In seiner Monografie "1948. Der erste arabisch-israelische Krieg" beleuchtet Benny Morris die Hintergründe und Ereignisse, die zum Ende des Britischen Mandats in Palästina, zur Zersplitterung der arabisch-palästinensischen Gesellschaft und schließlich zur Geburt des Staates Israel führten. Im Fokus der Betrachtung steht dabei die unmittelbare Reaktion auf die Staatsgründung: der panarabische Angriffskrieg.Morris' akribische Auswertung der seit den 1980er Jahren zugänglichen israelischen und internationalen Archive ermöglicht einen klaren, dokumentarischen Blick auf die vielfach mythologisierte Geschichte des Krieges von 1948 und seine politischen wie militärischen Akteure. Gegen die mithin geschichtsvergessenen und ressentimentgeladenen Debatten um Israel und Palästina, um Zionismus und Vertreibung liefert dieses erstmals in deutscher Sprache erscheinende Buch somit die dringend benötigte historische Aufklärung.
"Eine beeindruckende, hervorragend dokumentierte und faire Studie über die Ereignisse, die im Gefolge des Holocaust einem Volk eine souveräne Heimat gaben und ein anderes enteigneten. [...] Was an Morris' Arbeit als Historiker so bemerkenswert ist: dass sie niemandes Vorurteilen schmeichelt, am wenigsten seinen eigenen." David Remnick, New Yorker "Morris erzählt die Geschichte seines neuen Buches nüchtern und düster, unparteiisch und erschöpfend. [...] Ein maßgeblicher und fairer Bericht über ein epochales und brisantes Ereignis. Er hat dieses Ereignis mit schonungsloser Genauigkeit rekonstruiert." David Margolick, New York Times Book Review "Morris' Bericht erscheint bewundernswert, weil er keine Angst hat, beide Lager zu verärgern. [...] Sein Engagement für die Suche nach der historischen Wahrheit verdient ebenso viel Bewunderung wie seine Bestürzung über die arabische Unnachgiebigkeit Sympathie hervorruft. [...] Morris' Buch ist keine bloße militärische Erzählung, sondern eine knackige, lebendige Einführung in die historische Tragödie Palästinas." Max Hastings, Sunday Times "Wenn es darum geht, die Geschichte zu interpretieren, die sie 1947-49 gemeinsam erlebt haben, folgen Araber und Israelis zwei radikal unterschiedlichen Narrativen. [...] Eine der vielen Errungenschaften dieses bewundernswerten Buches besteht darin, dass es den Lesern zu verstehen hilft, warum jedes Narrativ eine solche Autorität besitzt und warum sie so hartnäckig unversöhnlich bleiben." Andrew Bacevich, Boston Globe
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine wichtige Studie über die Anfänge des heutigen Nahostkonflikts ist dieses Buch Benny Morris' laut Rezensentin Jenny Hestermann. Das ursprünglich 2008 erschienene Werk zeichnet Morris, lernen wir, die Ursprünge des Konflikts nach, es geht um Spannungen zwischen Juden, die bereits seit dem 19. Jahrhundert vermehrt im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästinas siedelten, und Arabern, die erst im Widerstand gegen zionistische Bestrebungen eigene nationalistische Bewegungen etablierten. Die arabischen Eliten bekämpften, so Hestermann mit Morris, jeden Kompromiss, der auf jüdische Staatlichkeit hinauslaufen würde, außerdem weist der Autor auf antijüdische Pogrome bereits vor der israelischen Staatsgründung hin. Freilich gesteht der dem zionistischen Projekt insgesamt zugetane Morris ein, erfahren wir, dass es während des Bürgerkriegs 1947-48 von jüdischer Seite zu ethnischen Säuberungen kam. Insgesamt stellt Morris laut Hestermann den Konflikt als einen zwischen überlegener jüdisch-israelischer Planung und politisch schlecht organisierten, emotionalisierten Arabern dar. Komplett einverstanden ist die Rezensentin damit nicht, insgesamt jedoch hält sie das Buch für eine wichtige Darstellung der Hintergründe des aktuellen Konflikts.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2024Der Wendepunkt
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern erscheint gerade unlösbarer denn je. Angesichts dessen ist ein Buch über die Anfänge sehr wichtig.
