"Ein unterhaltsames Panorama des Sturm und Drang, gewürzt mit Klatsch, Skandalen und Affären – und mit überraschend aktuellen Bezügen." So vielversprechend der Klappentext des Verlags, so wenig vermag der Inhalt dieses Versprechen zu halten.
Ich hatte mich auf eine spannende Zeitreise in ein Jahr
inmitten dieser für die deutsche Literatur so prägenden Epoche gefreut. Waren mir Goethe, Schubart…mehr"Ein unterhaltsames Panorama des Sturm und Drang, gewürzt mit Klatsch, Skandalen und Affären – und mit überraschend aktuellen Bezügen." So vielversprechend der Klappentext des Verlags, so wenig vermag der Inhalt dieses Versprechen zu halten.
Ich hatte mich auf eine spannende Zeitreise in ein Jahr inmitten dieser für die deutsche Literatur so prägenden Epoche gefreut. Waren mir Goethe, Schubart und Lenz bis dato ausschließlich als Schriftsteller ein Begriff, so hoffte ich, sie durch die Lektüre auch als Persönlichkeiten näher kennen zu lernen. Und natürlich wollte ich auch Einsichten in Politik und Gesellschaft des Jahres 1774 und deren Auswirkungen auf die Gegenwart erhalten.
Simone Francesca Schmidt hat ihr Buch in die zwölf Monate des Geschehens unterteilt. Der Einstieg ist durchaus unterhaltsam - die Vorstellung des jungen Goethe, der seiner Leidenschaft zum Schlittschuh laufen auch mal im knallroten Mantel der Mutter frönt, brachte mich sehr zum Schmunzeln. Überhaupt ist Schmidts Stil anfangs erfrischend frech, was sich leider im Verlauf des Buchs stark verliert. Und nicht nur das. Nach wenigen Kapiteln gerät die Erzählung immer wieder zu einer langweiligen, nichtssagenden Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten. X trifft Y, Z sollte auch besucht werden, war aber leider nicht zu Hause ... Das ist eine Zeit lang in Ordnung, um einen Eindruck vom Alltag der Protagonisten zu bekommen, aber es trägt nicht über einen ganzen Roman hinweg. Auch hätte ich mir ab und an einen Dialog gewünscht, um mehr Schwung in die Erzählung zu bringen. Stattdessen finden sich zahllose Zitate aus Tagebüchern, Briefen usw. Über weite Strecken hinweg habe ich mich sehr gelangweilt, ich war oft kurz davor, die Lektüre abzubrechen. Wenn doch mal etwas Interessantes vorkommt, wie zum Beispiel das Kasseler Kaffeeverbot, fehlendes Copyright oder die damalige Praxis, Literatur anonym zu veröffentlichen, dann wird es nur kurz unkommentiert erwähnt, Hintergründe sucht man vergeblich.
Auch viele Protagonisten bleiben blass. So schildert Schmidt zwar den Skandal um Mercks Ehefrau, die ihn während eines längeren Aufenthalts in der Schweiz betrügt und ihn bei ihrer Heimkehr mit ihrer Schwangerschaft überrascht. Doch was führte zu dem Seitensprung, zumal das Ehepaar zuvor als rundum glücklich geschildert wurde? Wer war der Vater des Kindes? Wie war das erste Aufeinandertreffen der Ehepartner nach dem Betrug, was haben sie dabei gefühlt? Hat Merck seiner Frau wirklich verziehen, wie verhielt er sich dem Kind gegenüber? Mit all diesen Fragen bleiben die Leser*innen alleine.
Ich ziehe meinen Hut vor der umfangreichen und intensiven Recherchearbeit, die diesem Buch zugrunde liegen muss. Umso bedauerlicher ist es, dass die Autorin aus der Fülle des Materials keine fesselnde Erzählung machen konnte. Sehr gelungen ist der Epilog, hier ordnet sie ein und bewertet - mehr davon auch in den vorhergehenden Kapiteln hätte dem Buch gut getan, so ist es deutlich zu wenig.
Sehr gelungen ist hingegen der Anhang: Zeitgenössische Abbildungen der Protagonisten und ausführliche Personenverzeichnisse geben inmitten der Namensfülle Orientierung und haben mich bewogen, meine Bewertung auf drei Sterne aufzurunden.