Ein unschuldig wegen Mordes zum Tod Verurteilter soll hingerichtet werden. Der ehemalige Gefängnisaufseher Nang_ und der auf Bewährung entlassene Jun'ichi erhalten den Auftrag, den wahren Täter zu finden. Für das ungleiche Ermittlerduo beginnt damit nicht nur ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit, sondern beide müssen sich auch ihrer eigenen Vergangenheit stellen.
Bestsellerautor Kazuaki Takano erzählt eine fesselnde Geschichte voller unerwarteter Wendungen und falscher Fährten bis hin zum furiosen Showdown. Am Beispiel der in Japan noch angewandten Todesstrafe stellt er die Frage nach Schuld und Reue, nach dem Recht auf Vergeltung. Dabei erzeugt seine vielschichtige Erzählweise eine außergewöhnliche Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite nicht loslässt.
Bestsellerautor Kazuaki Takano erzählt eine fesselnde Geschichte voller unerwarteter Wendungen und falscher Fährten bis hin zum furiosen Showdown. Am Beispiel der in Japan noch angewandten Todesstrafe stellt er die Frage nach Schuld und Reue, nach dem Recht auf Vergeltung. Dabei erzeugt seine vielschichtige Erzählweise eine außergewöhnliche Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite nicht loslässt.
buecher-magazin.deNach einer Verurteilung wegen Totschlags auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen, erfährt der junge Jun'ichi, dass die Entschädigungszahlungen an die Familie seines Opfers seine Eltern beinahe ruiniert haben. Da kommt ihm das Angebot einer Anwaltskanzlei gerade recht, das ebenso lukrativ wie bedenklich erscheint. Zusammen mit dem Gefängnisaufseher Kihara soll er die Unschuld eines Delinquenten beweisen, der für einen brutalen Doppelmord zum Tode verurteilt ist. Und nun beginnt für die beiden eine Charade, in der Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern werden, während die Unterscheidung zwischen Mord und staatlicher Todesstrafe immer fragwürdiger erscheint. Der 1964 in Tokio geborene und mit seinem Thriller "Extinction" international erfolgreiche Kazuaki Takano hat seinen Roman als ein moralisches Lehrstück angelegt und mit tiefen Einblicken in das japanische Justizwesen illustriert. Doch während er Fragen behandelt, die in den meisten Krimis gar nicht erst gestellt werden, vollzieht die Handlung einige verblüffende und bedrohliche Wendungen, bis den beiden Helden endlich aufgeht, dass ihr Versuch, einen Unschuldigen zu retten, sie selbst in eine tödliche Falle gelockt hat. Sie liegt am Ende einer mysteriösen Treppe, deren 13 Stufen zur Lösung ihres Falls führen könnten.
© BÜCHERmagazin, Ulrich Baron (ub)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2018Die Schritte der Todesboten
Das Verfahren bis zur Hinrichtung spielt eine Hauptrolle: Mit seinem Roman "13 Stufen" setzt Kazuaki Takano ein Zeichen gegen die Todesstrafe, die bis heute in Japan vollstreckt wird.
Immer öfter finden sich in den Programmen deutscher Verlage japanische Krimiautoren. Mit dem Altmeister Keigo Higashino, mit Hideo Yokoyama, Kanae Minato oder dem mit Harumi Murakami verglichenen Fuminori Nakamura werden in Japan erfolgreiche Autoren entdeckt, die mit ihren Spannungsromanen nicht nur einen Einblick in eine fremde Kultur geben - sie zeigen auf sehr unterschiedliche Art einen anderen Blick auf das Genre und seine Konventionen.
Kazuaki Takano gehört in Japan seit langem schon zu den erfolgreichsten Krimiautoren. Sein 2015 ins Deutsche übersetzter Science-Fiction-Thriller "Extinction" stand dort über Monate auf den Bestsellerlisten. Takano, der Drehbücher schreibt und in Japan und in Hollywood lebt, sieht sich als Unterhaltungsschriftsteller. "Ich glaube an die Kraft der Unterhaltung", sagt er. Schon im Kindergarten habe er seine erste Mördergeschichte verfasst. Seine gründlich recherchierten Krimis sind glasklar konstruierte, analytische Erzählungen. Das gilt auch für sein Debüt "13 Stufen". 2001 erhielt er dafür den Edogawa-Rampo-Preis für die beste japanische Kriminalgeschichte, benannt nach dem Vater des japanischen Kriminalromans. Takano wollte diesen Preis gewinnen, als er sich ans Schreiben machte. Und er wollte mit seinem Buch ein Zeichen setzen gegen die Todesstrafe, die bis heute in Japan vollstreckt wird.
