Das moralische Urteil über den Nationalsozialismus als System des gigantischen Verbrechens steht fest. Die Selbstverständlichkeit dieser Distanznahme und das Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber den früheren Generationen lassen die Energien schwinden, in gründlichen Detailstudien verständlich zu machen, wie die geistigen Konstellationen in einzelnen Fachgebieten aussahen, in denen eine Neuorientierung vom demokratischen Pluralismus hin zur Führer-Diktatur vorbereitet wurde. Diese Vorbereitung erfolgte auf dem zur damaligen Zeit höchsten Reflexionsniveau. Von einer Primitivität der…mehr
Das moralische Urteil über den Nationalsozialismus als System des gigantischen Verbrechens steht fest. Die Selbstverständlichkeit dieser Distanznahme und das Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber den früheren Generationen lassen die Energien schwinden, in gründlichen Detailstudien verständlich zu machen, wie die geistigen Konstellationen in einzelnen Fachgebieten aussahen, in denen eine Neuorientierung vom demokratischen Pluralismus hin zur Führer-Diktatur vorbereitet wurde. Diese Vorbereitung erfolgte auf dem zur damaligen Zeit höchsten Reflexionsniveau. Von einer Primitivität der Diskurse kann demnach gar keine Rede sein. Wie Heiliger Geist und Zeitgeist sich in dem Bemühen, Orientierung zu gewinnen und zu vermitteln, verschränkten, demonstriert der Autor an Texten aus dem Fachgebiet der evangelischen Theologie: Von der Führervollmacht Jesu zu der Führervollmacht Adolf Hitlers.
Klaus-M. Kodalle war Professor für Praktische Philosophie an der Universität Jena. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zum Verhältnis von Politik und Religion (u.a. zu Hobbes, C. Schmitt, Bonhoeffer). Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Konstellation von Ausnahmezustand und Nonkonformität des Einzelnen. Wichtigster Anreger ist hier Kierkegaard (Publikation »Die Eroberung des Nutzlosen«, 1988). Seit dem weltgeschichtlichen Umbruch von 1989/90 wandte sich Kodalle der politisch wie moralisch außerordentlichen Erfahrungsdimension der Verzeihung zu. In mehreren Büchern untersuchte Kodalle die systematischen Dimensionen und historischen Ausprägungen von Idee und Begriff der Verzeihung (»Verzeihung denken«, 2013). Im politischen Kontext von Systemwechseln erkundete er die Möglichkeit einer Ethik der Verschonung. Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und Ehrendoktor der Universität Hamburg (Ev. Theologie).
Inhaltsangabe
Einleitung: 1933 - die Versuchung der Theologie
A. Paul Tillich: Auf der Grenze
B. Emanuel Hirsch: Nationalsozialistische Existenztheologie
C. Karl Heim: Der Wunsch nach Identifizierbarkeit des göttlichen Willens
D. Hans Michael Müller: Nachmetaphysische Theologie - nationalsozialistisch
E. Gerhard Kuhlmann: Aufhebung der Theologie
F. Erik Peterson: Der Kierkegaard-Impuls - Abschied vom Protestantismus
Nachwort: Andeutung einer theologischen Alternative
B. Emanuel Hirsch: Nationalsozialistische Existenztheologie
C. Karl Heim: Der Wunsch nach Identifizierbarkeit des göttlichen Willens
D. Hans Michael Müller: Nachmetaphysische Theologie - nationalsozialistisch
E. Gerhard Kuhlmann: Aufhebung der Theologie
F. Erik Peterson: Der Kierkegaard-Impuls - Abschied vom Protestantismus
Nachwort: Andeutung einer theologischen Alternative
Rezensionen
»Kodalles sehr gelehrte, beachtliche kleine Studie regt auf jeden Fall, auch interdisziplinär, sehr zum Nachdenken an.« Prof. Dr. Thomas Martin Schneider, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift, 2/2023
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