Mit den privaten Aufzeichnungen der Jahre 1830 bis 1885, die unter dem Titel "Choses vues" erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden, hat Victor Hugo umfangreiche Beobachtungen hinterlassen, die ihn als Vorläufer der Moderne profilieren: Experimentierfreudig, nichts auslassend und von Zensur oder Literaturkritik unbekümmert, hat Hugo am ausführlichsten das Revolutionsjahr 1848 dokumentiert. Als Chronist dieses in politischer wie künstlerischer Hinsicht entscheidenden Jahres hat er seine unmittelbaren Erfahrungen in vielfältigen Darstellungstechniken wiedergegeben und mit seiner vitalen Kombination von Aphorismen, Dialogen, Gedichten, Impressionen, Kurzessays und Zitatcollagen aus dem Parlament die formalen Konventionen des 19. Jahrhunderts buchstäblich gesprengt. Im deutschen Sprachraum sind Hugos Zeitbetrachtungen noch zu entdecken. "1848 - Ein Revolutionsjournal" bildet gewissermaßen das dokumentarische Pendant zu Flauberts fiktiver Rekonstruktion des Revolutionsjahres, der "Education sentimentale". Victor Hugos 200. Geburtstag am 26. Februar 2002 bietet eine gute Gelegenheit, dem deutschsprachigen Publikum den heimlichen Chronisten des 19. Jahrhunderts in einer modernen Erstübersetzung vorzustellen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Joseph Hanimann preist Victor Hugo als einen Autor, der persönliches Schicksal, politische Ereignisse und literarische Strömungen auf einzigartige Weise in seinen Schriften zu vereinigen verstand. Das vorliegende Buch, das Notizen, Aufzeichnungen, Reden und Kommentare aus dem Revolutionsjahr 1848 in einer postum zusammengestellten Sammlung bietet, überzeugt den Rezensenten vor allem wegen der "Unmittelbarkeit" der Aufzeichnungen. Besonders amüsant findet er dabei die "geistreichen Wortsticheleien", die "Stilblüten, Kalauer und witzigen Versprecher" im Parlament, die Hugo notiert hat. Diese habe der Übersetzer auch meist "einfallsreich" übersetzt und mit aufschlussreichen Kommentaren versehen, lobt Hanimann zunächst. Dann aber kritisiert er die Textsammlung wegen ihrer Übertragung ins Deutsche doch als "holpriger", als sie durch die bunte Zusammenstellung ohnehin schon ist. Das trübt seiner Ansicht nach den Genuss der Aufzeichnungen eines "literarischen Genies" nicht unerheblich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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