Schuld und Sühne, die Frage nach Rache und Vergeltung oder einer zweiten Chance für Verbrecher bilden den Rahmen für diesen Kriminalroman, der nach allen Regeln eines klassischen Whodunits aufgebaut ist. Zum Tode Verurteilte erfahren in Japan nicht, wann sie gehängt werden. Sie leben isoliert in ihren winzigen Zellen und müssen jeden Tag in der Angst leben, dass die Schritte der Wärter, die in den Gefängnisgängen hallen, vor ihrer Tür haltmachen.
"Die Todesboten erschienen um neun Uhr morgens. Ryo Kihara hatte bisher nur einmal ihre Schritte vernommen." So beginnt Takanos Roman. Für Kihara rückt die Stunde näher, in der er die Stufen zum Galgen gehen soll. Er weiß es nicht, aber sein Vollstreckungsbefehl liegt schon beinahe auf dem Schreibtisch des Justizministers. Kihara leidet nach einem Motorradunfall in der Nähe des Tatorts unter Amnesie. Er weiß nicht einmal selbst, ob er seinen Bewährungshelfer, einen pensionierten Lehrer, wirklich ermordet hat. Dreizehn Stufen hat das juristische Verfahren, an dessen Ende der Minister in Tokios Regierungsbezirk Kasumigaseki die Hinrichtung anordnet. Einsprüche, Revisionsanträge und Gnadengesuche verzögern den Prozess, aufhalten können sie ihn nicht.
Takano gelingt es, die Grausamkeit dieses Verfahrens lebendig zu erzählen, indem er die Staatsanwälte und Staatssekretäre in ihrer inneren Zerrissenheit schildert, wenn der Vollstreckungsbefehl auf seinem Weg durch die Bürokratie auf ihrem Schreibtisch landet und abgezeichnet werden muss.
Kiharas Fall ist bereits auf der zwölften Stufe angelangt, als in seinem Kopf ein Bild auftaucht: Er erinnert sich an eine Treppe, über die er damals flüchtete. War doch ein anderer der Mörder? Wird ein unschuldig wegen Mordes zum Tod Verurteilter hingerichtet? Takano schickt in seinem Roman zwei Ermittler, die die Unschuld des Verurteilten beweisen wollen, auf einen Wettlauf gegen die Zeit. Treibende Kraft der Ermittler ist der Gefängnisaufseher Nango, der zweimal an Hinrichtungen mitwirkte und der seine Kündigung schon geschrieben hat. Er sucht sich den jungen Jun'ichi als Partner aus: Der saß wegen Totschlags in Haft und wurde vorzeitig entlassen. Was treibt die beiden Amateurdetektive, sich mit dem alten Fall zu beschäftigen? Es ist die Hoffnung auf ein neues Leben, aber auch der wachsende Zweifel an einem grausamen Justizsystem. Lässt sich Schuld bewerten und nach Gefängnisjahren oder gar mit dem Urteil zum Tod bemessen?
Takanos Stärke ist, dass er konsequent auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet, mit dem in manchem deutschen Politthriller die politische Botschaft des Romans gefuchtelt wird. Takano erzählt nicht ohne Empathie für seine beiden Ermittler und ihre Zweifel. Nach langen Jahren in einem Mordfall noch die Wahrheit herauszufinden ist eine kaum zu lösende Aufgabe für Kihara und Jun'ichi. Takano gibt dieser alte Kriminalfall das Handlungsgerüst in die Hand, in dem er seine beiden ungleichen Ermittler als erfahrener Hollywood-Drehbuchautor nach allen Regeln der Kunst durch eine Welt von Lügen und Betrug, von Widersprüchen, immer wieder neuen bürokratischen Hindernissen, Rückschlägen und verblüffenden Wendungen führt. Parallel zur Suche nach Beweisen, die Takano gekonnt inszeniert, taucht immer wieder der Schrecken der Todesstrafe auf.
