Es gibt viel zu entdecken in Nürnberg: die lauschigen Hesperidengärten, die im Verborgenen werkelnde Soziokultur Glaser scher Prägung, die zaghaften Versuche, zeitgenössische Architektur in die Stadt zu lassen. Da ist das Casablanca, eines von Deutschlands größten Multiplexkinos direkt an der Pegnitz, da ist das Neue Museum mit seiner spektakulären Glasfassade, und da ist der "Trommelwirbel ", kein Treff für Schlagzeuger, sondern ein Waschsalon mit integrierter Ideenbörse. Nürnberg ist eben immer für eine Überraschung gut: Machen Sie sich auf den Weg. Entdecken Sie 111 Orte, die Sie gesehen haben müssen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2012So sind die Franken halt
Zwei neue Bücher widmen sich dem nördlichen Teil des Freistaats und seinen Bewohnern. Es geht darin um
allerlei Essbares und um schöne und skurrile Orte – zum Beispiel um die Unterführung unter dem Frankenschnellweg
VON KATJA AUER
Nürnberg – Es ist nicht Bayern. Es ist Franken. Dass dieser Unterschied zwischen dem Süden und dem Norden des Freistaats ein entscheidender ist, darüber herrscht wohl Konsens. Wie er sich gestaltet, was das Wesen der einen und der anderen ausmacht, darüber machen sich viele Gedanken. Jetzt auch die junge Kabarettistin Mia Pittroff, gebürtige Bayreutherin, und schon im Titel ihres Buches macht sie den Unterschied klar: „Mia san mia“ sind die anderen. Franken, ein Heimatbuch .
Zu viele Klischees will sie nicht bedienen, bis auf die, die halt stimmen. Dass die Franken immer „halt“ sagen, zum Beispiel. Und dass es viel ums Essen geht. Um Karpfen und Bratwürste, um Bier natürlich und um Schäufele. Der gebratenen Schweineschulter widmet sie ein eigenes Kapitel, verbunden mit dem Appell, den Schäufele-Genuss keiner Diät zu opfern. Aber Franken ist halt noch mehr. Mia Pittroff kennt die Kontraste des Landstrichs, die sich schon in den so unterschiedlichen Städten Bayreuth und Bamberg zeigen: auf der einen Seite Bayreuth, etwas spröde, etwas verbaut, protestantisch, Wagner- und Beamtenstadt. „Auf der anderen Seite das katholische, lebensbejahende Wir-haben-nicht-einen-nein-wir-haben-gleich-zwei-Flüsse-und-sind-außerdem-Weltkulturerbe-und-können-uns-vor-barockem-Pomp-nicht-retten-Bamberg.“
Es sind Texte dabei, die würde man sich lieber von Mia Pittroff vortragen lassen, das kann sie nämlich ganz wunderbar. Und eine auf Fränkisch erzählte Bier-Liebesgeschichte wäre sicher noch viel rührender.
Mia Pittroff streift mit ihrem Buch durch Franken, und es ist nicht so, dass den Außenstehenden ihre Landsleute nach der Lektüre weniger kauzig erscheinen, als es das Klischee verspricht. Aber ein bisschen nähergekommen sind sie ihnen auch.
Wie Nürnberg, das halt Nürnberg ist, schreibt Pittroff, nicht lieblich, nicht pompös, nicht glamourös. Das seine schönen Seiten nicht auf den ersten Blick offenbart. Wenn man sie dann doch findet, das sei „in etwa so, wie in einer großen überregionalen Boulevardzeitung plötzlich ein Rilke-Gedicht zu entdecken“.
Dietmar Bruckner und Jo Seuss vermarkten Nürnbergs Charme etwas offensiver. 111 Orte in Nürnberg, die man gesehen haben muss , haben sie ausfindig gemacht, und der Klappentext verspricht, dass es eben nicht nur die altbekannten sind. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist natürlich beschrieben, die Lorenzkirche, die Delfin-Lagune, die mindestens Nürnberg in Unterstützer und Gegner spaltete, und das Haus, wo der Mann arbeitete und lebte, der seiner Heimatstadt in jüngster Zeit wieder einmal zu überregionaler Bekanntheit verholfen hat. Allerdings sparen sich die Autoren den Streit um Dürers Selbstbildnis im Pelzrock und die Frage, wo das nun am besten gezeigt werden sollte – dafür wäre auch gar kein Platz, wo doch für jede Sehenswürdigkeit nur eine Seite vorgesehen ist.
