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Sind die Bilder von Henri Matisse veraltet, nur weil sie vor Jahrzehnten gemalt worden sind? Wenige würden hierauf mit Ja antworten. Ist eine Studie, welche die Werke von Matisse analysiert und über unbestreitbare Qualitäten verfügt, veraltet, nur weil sie vor bald 65 Jahren erschienen ist? Manche würden dies vermuten. Es gibt Vermutungen, die falsch sind. Das zeigt - in vorliegender Anthologie - John Elderfield. Er hat das Opus von Alfred H. Barr: "Matisse: His Art and His Public" von 1951 neu gelesen. Barr, Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, war als Kunsthistoriker so…mehr

Produktbeschreibung
Sind die Bilder von Henri Matisse veraltet, nur weil sie vor Jahrzehnten gemalt worden sind? Wenige würden hierauf mit Ja antworten. Ist eine Studie, welche die Werke von Matisse analysiert und über unbestreitbare Qualitäten verfügt, veraltet, nur weil sie vor bald 65 Jahren erschienen ist? Manche würden dies vermuten.
Es gibt Vermutungen, die falsch sind. Das zeigt - in vorliegender Anthologie - John Elderfield. Er hat das Opus von Alfred H. Barr: "Matisse: His Art and His Public" von 1951 neu gelesen. Barr, Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, war als Kunsthistoriker so begabt wie als Pädagoge. Diese Doppelbegabung erweist sich - auf heute noch begeisternde Weise - auch in seinem Matisse-Buch.
Vorliegende Publikation stellt 16 Klassiker der Kunstgeschichte aus den letzten hundert Jahren vor. Renommierte Kunsthistoriker, internationale Koryphäen ihres Faches, behandeln je eines der Werke. Sie gehen auf Genese und Kontext der Studien und auf die Vita ihrer jeweiligen Verfasser ein, geben aber auch der Frage Raum, ob der besprochene Klassiker heute noch Interesse beanspruchen darf. Richard Verdi etwa erinnerten an die epochale - im deutschen Sprachraum fast unbekannte - Studie von Roger Fry: "Cézanne: A Study of His Development" von 1927. Boris Groys führt auf brilliante Weise in die ebenso brillianten Texte Clement Greenbergs in "Art and Culture: Critical Essays" (1961) ein. Der Harvard-Historiker Jeffrey Hamburger stellt Hans Beltings zentrales Werk "Bild und Kult" von 1990 vor.
Geschichte muss, das ist ein Gemeinplatz, periodisch neu betrachtet werden. Das gilt auch für die Klassiker eines Faches. Manch Altes ist - manchmal zu Recht - vergangen. Doch gibt es auch Perlen, welche einer beglückenden Neuentdeckung harren. Diese Anthologie weist hier den Weg!
Autorenporträt
Zu den Herausgebern: Richard Shone ist Herausgeber der Zeitschrift The Burlington Magazine in London. Er hat zahlreiche Bücher über französische wie britische Kunst veröffentlicht. 1999 organisierte er die Ausstellung The Art of Bloomsbury in der Tate Gallery. John-Paul Stonard war eine Weile Mitherausgeber von The Burlington Magazine. Auch er hat zahlreiche Bücher publiziert. Er war Gastdozent am Courtauld Institute of Art und schreibt regelmäßig für The Times Literary Supplement und für Artforum.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Peter Geimer nimmt den von Richard Shone und John-Paul Stonard herausgegebenen Band zum Anlass, um über die Notwendigkeit der Feststellung von Klassikern als Mittel der Geschichtsschreibung nachzudenken. Im vorliegenden Band geht es um die Kunstgeschichte und ihre einflussreichen Monografien. Im nun auf Deutsch vorliegenden Band entdeckt Geimer nur einen zeitgenössischen deutschsprachigen Autor, Hans Belting und sein Buch "Bild und Kult" von 1990. Desweiteren trifft er auf Clement Greenberg, Svetlana Alpers und Alfred Barr. Die Auswahl im Band sieht Geimer kritisch, er weiß aber, dass es keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit geben kann. Gut gefällt ihm, dass auf kontroverse Thesen oder als überholt geltende Aspekte der besprochenen Werke verwiesen wird. Die ein oder andere auffällige Leerstelle bleibt Geimer dennoch im Gedächtnis, etwa Studien zur Repräsentationskritik oder Jonathan Crarys "Techniken des Betrachters".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2016

