Max Beckmann, 1884 in Leipzig geboren, besuchte von 1899 bis 1903 die Weimarer Akademie. Er lebte in Paris, Genf und Florenz und ab 1907 in Berlin. 1915 zog er nach Frankfurt am Main, dort lehrte er bis 1933 an der Städel-Kunstschule. 1937 emigrierte er nach Holland und übersiedelte 1947 von dort nach New York, wo er 1950 in New York starb. Klaus Gallwitz, geb. 1930, war von 1959 bis 1967 war er Geschäftsführer des Badischen Kunstvereins in Karlsruhe und leitete von 1967 bis 1974 die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden. Er war 1966 bis 1968 Mitglied des documenta-Rates zur 4. documenta im Jahr 1968 in Kassel. 1974 wurde er zum Direktor des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main berufen, dem er bis 1994 vorstand. Zugleich war er Honorarprofessor an der Staatliche Hochschule für Bildende Künste - Städelschule, Frankfurt am Main. Seit 1984 ist Klaus Gallwitz Sprecher der Beratergruppe für die Kunstausstellungen des Europarates, er war lange Jahre Berater der Kunstsammlungder Deutschen Bank. Seit 1995 ist Gallwitz künstlerischer Leiter des Künstlerhauses Schloss Balmoral in Bad Ems. Von 2004 bis 2006 war er Gründungsdirektor des Museums Frieder Burda und 2006 bis 2008 Gründungsdirektor des Arp-Museums in Rolandseck. Er ist seit 2009 der Kurator der Sammlung Rau. Gallwitz gilt unter anderem als internationaler Experte für Max Beckmann. Klaus Gallwitz lebt in Karlsruhe.Uwe M. Schneede, geb. 1939, war bis 1991 Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und von 1991 bis 2006 Direktor der Hamburger Kunsthalle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.1997Ein Argonaut ging in die Nacht
Post aus Amerika: Der dritte Band der Briefe Max Beckmanns
Mit dem vorliegenden dritten Band, der mehr als 350 Briefe aus den letzten Lebensjahren von 1937 bis 1950 umfaßt, ist die große Ausgabe sämtlicher Briefe von Max Beckmann abgeschlossen. Doch die 167 Briefe und Karten aus dem Amsterdamer Exil (im ersten Teil des Bandes) sind wortkarg und geben wenig Aufschluß über das bildnerische Denken oder die Genese der Werke, die Lebensumstände oder zeithistorischen Hintergründe, und wenn, dann höchstens in verschlüsselten Andeutungen. Dies hat seine Gründe, da der Künstler wegen der Zensur durch die nationalsozialistische Besatzung und später durch die Siegermächte mit privaten Äußerungen äußerst vorsichtig umging. Zudem war sein regelmäßiger Briefpartner der New Yorker Kunsthändler Curt Valentin, mit dem er überwiegend geschäftliche Angelegenheiten besprach.
Die Tonart, die Beckmann mit Valentin pflegte, ist ganz die eines Künstlers, dessen Selbstbewußtsein trotz Diffamierung und Exil ungebrochen ist und der seinem Galeristen mit einer Direktheit, die keine Widerrede duldet, seine Wünsche (etwa nach Malutensilien oder Zigaretten) diktiert, seine strategischen Überlegungen zu den Bilderverkäufen darlegt, seine Abrechnungen von Verkäufen kontrolliert und fehlende Beträge einfordert. Dieser Briefbestand läßt erkennen, daß Beckmann seit seiner Übersiedlung nach Amsterdam systematisch darauf hinarbeitet, sein Werk auf dem amerikanischen Kunstmarkt zu etablieren, um das Terrain für die ersehnte Ausreise in die Vereinigten Staaten vorzubereiten - ein Ziel, das er jedoch erst 1947 nach zähen Kämpfen in den Regierungsstellen erreichen sollte.
Deutschland jedenfalls und seine frühere Frau Minna Tube, mit der er stets in Briefkontakt blieb, hat er nicht wiedergesehen. Die im Sommer 1950 geplante Europa-Reise und ein Treffen mit Minna in Wiesbaden mußte er wegen der Korea-Krise aufgeben. Nur wenigen Freunden wie Stephan Lackner oder Günther Franke vertraute er sich näher an, allerdings fast immer in ironischen Anspielungen oder bildhaften Umschreibungen. In den letzten Kriegsjahren wächst seine Distanz zu den Zeitereignissen und einer als spukhaft-irreal empfundenen Umwelt. So schreibt er an seine mäzenatische Freundin aus Frankfurter Tagen, Lilly von Schnitzler, im August 1943: "Manches mal kommt einem alles nur wie ein unwirklicher Traum vor und das Erwachen ist zweifelhaft und fast unerwünscht. Entfernungen sind aufgehoben und der Raum scheint nicht mehr zu existieren. Das einzige was man tun kann so lange es angeht - man selbst zu bleiben, um einen anständigen Abgang aus diesem Bewußtseinsplan zu erzielen . . . Die Arbeit ist ein wichtiger Faktor zu einer anständigen Selbst-Hypnose und so wird sie denn auch von mir noch immer mit zäher Energie weiter entwickelt."