Dafür stehen Dinge drin, die man sonst vergeblich sucht in einem Reiseführer. Folgt man Hinweis Nummer eins, landet man unter der A 73, unter dem Frankenschnellweg, wo Nürnberg und Fürth ineinander übergehen. Dort holte sich der Kabarettist Matthias Egersdörfer, den man einen Pracht-Franken nennen muss, die Inspiration für einen Text über den Kapitalismus, als er die Spinnen beobachtete, die Netze um die Lampen weben und einfach warten, bis die Beute hängen bleibt. „Arschloch-Insekten“ nennt Egersdörfer sie.
Die Kaiserburg beschreiben die Autoren, allerdings nicht die große, die so schön über der Stadt thront, sondern die Kneipe am Fuße der anderen, wo ausnahmsweise einmal nicht fränkisch, sondern böhmisch gekocht wird. Einen besonderen Friseur stellen die Autoren vor, eine besondere Eisdiele, einen besonderen Dönerladen. Und natürlich die Nürnberger Bratwurstküchen. Ohne Essen geht es in Franken einfach nicht.
Mia Pittroff: „Mia san mia“ sind die anderen. Franken, ein Heimatbuch. Conbook Verlag, Meerbusch 2012. 243 Seiten. 11,95 Euro. Dietmar Bruckner, Jo Seuss : 111 Orte in Nürnberg, die man gesehen haben muss. Emons-Verlag, Köln 2012. 230 Seiten. 14.95 Euro.
Zu den 111 sehenswertesten Orten
in Nürnberg gehören auch ein
Friseur und eine Dönerbude
Karpfen, Bier, Bratwürste, Schäufele. Ohne Essen geht gar nichts in Franken. Soweit stimmt das Klischee. Was den Norden Bayerns sonst noch ausmacht, warum „ich hob dich fei gern“ eine Liebeserklärung ist und wo Nürnberg am schönsten ist, das ist in zwei neuen Büchern über Franken nachzulesen.
FOTO: DDP (2), DPA, VARIO IMAGES
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Zwei neue Bücher widmen sich dem nördlichen Teil des Freistaats und seinen Bewohnern. Es geht darin um
allerlei Essbares und um schöne und skurrile Orte – zum Beispiel um die Unterführung unter dem Frankenschnellweg
VON KATJA AUER
Nürnberg – Es ist nicht Bayern. Es ist Franken. Dass dieser Unterschied zwischen dem Süden und dem Norden des Freistaats ein entscheidender ist, darüber herrscht wohl Konsens. Wie er sich gestaltet, was das Wesen der einen und der anderen ausmacht, darüber machen sich viele Gedanken. Jetzt auch die junge Kabarettistin Mia Pittroff, gebürtige Bayreutherin, und schon im Titel ihres Buches macht sie den Unterschied klar: „Mia san mia“ sind die anderen. Franken, ein Heimatbuch .
Zu viele Klischees will sie nicht bedienen, bis auf die, die halt stimmen. Dass die Franken immer „halt“ sagen, zum Beispiel. Und dass es viel ums Essen geht. Um Karpfen und Bratwürste, um Bier natürlich und um Schäufele. Der gebratenen Schweineschulter widmet sie ein eigenes Kapitel, verbunden mit dem Appell, den Schäufele-Genuss keiner Diät zu opfern. Aber Franken ist halt noch mehr. Mia Pittroff kennt die Kontraste des Landstrichs, die sich schon in den so unterschiedlichen Städten Bayreuth und Bamberg zeigen: auf der einen Seite Bayreuth, etwas spröde, etwas verbaut, protestantisch, Wagner- und Beamtenstadt. „Auf der anderen Seite das katholische, lebensbejahende Wir-haben-nicht-einen-nein-wir-haben-gleich-zwei-Flüsse-und-sind-außerdem-Weltkulturerbe-und-können-uns-vor-barockem-Pomp-nicht-retten-Bamberg.“
Es sind Texte dabei, die würde man sich lieber von Mia Pittroff vortragen lassen, das kann sie nämlich ganz wunderbar. Und eine auf Fränkisch erzählte Bier-Liebesgeschichte wäre sicher noch viel rührender.