Denkmalpflege im Irrgarten der Kunstliteratur
Klassikergalerie: Namhafte Kunsthistoriker kommentieren Werke aus den letzten hundert Jahren, die ihrem Fach neue Impulse gaben

Es gehört zur Selbstvergewisserung akademischer Disziplinen, sich gelegentlich in Überblicksdarstellungen der eigenen Forschungsgegenstände zu versichern. Einen solchen Versuch unternahmen die Herausgeber des renommierten "Burlington Magazine", als sie führende Kunsthistoriker einluden, eine Monographie der letzten einhundert Jahre auszuwählen und zu kommentieren, die ihrer Ansicht nach als Klassiker der Kunstgeschichte gelten kann. Die später als Buch publizierte Sammlung liegt nun auch in deutscher Übersetzung vor. Entscheidend für die Auswahl der Titel sollte es sein, dass sie "eine gänzlich neue Sichtweise auf die Kunst und ihre Geschichte" begründet haben, dabei zugleich aber nicht "zu sehr dem Geschmack einer bestimmten Epoche verhaftet" blieben.

Unter den lebenden deutschsprachigen Autoren ist als einziger Hans Belting mit "Bild und Kult" (1990) vertreten. In seiner wegweisenden Studie hat Belting gezeigt, das die Verabsolutierung des an der italienischen Renaissance geschulten Kunstbegriffs den Blick für die Besonderheiten mittelalterlicher Ikonen und Altarbilder teilweise verstellt hatte, und die Aufmerksamkeit auf deren Leistungen als Kultbilder gelenkt. Als entscheidendes Verdienst des amerikanischen Kunstkritikers Clement Greenberg beschreibt Boris Groys die Entdeckung des Kitsches als eigener Kunstform, und Mariët Westermann erinnert daran, welche Neuorientierung Svetlana Alpers' "Kunst als Beschreibung" mit ihrer Einbeziehung einer umfassenden, durch Landkarten, Mikroskope und Netzhautmodelle bestimmten "Sehkultur" innerhalb der Forschung zur niederländischen Kunst des siebzehnten Jahrhunderts bewirkt hat.

Die besprochenen Titel begleitet eine aktuelle Bibliographie, in einigen der Beiträge wird auch auf kontroverse Thesen oder als überholt geltende Aspekte der besprochenen Werke verwiesen. Übergreifende wissenschaftshistorische Überlegungen, wie sie im deutschsprachigen Raum etwa Heinrich Dilly in seiner Pionierstudie "Kunstgeschichte als Institution" angestellt hat, sucht man im vorliegenden Band allerdings vergebens. Die Herausgeber haben darauf verzichtet, der chronologischen Folge der Klassiker Überlegungen zur epistemologischen Begründung solcher Klassizität, zu Kontinuitäten oder Paradigmenwechseln der kunsthistorischen Forschung an die Seite zu stellen.

Es versteht sich von selbst, dass ein Band wie der vorliegende unmöglich allen Tendenzen der Forschung gerecht werden kann und man in einzelnen Fällen sicherlich auch andere Prioritäten hätte setzen können. So kann man fragen, ob George Kublers weit über das Fach hinaus diskutierte Studie "Die Form der Zeit" die Diskussion nicht nachhaltiger geprägt hat als etwa Alfred Barrs Monographie zu Henri Matisse oder ob neben Bernard Berenson nicht auch Alois Riegl eine Aufnahme in den Band verdient hätte. Jenseits solcher unvermeidbaren Beschränkungen fallen jedoch zwei Auslassungen stärker ins Gewicht, denn sie sind das Ergebnis einer bewussten, wenn auch nicht thematisierten Entscheidung der Herausgeber.