Takano lässt neben seinen Helden und ihren Gewissensqualen, neben den Bürokraten im Justizsystem mit ihrer strengen Disziplin bei der Vollstreckung der Strafe auch die von Rache getriebenen Angehörigen der Opfer sprechen. Damit bietet er auf unterhaltsame Art auch einen Einblick in die japanische Kultur und deren Ringen um Schuld und Strafe. Und wie das japanische Rechtssystem hier handlungsleitend die zentrale Rolle spielt, das hebt "13 Stufen" weit über andere Spannungsromane hinaus.
CARSTEN GERMIS
Kazuaki Takano:
"13 Stufen". Roman.
Aus dem Japanischen
von Sabine Mangold.
Penguin Verlag,
München 2017. 400 S., br., 10,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Verfahren bis zur Hinrichtung spielt eine Hauptrolle: Mit seinem Roman "13 Stufen" setzt Kazuaki Takano ein Zeichen gegen die Todesstrafe, die bis heute in Japan vollstreckt wird.
Immer öfter finden sich in den Programmen deutscher Verlage japanische Krimiautoren. Mit dem Altmeister Keigo Higashino, mit Hideo Yokoyama, Kanae Minato oder dem mit Harumi Murakami verglichenen Fuminori Nakamura werden in Japan erfolgreiche Autoren entdeckt, die mit ihren Spannungsromanen nicht nur einen Einblick in eine fremde Kultur geben - sie zeigen auf sehr unterschiedliche Art einen anderen Blick auf das Genre und seine Konventionen.
Kazuaki Takano gehört in Japan seit langem schon zu den erfolgreichsten Krimiautoren. Sein 2015 ins Deutsche übersetzter Science-Fiction-Thriller "Extinction" stand dort über Monate auf den Bestsellerlisten. Takano, der Drehbücher schreibt und in Japan und in Hollywood lebt, sieht sich als Unterhaltungsschriftsteller. "Ich glaube an die Kraft der Unterhaltung", sagt er. Schon im Kindergarten habe er seine erste Mördergeschichte verfasst. Seine gründlich recherchierten Krimis sind glasklar konstruierte, analytische Erzählungen. Das gilt auch für sein Debüt "13 Stufen". 2001 erhielt er dafür den Edogawa-Rampo-Preis für die beste japanische Kriminalgeschichte, benannt nach dem Vater des japanischen Kriminalromans. Takano wollte diesen Preis gewinnen, als er sich ans Schreiben machte. Und er wollte mit seinem Buch ein Zeichen setzen gegen die Todesstrafe, die bis heute in Japan vollstreckt wird.
Schuld und Sühne, die Frage nach Rache und Vergeltung oder einer zweiten Chance für Verbrecher bilden den Rahmen für diesen Kriminalroman, der nach allen Regeln eines klassischen Whodunits aufgebaut ist. Zum Tode Verurteilte erfahren in Japan nicht, wann sie gehängt werden. Sie leben isoliert in ihren winzigen Zellen und müssen jeden Tag in der Angst leben, dass die Schritte der Wärter, die in den Gefängnisgängen hallen, vor ihrer Tür haltmachen.
"Die Todesboten erschienen um neun Uhr morgens. Ryo Kihara hatte bisher nur einmal ihre Schritte vernommen." So beginnt Takanos Roman. Für Kihara rückt die Stunde näher, in der er die Stufen zum Galgen gehen soll. Er weiß es nicht, aber sein Vollstreckungsbefehl liegt schon beinahe auf dem Schreibtisch des Justizministers. Kihara leidet nach einem Motorradunfall in der Nähe des Tatorts unter Amnesie. Er weiß nicht einmal selbst, ob er seinen Bewährungshelfer, einen pensionierten Lehrer, wirklich ermordet hat. Dreizehn Stufen hat das juristische Verfahren, an dessen Ende der Minister in Tokios Regierungsbezirk Kasumigaseki die Hinrichtung anordnet. Einsprüche, Revisionsanträge und Gnadengesuche verzögern den Prozess, aufhalten können sie ihn nicht.
Takano gelingt es, die Grausamkeit dieses Verfahrens lebendig zu erzählen, indem er die Staatsanwälte und Staatssekretäre in ihrer inneren Zerrissenheit schildert, wenn der Vollstreckungsbefehl auf seinem Weg durch die Bürokratie auf ihrem Schreibtisch landet und abgezeichnet werden muss.
