernst meinen? Wir wenden uns auf der Suche nach Zerstreuung und ein wenig Leichtigkeit einem anderem Band zu: Wäre doch gelacht, wenn sich bei den "111 Gründen, Bayern München zu hassen", nicht der eine oder andere gute finden ließe.
camp.
Besprochenes Buch: Matthias Kämmerer: 111 Gründe, RB Leipzig zu lieben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 240 Seiten, 9,99 Euro.
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