Der hier vorgelegte Band enthält erstmals sämtliche Schriften von Leibniz aus dem Zeitraum Anfang 1667 bis Juni 1690, die seinem philosophischen Schaffen im weiteren Sinne zugeschrieben werden können, Abhandlungen und Vorarbeiten, Exzerpte und Marginalien, insgesamt 612 Dokumente, fast ausschließlich aus den von Leibniz hinterlassenen handschriftlichen Zeugnissen geschöpft, mit ihren Überlieferungen, genetischen Textvarianten und Erläuterungen. Von vier kurzen Abhandlungen abgesehen, die Leibniz in Gelehrtenzeitschriften veröffentlichen ließ, blieb das Gros dieser Papiere seinen Zeitgernossen unbekannt, selbst die Gründe, die ihn zu ihrer Abfassung bewegten, hielt er vor ihnen verborgen. Das große Projekt einer "Scientia Generalis", mit dem er, gestützt auf seine "Characteristica" und den "Calculus Universalis" - durch den er zum Schöpfer einer neuen Logik wurde -, eine "demonstrative Enzyklopädie" alles Gewußten und die Anlage zur Invention alles noch zu Wissenden entwickeln wollte, hielt er ebenso wie seine unerhört neue Metaphysik mit den Ansätzen zur späteren Monadenlehre und seine Arbeiten zu einer Reform des Rechts verschwiegen zurück, in Erwartung einer günstigen Gelegenheit, sich einem Förderer und von diesem finanzierten Mitarbeitern, auf deren Hilfe er sich angewiesen wußte, zu offenbaren. Thematisch verteilt sind diese Dokumente auf 522 Nummern mit Unternummern in sechs Abteilungen, jeweils geschieden nach Primärtexten und ihnen zugeordneten Exzerpten und Marginalien. Den gesamten ersten Teilband füllen die gut 200 Primärtexte zur "Scientia Generalis", zur besseren Einsicht in die Entwicklung nicht unterteilt in Stücke, die der materialen und solche, die der formalen Vorbereitung des Projekts dienen sollten. Der zweite Teilband bringt zunächst die Exzerpte und Marginalien zur ersten Abteilung und im übrigen nur die Schriften zur Metaphysik, die Gott, das Individuum und die Freiheit in den Mittelpunkt stellen. Im dritten Teilband folgen die Abteilungen "Philosophia Naturalis" mit dem Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit der Cartesianern, "Theologia" mit Schriften, die die kontroverstheolo- gische Diskussion auf eine festere metaphysische Grundlage stellen sollten, "Moralia" und "Scientia Juris Naturalis" mit Vorarbeiten zu einem naturrechtlich zu begründenden "Codex novus legum". Innerhalb dieser Abteilungen erscheinen die Schriften nach den Prinzipien der Akademie-Ausgabe in chronologischer Abfolge im Unterschied zu ihrer Darbietung in der als internes Arbeitsmaterial in zehn Faszikeln vorgelegten "Vorausedition" (1982-91). Im abschließenden Registerband stehen dem Leser außer einem umfangreichen Verzeichnis der Sachen und Begriffe und neben Verzeichnissen der Personen und Schriften Spezialverzeichnisse der Stellen aus der Bibel und dem Corpus Juris Civilis zu Verfügung sowie eine Auflistung der Fundorte aller in diesem Band edierten Handschriften nebst Konkordanzen der Stücke zur "Vorausedition" und zu den auf die Handschriften zurückgreifenden Ausgaben von Gerhardt, Couturat und Grua. Dieser Band wurde bis hin zum vollständigen elektronischen Satz der Texte und Register, einschließlich der über 100 Grafiken, im wesentlichen unterstützt durch TUSTEP in der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster hergestellt.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Seit 1923 ist man nun mit dieser Leibniz-Ausgabe beschäftigt, berichtet Hubertus Busche, und damals war man noch so naiv zu glauben, dass man am Ende mit 80 Bänden auskommen würde. Dann wartet der Rezensent mit beeindruckenden Zahlen auf: Leibniz` Nachlass ist einer der größten, die je ein Autor schuf: 75.000 wissenschaftliche Schriftstücke, 15.000 Briefe. Hier haben wir es also mit dem vierten Band der Reihe VI der Ausgabe zu tun, der sich wiederum in vier Teilbände gliedert. 222 Texte werden hier veröffentlicht - davon hat Leibniz zu Lebzeiten nur vier publiziert. Es handelt sich um philosophische und rechtsphilosophische, auch theologische Arbeiten. Busche schildert in der Folge, wie Leibniz zu einer Art Universalwissenschaft kommen wollte, einer "Enzyklopädie", von der er erhoffte, dass sie in ihrer absoluten Objektivität alle wissenschaftlichen, politischen und Glaubensstreitigkeiten Streitigkeiten befrieden könne. Offensichtlich ist er daran grandios gescheitert. Busche meint zumindest, dass die Texte "dreihundert Jahre zu spät" kommen. Busche lobt die Sorgfalt der Textedition und der Register.
© Perlentaucher Medien GmbH
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