Kiharas Fall ist bereits auf der zwölften Stufe angelangt, als in seinem Kopf ein Bild auftaucht: Er erinnert sich an eine Treppe, über die er damals flüchtete. War doch ein anderer der Mörder? Wird ein unschuldig wegen Mordes zum Tod Verurteilter hingerichtet? Takano schickt in seinem Roman zwei Ermittler, die die Unschuld des Verurteilten beweisen wollen, auf einen Wettlauf gegen die Zeit. Treibende Kraft der Ermittler ist der Gefängnisaufseher Nango, der zweimal an Hinrichtungen mitwirkte und der seine Kündigung schon geschrieben hat. Er sucht sich den jungen Jun'ichi als Partner aus: Der saß wegen Totschlags in Haft und wurde vorzeitig entlassen. Was treibt die beiden Amateurdetektive, sich mit dem alten Fall zu beschäftigen? Es ist die Hoffnung auf ein neues Leben, aber auch der wachsende Zweifel an einem grausamen Justizsystem. Lässt sich Schuld bewerten und nach Gefängnisjahren oder gar mit dem Urteil zum Tod bemessen?
Takanos Stärke ist, dass er konsequent auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet, mit dem in manchem deutschen Politthriller die politische Botschaft des Romans gefuchtelt wird. Takano erzählt nicht ohne Empathie für seine beiden Ermittler und ihre Zweifel. Nach langen Jahren in einem Mordfall noch die Wahrheit herauszufinden ist eine kaum zu lösende Aufgabe für Kihara und Jun'ichi. Takano gibt dieser alte Kriminalfall das Handlungsgerüst in die Hand, in dem er seine beiden ungleichen Ermittler als erfahrener Hollywood-Drehbuchautor nach allen Regeln der Kunst durch eine Welt von Lügen und Betrug, von Widersprüchen, immer wieder neuen bürokratischen Hindernissen, Rückschlägen und verblüffenden Wendungen führt. Parallel zur Suche nach Beweisen, die Takano gekonnt inszeniert, taucht immer wieder der Schrecken der Todesstrafe auf.
Takano lässt neben seinen Helden und ihren Gewissensqualen, neben den Bürokraten im Justizsystem mit ihrer strengen Disziplin bei der Vollstreckung der Strafe auch die von Rache getriebenen Angehörigen der Opfer sprechen. Damit bietet er auf unterhaltsame Art auch einen Einblick in die japanische Kultur und deren Ringen um Schuld und Strafe. Und wie das japanische Rechtssystem hier handlungsleitend die zentrale Rolle spielt, das hebt "13 Stufen" weit über andere Spannungsromane hinaus.
CARSTEN GERMIS
Kazuaki Takano:
"13 Stufen". Roman.
Aus dem Japanischen
von Sabine Mangold.
Penguin Verlag,
München 2017. 400 S., br., 10,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensent Elmar Krekeler kann am Ende dieses Romans aufatmen, denn weder lebt er in einem Land wie Japan, in dem es die Todesstrafe noch gibt, noch muss er entscheiden, wer in diesem Land und in diesem Fall schuldig ist und wer nicht. "13 Stufen" ist ein "moralisches Lehrstück" in Form eines Politthrillers, erklärt Krekeler: Es geht vor allem um Schuld und Strafe, darum, wem sie gebührt und warum. Und es geht um Japan und seine Gesellschaft. Ausgangspunkt der Handlung ist der brutale Mord an einem Ehepaar, lesen wir. Das Ermittlungs- und Erzählverfahren ähnelt einer archäologischen Ausgrabung: Nach und nach werden die Umstände aufgedeckt, am Ende dieser beklemmenden Geschichte jedoch steht man nur vor einem "gähnenden moralischen Hohlraum", so der Rezensent. Ein wenig hölzern ist die Geschichte allerdings schon, gibt der Rezensent zu, aber das liege ja in der Natur solcher Lehrstücke.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Wie das japanische Rechtssystem hier handlungsleitend die zentrale Rolle spielt, das hebt »13 Stufen« weit über andere Spannungsromane hinaus.« Carsten Germis in Frankfurter Allgemeine Zeitung