Das Jahr 1948 war ein Wendepunkt in der langen Geschichte des arabisch-zionistischen Konflikts. Die unterschiedlichen Narrative über die jüdische Staatsgründung und die Flucht und Vertreibung der Palästinenser sind derzeit umstrittener denn je. Benny Morris war einer der ersten israelischen sogenannten Neuen Historiker, die in den 1980er- Jahren die Aufarbeitung der Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 als kritische Geschichtsschreibung begonnen haben. Er selbst hatte 1969 während seines Militärdienstes im Abnutzungskrieg zwischen Israel und Ägypten eine Verletzung erlitten, hielt Ende der 1980er-Jahre die erste Intifada für einen legitimen Kampf gegen die Besatzung und ging für seine Verweigerung zu dienen sogar kurzzeitig ins Gefängnis.
Nach dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses in den 1990er-Jahren und der Zweiten Intifada hat Morris 2008 ein neues Buch vorgelegt, das nun erstmals ins Deutsche übersetzt wurde. Diesem liegt unverkennbar ein historisch-zionistisches Motiv zugrunde, verstanden als die Anerkennung des Anspruchs des jüdischen Volkes auf seinen eigenen Staat.
Auf knapp 600 Seiten analysiert Morris zunächst die Vorgeschichte des Konflikts um den Landstreifen in der Levante seit dem späten 19. Jahrhundert und die Rolle der britischen Mandatsherren bis 1948. In sechs Kapiteln untersucht er den Bürgerkrieg im Mandatsgebiet Palästina (November 1947 - Mai 1948) und den Zeitraum nach der arabischen Invasion ab dem 15. Mai 1948 mit allen Militäroperationen und Waffenstillständen.
So sieht er den Krieg von 1948 als fast unvermeidliches Resultat von über einem halben Jahrhundert arabisch-jüdischer Zusammenstöße und Konflikte. Seit dem späten 19. Jahrhundert hatten die Juden Europas ihr angestammtes Land wieder besiedelt - und damit gleichzeitig den arabischen Einwohnern weggenommen, wie Morris die Einsicht von Ministerpräsident David Ben Gurion paraphrasiert.
Die Idee einer eigenständigen palästinensischen Nation formte sich erst als Idee zur Abgrenzung von der Idee jüdischer Eigenstaatlichkeit. Der palästinensisch-arabische Nationalismus sei so vor allem von muslimisch-religiöser Rhetorik und Angst vor dem Zionismus getrieben, während bis 1948 die Loyalitäten entlang von Familien-, Clan- und Regionalgrenzen verlaufen seien. Ein Großteil des Landes im osmanischen Palästina sowie im britischen Mandatsgebiet wurde freiwillig an die jüdischen Einwanderer verkauft, nicht zwangsenteignet. Auch hätten die zionistischen Führer immer wieder versucht, Kompromisse zur Landaufteilung zu finden - was unmöglich blieb wegen der "alles oder nichts" Haltung der arabischen Elite. Über einen Zeitraum von etwa fünf Jahrzehnten baute sich der Jischuv dennoch unbeirrbar Infrastruktur auf - ein Gesundheitssystem, Gewerkschaften, Universitäten, international agierende Institutionen.
