Die französische Lyrik des 19. Jahrhunderts ist bekannt für einen späten Einsatz der Romantik sowie, mit Baudelaire, Rimbaud und Mallarmé, für eine qualitative Verdichtung von hohem Rang und weltweiter Geltung. Der Band 19. Jahrhundert Lyrik macht in beispielhaften Einzelstudien die Hauptströmungen sichtbar, die sich von der Romantik über den Lart pour lart und den Parnasse bis zum Symbolismus erstrecken. Zugleich profiliert er die Grundproblematiken lyrischen Sprechens im Jahrhundert der Entfaltung der bürgerlichen Ordnung: die Freisetzung des Subjekts bei zunehmender transzendentaler Obdachlosigkeit; den Gestus des Dichters zwischen Selbstüberhöhung und Weltzweifel; die Arbeit an der Sprache zwischen einer visionären Rhetorik und einer Kommunikation verweigernden Verrätselung bzw. Hermetik. In diesen Spannungen verbraucht sich auch das Daueranliegen einer Repräsentationslyrik bürgerlicher Inspiration wie die Hoffnung der politischen Dichtung auf eine neue gesellschaftliche Synthesis. Im Resultat dieser Erprobungen entsteht die sogenannte "Struktur der modernen Lyrik" (H. Friedrich), in der jedes Thema seine reflexive Begleitung mit sich führt und eine romantische Ausdrucksästhetik keinen Platz mehr hat.