Der zweite Teil der Veröffentlichung mit über 180 Briefen aus den Vereinigten Staaten ist sowohl in dem erweiterten Kreis der Adressaten als auch in den persönlichen Mitteilungen wesentlich aufschlußreicher. Auch hier herrscht die für Beckmann charakteristische Diktion vor, bei der alltägliche Mitteilungen im Kürzelstil mit hochphilosophischen Ausführungen abrupt wechseln - eine Tendenz zur unverschnörkelten Reduktion mit spannungsreichen Bruchlinien, die auch seine Malerei kennzeichnet.
Bei seiner Ankunft in St. Louis, wo er eine Professur an der Kunstschule der Washington University übernahm, schlug ihm unvermutet eine Welle der Sympathie und Verehrung entgegen, die er nach den Jahren der Entbehrungen, Ängste und Anfeindungen in vollen Zügen genoß. Und dies um so mehr, als er gleichzeitig erleben mußte, "wie sehr das Ansehen dieses Landes in der Welt gesunken ist". Die Briefe lassen erkennen, wie stark sein Bedürfnis war, alles nachzuholen, was ihm gefehlt hatte, vor allem die Freizügigkeit des Reisens. In den drei Jahren, die ihm verblieben, erkundete er trotz seiner zahlreichen Lehrverpflichtungen den Kontinent von New York bis Kalifornien und New Orleans, angetrieben von einem lange aufgestauten Hunger nach neuen Eindrücken und dem Willen zur Erforschung des Landes, dessen Staatsbürger er werden wollte. Die zahlreichen Ausstellungen, Preisverleihungen und Ehrungen, die ihm nun auch aus Europa zuteil wurden, beflügelten seinen ohnehin schon hektischen Arbeitseifer, von dem seine Briefe künden. Der einzige Künstler, an dessen Ruhm und Können er sich immer wieder mißt, ist Picasso. Als das Museum of Modern Art sein neuerworbenes "Großes Stilleben mit schwarzer Plastik" neben Picasso und Léger aufhängt, vermerkt er dies in einem Brief an seine Frau mit tiefer Genugtuung.
In dem Sohn Peter, dem er bei einigen Besuchen in Amsterdam nähergekommen war und der sich der psychosomatischen Medizin verschrieben hatte, erwuchs Max Beckmann in der letzten Lebenszeit ein Gesprächspartner, mit dem er über den Sinn des Lebens und die "Letzten Dinge" reden konnte. Auch die Briefe an Minna werden am Ende immer vertraulicher und sind von Wehmut erfüllt. So endet sein letzter Brief an sie mit den Worten: "Hoffentlich kann ich bald mal zu Dir kommen. In the night in the deep de(e)ply night". Wenige Tage später, am 27. Dezember 1950, unmittelbar nach Vollendung seines "Argonauten-Triptychons", bricht Beckmann bei seinem täglichen Morgenspaziergang an einer Straßenecke am Central Park tot zusammen. KARIN VON MAUR
Klaus Gallwitz, Uwe M. Schneede und Stephan von Wiese unter Mitarbeit von Barbara Golz (Hrsg.): "Max Beckmann - Briefe". Band III: 1937-1950. Bearbeitet von Klaus Gallwitz unter Mitarbeit von Ursula Harter. Piper-Verlag, München und Zürich 1996. 580 S., 24 Abb., geb., 128,- DM.
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Post aus Amerika: Der dritte Band der Briefe Max Beckmanns
Mit dem vorliegenden dritten Band, der mehr als 350 Briefe aus den letzten Lebensjahren von 1937 bis 1950 umfaßt, ist die große Ausgabe sämtlicher Briefe von Max Beckmann abgeschlossen. Doch die 167 Briefe und Karten aus dem Amsterdamer Exil (im ersten Teil des Bandes) sind wortkarg und geben wenig Aufschluß über das bildnerische Denken oder die Genese der Werke, die Lebensumstände oder zeithistorischen Hintergründe, und wenn, dann höchstens in verschlüsselten Andeutungen. Dies hat seine Gründe, da der Künstler wegen der Zensur durch die nationalsozialistische Besatzung und später durch die Siegermächte mit privaten Äußerungen äußerst vorsichtig umging. Zudem war sein regelmäßiger Briefpartner der New Yorker Kunsthändler Curt Valentin, mit dem er überwiegend geschäftliche Angelegenheiten besprach.
Die Tonart, die Beckmann mit Valentin pflegte, ist ganz die eines Künstlers, dessen Selbstbewußtsein trotz Diffamierung und Exil ungebrochen ist und der seinem Galeristen mit einer Direktheit, die keine Widerrede duldet, seine Wünsche (etwa nach Malutensilien oder Zigaretten) diktiert, seine strategischen Überlegungen zu den Bilderverkäufen darlegt, seine Abrechnungen von Verkäufen kontrolliert und fehlende Beträge einfordert. Dieser Briefbestand läßt erkennen, daß Beckmann seit seiner Übersiedlung nach Amsterdam systematisch darauf hinarbeitet, sein Werk auf dem amerikanischen Kunstmarkt zu etablieren, um das Terrain für die ersehnte Ausreise in die Vereinigten Staaten vorzubereiten - ein Ziel, das er jedoch erst 1947 nach zähen Kämpfen in den Regierungsstellen erreichen sollte.