Auch den Teilungsplan der britischen Peel-Kommission 1937, demzufolge die Juden 20 Prozent und die Araber mehr als 70 Prozent bekommen sollten, während weniger als zehn Prozent bei den Briten verbleiben sollten, lehnte die palästinensische Führung ab. Sie forderte, "ganz Palästina müsse ihnen gehören". Von da an gab auch Großbritannien seine Vermittlungsversuche auf und überließ das Problem nach dem Zweiten Weltkrieg den Vereinten Nationen. Im Schatten des Holocaust unterstützte die internationale Öffentlichkeit weitgehend einen jüdischen Staat. Zudem organisierte effiziente jüdisch-zionistische Lobbyarbeit Waffen und Finanzmittel in aller Welt, vorrangig in den USA. Mit Ausnahme Jordaniens versäumten es hingegen die arabischen Staaten, Vorräte an Waffen, Munition und Ersatzteilen anzulegen und waren im Mai 1948 von der Schlagkraft der jüdischen Armee überrascht.
Auch der Idee einer panarabischen Einheit widerspricht Morris: Der Arabische Nahe Osten war nach dem Krieg in zwei antagonistische Blöcke geteilt: Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien versus Jordanien und Irak. Statt Kooperation herrschten Inkompetenz, Armut und Misstrauen. Jordanien wollte den jüdischen Staat akzeptieren, sich aber die Westbank und Ostjerusalem sichern.
Der unmittelbare Auslöser für den Krieg war der Teilungsplan der UN-Generalversammlung vom November 1947. Die zionistische Bewegung akzeptierte den Vorschlag, obwohl das historische Kernland des jüdischen Volkes fehlte (das judäische Bergland, also das heutige Westjordanland). Die arabische Welt lehnte wie 1937 ab und prangerte die Methoden der Zionisten an, die mit "Versprechungen, Drohungen und Täuschungen" die Zweidrittelmehrheit in der UN-Abstimmung 1947 erreicht hätten.
Bereits während des folgenden Bürgerkrieges 1947/1948 wurden 75.000 bis 100.000 Araber vertrieben, mehrere Tausend kamen ums Leben. Ein Großteil sei aber auch von ihren Führern zur Flucht ermutigt worden, um nicht unter jüdischer Herrschaft zu leben. Morris widerspricht damit einem oft postulierten zionistischen Masterplan einer Vertreibung aller Araber. Er sieht eher eine kumulative Entwicklung, wo Entscheidungen über einzelne Dörfer getroffen wurden. Er verschweigt allerdings auch nicht, dass es tatsächlich ethnische Säuberungsaktionen gab, die genau so genannt wurden (Mivza Nikajon). So hatte Ben Gurion der Armee den Auftrag gegeben, für eine möglichst schnelle ethnische Reinigung (Tihur) der eroberten Gebiete zu sorgen. Kibbuzim im Süden und Norden wurden als Grenzsicherung gebaut.
Ausschlaggebend für den Ausgang des 1948-er Krieges war laut Morris, dass die arabische Seite demoralisiert und unorganisiert war, während eine hochmotivierte jüdische Armee um Leben und Tod kämpfte. Überbordende Wut und Emotionen in den arabischen Gesellschaften über das zionistische Projekt brachten die Staatsoberhäupter erst zum Kriegseintritt, obwohl sie keine funktionsfähigen Armeen hatten. Wenig kriegswillige arabische Regierungen kapitulierten so vor dem Druck ihrer jeweiligen "Straße".
Auch die Geschichte der Vertreibung der alteingesessenen jüdischen Gemeinden in Nordafrika und dem Nahen Osten infolge der jüdischen Eigenstaatlichkeit findet Erwähnung, darunter das Farhud-Massaker an den irakischen Juden (1941), die in der Geschichtsschreibung um 1948 leider oft unterschlagen werden.
Morris gelingen immer wieder die Perspektivwechsel von sehr detaillierter Beschreibung der militärischen Vorgänge zur Rolle und dem Engagement internationaler Akteure. Seine Grundthese ist dabei allerdings bisweilen die Vorstellung einer rationalen Überlegenheit der jüdisch-zionistischen Seite gegenüber allzu emotionalen Arabern.
Dennoch ist Morris' Buch ein Standardwerk für die tatsächlichen Geschehnisse um das von beiden Seiten mit starker Emotionalität belegte Jahr 1947/1948. Es hat seit seiner Ersterscheinung nicht an Forschungsstand und Aktualität eingebüßt. JENNY HESTERMANN
Benny Morris: 1948. Der erste arabisch- israelische Krieg.