Die erste Auslassung führt noch einmal zu Hans Beltings Studie zur Geschichte des Bildes "vor dem Zeitalter der Kunst" zurück. Beltings Kritik an der Verabsolutierung des Kunstbegriffs besitzt nämlich das Potential, nicht nur auf ein historisches Davor dieses Begriffs bezogen zu werden, sondern spiegelbildlich auch auf ein Danach - als Geschichte des Bildes "jenseits des Zeitalters der Kunst". Damit ist keine weitere Proklamation eines angeblichen Endes der Kunst gemeint, aber an den einfachen Umstand erinnert, dass ein Großteil der Bildproduktion, die uns seit zwei Jahrhunderten umgibt, als Kunst nur unzureichend zu beschreiben ist.

Das gilt für die Visualisierungsverfahren der Naturwissenschaften ebenso wie für die Bildpolitik der Nachrichtenmedien. Man kann der Ansicht sein, dass die Kunstgeschichte für diese außerkünstlerische Bildproduktion nicht zuständig ist und ihren tradierten Kanon dementsprechend nicht ausweiten sollte. Aber im Kontext eines Überblickswerks zur Kunstgeschichte bereits die bloße Möglichkeit einer solchen Erweiterung zu ignorieren ergibt dann doch ein allzu einseitiges Bild. Zu den auffälligen Leerstellen des Bandes gehört deshalb eine Studie, die das Potential dieser Einbeziehung technischer Bildmedien und wissenschaftshistorischer Aspekte exemplarisch vorgeführt hat - Jonathan Crarys "Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert" (1990). Crary nimmt Alpers' wegweisende Einbeziehung der "Sehkultur" auf, führt sie aber noch einen Schritt weiter, indem er nicht nur den Einfluss optischer Apparaturen auf die bildende Kunst untersucht, sondern beschreibt, wie diese Techniken auch neue und eigenständige Formen der Wahrnehmung hervorbringen. Im Königreich der Klassiker hat man von solchen Phänomenen offenbar noch nichts gehört.

Die zweite Auslassung betrifft die zahlreichen Studien, die in der Folge der sozialgeschichtlichen Forschungen der siebziger Jahre unter dem Stichwort "Repräsentationskritik" entstanden sind. Zwar ist der sozialhistorische Ansatz im Band mit sehr lesenswerten Beiträgen zu Francis Haskells "Maler und Auftraggeber" sowie zu T. J. Clarks Studie zu Kunst und Politik im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts vertreten. Dass es mit Kenneth Clarks "The Nude" aber dann einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1955 überlassen wird, die kunsthistorische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper zu repräsentieren, ist angesichts zahlreicher Studien der "gender studies" ein eigentümliches Verständnis von Klassizität. Zu diesem Verständnis gehört es auch, dass Klassiker - mit Ausnahme von Svetlana Alpers und Rosalind Krauss - offenbar von Natur aus männlich sind.

Man mag einwenden, dass der Band gar nicht den Anspruch erhebt, eine repräsentative Einführung in verschiedene Methoden der Kunstgeschichte zu sein: Man möchte, wie Richard Stone im Vorwort bemerkt, nur "wahre Klassiker" berücksichtigen. Aber warum eigentlich? Es steht außer Frage, dass sämtliche im Band vertretenen Bücher bis heute lesenswert sind, einige freilich eher aus historischer Perspektive. Ein vornehmlich auf gesichertes Terrain gerichteter Blick schränkt aber zwangsläufig den Radius für aktuelle Fragen ein. Der Band zielt auf "Orientierung im nicht selten abschreckenden Irrgarten der Kunstliteratur". Sein Leitbild ist die Autorität des Denkmals, nicht die Veränderbarkeit des Wissens durch Aneignung und Kritik. Der Impuls, im weiten Feld der kunsthistorischen Literatur die "wahren Klassiker" zu identifizieren, gehört einer Form von Geschichtsschreibung an, deren Prämissen zu überdenken sind.

PETER GEIMER

"16 Klassiker der Kunstgeschichte". Von Gombrich bis Panofsky. Von Belting bis Krauss.

Hrsg. von R. Shone und J.-P. Stonard. Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2015. 445 S., Abb., br., 22,- [Euro].

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