Mia Pittroff streift mit ihrem Buch durch Franken, und es ist nicht so, dass den Außenstehenden ihre Landsleute nach der Lektüre weniger kauzig erscheinen, als es das Klischee verspricht. Aber ein bisschen nähergekommen sind sie ihnen auch.
Wie Nürnberg, das halt Nürnberg ist, schreibt Pittroff, nicht lieblich, nicht pompös, nicht glamourös. Das seine schönen Seiten nicht auf den ersten Blick offenbart. Wenn man sie dann doch findet, das sei „in etwa so, wie in einer großen überregionalen Boulevardzeitung plötzlich ein Rilke-Gedicht zu entdecken“.
Dietmar Bruckner und Jo Seuss vermarkten Nürnbergs Charme etwas offensiver. 111 Orte in Nürnberg, die man gesehen haben muss , haben sie ausfindig gemacht, und der Klappentext verspricht, dass es eben nicht nur die altbekannten sind. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist natürlich beschrieben, die Lorenzkirche, die Delfin-Lagune, die mindestens Nürnberg in Unterstützer und Gegner spaltete, und das Haus, wo der Mann arbeitete und lebte, der seiner Heimatstadt in jüngster Zeit wieder einmal zu überregionaler Bekanntheit verholfen hat. Allerdings sparen sich die Autoren den Streit um Dürers Selbstbildnis im Pelzrock und die Frage, wo das nun am besten gezeigt werden sollte – dafür wäre auch gar kein Platz, wo doch für jede Sehenswürdigkeit nur eine Seite vorgesehen ist.
Dafür stehen Dinge drin, die man sonst vergeblich sucht in einem Reiseführer. Folgt man Hinweis Nummer eins, landet man unter der A 73, unter dem Frankenschnellweg, wo Nürnberg und Fürth ineinander übergehen. Dort holte sich der Kabarettist Matthias Egersdörfer, den man einen Pracht-Franken nennen muss, die Inspiration für einen Text über den Kapitalismus, als er die Spinnen beobachtete, die Netze um die Lampen weben und einfach warten, bis die Beute hängen bleibt. „Arschloch-Insekten“ nennt Egersdörfer sie.
Die Kaiserburg beschreiben die Autoren, allerdings nicht die große, die so schön über der Stadt thront, sondern die Kneipe am Fuße der anderen, wo ausnahmsweise einmal nicht fränkisch, sondern böhmisch gekocht wird. Einen besonderen Friseur stellen die Autoren vor, eine besondere Eisdiele, einen besonderen Dönerladen. Und natürlich die Nürnberger Bratwurstküchen. Ohne Essen geht es in Franken einfach nicht.
Mia Pittroff: „Mia san mia“ sind die anderen. Franken, ein Heimatbuch. Conbook Verlag, Meerbusch 2012. 243 Seiten. 11,95 Euro. Dietmar Bruckner, Jo Seuss : 111 Orte in Nürnberg, die man gesehen haben muss. Emons-Verlag, Köln 2012. 230 Seiten. 14.95 Euro.
Zu den 111 sehenswertesten Orten
in Nürnberg gehören auch ein
Friseur und eine Dönerbude
Karpfen, Bier, Bratwürste, Schäufele. Ohne Essen geht gar nichts in Franken. Soweit stimmt das Klischee. Was den Norden Bayerns sonst noch ausmacht, warum „ich hob dich fei gern“ eine Liebeserklärung ist und wo Nürnberg am schönsten ist, das ist in zwei neuen Büchern über Franken nachzulesen.
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