Hentrich & Hentrich Verlag, Leipzig 2023. 646 S., 32,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern erscheint gerade unlösbarer denn je. Angesichts dessen ist ein Buch über die Anfänge sehr wichtig.
Das Jahr 1948 war ein Wendepunkt in der langen Geschichte des arabisch-zionistischen Konflikts. Die unterschiedlichen Narrative über die jüdische Staatsgründung und die Flucht und Vertreibung der Palästinenser sind derzeit umstrittener denn je. Benny Morris war einer der ersten israelischen sogenannten Neuen Historiker, die in den 1980er- Jahren die Aufarbeitung der Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 als kritische Geschichtsschreibung begonnen haben. Er selbst hatte 1969 während seines Militärdienstes im Abnutzungskrieg zwischen Israel und Ägypten eine Verletzung erlitten, hielt Ende der 1980er-Jahre die erste Intifada für einen legitimen Kampf gegen die Besatzung und ging für seine Verweigerung zu dienen sogar kurzzeitig ins Gefängnis.
Nach dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses in den 1990er-Jahren und der Zweiten Intifada hat Morris 2008 ein neues Buch vorgelegt, das nun erstmals ins Deutsche übersetzt wurde. Diesem liegt unverkennbar ein historisch-zionistisches Motiv zugrunde, verstanden als die Anerkennung des Anspruchs des jüdischen Volkes auf seinen eigenen Staat.
Auf knapp 600 Seiten analysiert Morris zunächst die Vorgeschichte des Konflikts um den Landstreifen in der Levante seit dem späten 19. Jahrhundert und die Rolle der britischen Mandatsherren bis 1948. In sechs Kapiteln untersucht er den Bürgerkrieg im Mandatsgebiet Palästina (November 1947 - Mai 1948) und den Zeitraum nach der arabischen Invasion ab dem 15. Mai 1948 mit allen Militäroperationen und Waffenstillständen.
So sieht er den Krieg von 1948 als fast unvermeidliches Resultat von über einem halben Jahrhundert arabisch-jüdischer Zusammenstöße und Konflikte. Seit dem späten 19. Jahrhundert hatten die Juden Europas ihr angestammtes Land wieder besiedelt - und damit gleichzeitig den arabischen Einwohnern weggenommen, wie Morris die Einsicht von Ministerpräsident David Ben Gurion paraphrasiert.
Die Idee einer eigenständigen palästinensischen Nation formte sich erst als Idee zur Abgrenzung von der Idee jüdischer Eigenstaatlichkeit. Der palästinensisch-arabische Nationalismus sei so vor allem von muslimisch-religiöser Rhetorik und Angst vor dem Zionismus getrieben, während bis 1948 die Loyalitäten entlang von Familien-, Clan- und Regionalgrenzen verlaufen seien. Ein Großteil des Landes im osmanischen Palästina sowie im britischen Mandatsgebiet wurde freiwillig an die jüdischen Einwanderer verkauft, nicht zwangsenteignet. Auch hätten die zionistischen Führer immer wieder versucht, Kompromisse zur Landaufteilung zu finden - was unmöglich blieb wegen der "alles oder nichts" Haltung der arabischen Elite. Über einen Zeitraum von etwa fünf Jahrzehnten baute sich der Jischuv dennoch unbeirrbar Infrastruktur auf - ein Gesundheitssystem, Gewerkschaften, Universitäten, international agierende Institutionen.