Deutschland jedenfalls und seine frühere Frau Minna Tube, mit der er stets in Briefkontakt blieb, hat er nicht wiedergesehen. Die im Sommer 1950 geplante Europa-Reise und ein Treffen mit Minna in Wiesbaden mußte er wegen der Korea-Krise aufgeben. Nur wenigen Freunden wie Stephan Lackner oder Günther Franke vertraute er sich näher an, allerdings fast immer in ironischen Anspielungen oder bildhaften Umschreibungen. In den letzten Kriegsjahren wächst seine Distanz zu den Zeitereignissen und einer als spukhaft-irreal empfundenen Umwelt. So schreibt er an seine mäzenatische Freundin aus Frankfurter Tagen, Lilly von Schnitzler, im August 1943: "Manches mal kommt einem alles nur wie ein unwirklicher Traum vor und das Erwachen ist zweifelhaft und fast unerwünscht. Entfernungen sind aufgehoben und der Raum scheint nicht mehr zu existieren. Das einzige was man tun kann so lange es angeht - man selbst zu bleiben, um einen anständigen Abgang aus diesem Bewußtseinsplan zu erzielen . . . Die Arbeit ist ein wichtiger Faktor zu einer anständigen Selbst-Hypnose und so wird sie denn auch von mir noch immer mit zäher Energie weiter entwickelt."
Der zweite Teil der Veröffentlichung mit über 180 Briefen aus den Vereinigten Staaten ist sowohl in dem erweiterten Kreis der Adressaten als auch in den persönlichen Mitteilungen wesentlich aufschlußreicher. Auch hier herrscht die für Beckmann charakteristische Diktion vor, bei der alltägliche Mitteilungen im Kürzelstil mit hochphilosophischen Ausführungen abrupt wechseln - eine Tendenz zur unverschnörkelten Reduktion mit spannungsreichen Bruchlinien, die auch seine Malerei kennzeichnet.
Bei seiner Ankunft in St. Louis, wo er eine Professur an der Kunstschule der Washington University übernahm, schlug ihm unvermutet eine Welle der Sympathie und Verehrung entgegen, die er nach den Jahren der Entbehrungen, Ängste und Anfeindungen in vollen Zügen genoß. Und dies um so mehr, als er gleichzeitig erleben mußte, "wie sehr das Ansehen dieses Landes in der Welt gesunken ist". Die Briefe lassen erkennen, wie stark sein Bedürfnis war, alles nachzuholen, was ihm gefehlt hatte, vor allem die Freizügigkeit des Reisens. In den drei Jahren, die ihm verblieben, erkundete er trotz seiner zahlreichen Lehrverpflichtungen den Kontinent von New York bis Kalifornien und New Orleans, angetrieben von einem lange aufgestauten Hunger nach neuen Eindrücken und dem Willen zur Erforschung des Landes, dessen Staatsbürger er werden wollte. Die zahlreichen Ausstellungen, Preisverleihungen und Ehrungen, die ihm nun auch aus Europa zuteil wurden, beflügelten seinen ohnehin schon hektischen Arbeitseifer, von dem seine Briefe künden. Der einzige Künstler, an dessen Ruhm und Können er sich immer wieder mißt, ist Picasso. Als das Museum of Modern Art sein neuerworbenes "Großes Stilleben mit schwarzer Plastik" neben Picasso und Léger aufhängt, vermerkt er dies in einem Brief an seine Frau mit tiefer Genugtuung.
In dem Sohn Peter, dem er bei einigen Besuchen in Amsterdam nähergekommen war und der sich der psychosomatischen Medizin verschrieben hatte, erwuchs Max Beckmann in der letzten Lebenszeit ein Gesprächspartner, mit dem er über den Sinn des Lebens und die "Letzten Dinge" reden konnte. Auch die Briefe an Minna werden am Ende immer vertraulicher und sind von Wehmut erfüllt. So endet sein letzter Brief an sie mit den Worten: "Hoffentlich kann ich bald mal zu Dir kommen. In the night in the deep de(e)ply night". Wenige Tage später, am 27. Dezember 1950, unmittelbar nach Vollendung seines "Argonauten-Triptychons", bricht Beckmann bei seinem täglichen Morgenspaziergang an einer Straßenecke am Central Park tot zusammen. KARIN VON MAUR
Klaus Gallwitz, Uwe M. Schneede und Stephan von Wiese unter Mitarbeit von Barbara Golz (Hrsg.): "Max Beckmann - Briefe". Band III: 1937-1950. Bearbeitet von Klaus Gallwitz unter Mitarbeit von Ursula Harter. Piper-Verlag, München und Zürich 1996. 580 S., 24 Abb., geb., 128,- DM.
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