Auch den Teilungsplan der britischen Peel-Kommission 1937, demzufolge die Juden 20 Prozent und die Araber mehr als 70 Prozent bekommen sollten, während weniger als zehn Prozent bei den Briten verbleiben sollten, lehnte die palästinensische Führung ab. Sie forderte, "ganz Palästina müsse ihnen gehören". Von da an gab auch Großbritannien seine Vermittlungsversuche auf und überließ das Problem nach dem Zweiten Weltkrieg den Vereinten Nationen. Im Schatten des Holocaust unterstützte die internationale Öffentlichkeit weitgehend einen jüdischen Staat. Zudem organisierte effiziente jüdisch-zionistische Lobbyarbeit Waffen und Finanzmittel in aller Welt, vorrangig in den USA. Mit Ausnahme Jordaniens versäumten es hingegen die arabischen Staaten, Vorräte an Waffen, Munition und Ersatzteilen anzulegen und waren im Mai 1948 von der Schlagkraft der jüdischen Armee überrascht.
Auch der Idee einer panarabischen Einheit widerspricht Morris: Der Arabische Nahe Osten war nach dem Krieg in zwei antagonistische Blöcke geteilt: Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien versus Jordanien und Irak. Statt Kooperation herrschten Inkompetenz, Armut und Misstrauen. Jordanien wollte den jüdischen Staat akzeptieren, sich aber die Westbank und Ostjerusalem sichern.
Der unmittelbare Auslöser für den Krieg war der Teilungsplan der UN-Generalversammlung vom November 1947. Die zionistische Bewegung akzeptierte den Vorschlag, obwohl das historische Kernland des jüdischen Volkes fehlte (das judäische Bergland, also das heutige Westjordanland). Die arabische Welt lehnte wie 1937 ab und prangerte die Methoden der Zionisten an, die mit "Versprechungen, Drohungen und Täuschungen" die Zweidrittelmehrheit in der UN-Abstimmung 1947 erreicht hätten.
Bereits während des folgenden Bürgerkrieges 1947/1948 wurden 75.000 bis 100.000 Araber vertrieben, mehrere Tausend kamen ums Leben. Ein Großteil sei aber auch von ihren Führern zur Flucht ermutigt worden, um nicht unter jüdischer Herrschaft zu leben. Morris widerspricht damit einem oft postulierten zionistischen Masterplan einer Vertreibung aller Araber. Er sieht eher eine kumulative Entwicklung, wo Entscheidungen über einzelne Dörfer getroffen wurden. Er verschweigt allerdings auch nicht, dass es tatsächlich ethnische Säuberungsaktionen gab, die genau so genannt wurden (Mivza Nikajon). So hatte Ben Gurion der Armee den Auftrag gegeben, für eine möglichst schnelle ethnische Reinigung (Tihur) der eroberten Gebiete zu sorgen. Kibbuzim im Süden und Norden wurden als Grenzsicherung gebaut.
Ausschlaggebend für den Ausgang des 1948-er Krieges war laut Morris, dass die arabische Seite demoralisiert und unorganisiert war, während eine hochmotivierte jüdische Armee um Leben und Tod kämpfte. Überbordende Wut und Emotionen in den arabischen Gesellschaften über das zionistische Projekt brachten die Staatsoberhäupter erst zum Kriegseintritt, obwohl sie keine funktionsfähigen Armeen hatten. Wenig kriegswillige arabische Regierungen kapitulierten so vor dem Druck ihrer jeweiligen "Straße".
Auch die Geschichte der Vertreibung der alteingesessenen jüdischen Gemeinden in Nordafrika und dem Nahen Osten infolge der jüdischen Eigenstaatlichkeit findet Erwähnung, darunter das Farhud-Massaker an den irakischen Juden (1941), die in der Geschichtsschreibung um 1948 leider oft unterschlagen werden.
Morris gelingen immer wieder die Perspektivwechsel von sehr detaillierter Beschreibung der militärischen Vorgänge zur Rolle und dem Engagement internationaler Akteure. Seine Grundthese ist dabei allerdings bisweilen die Vorstellung einer rationalen Überlegenheit der jüdisch-zionistischen Seite gegenüber allzu emotionalen Arabern.
Dennoch ist Morris' Buch ein Standardwerk für die tatsächlichen Geschehnisse um das von beiden Seiten mit starker Emotionalität belegte Jahr 1947/1948. Es hat seit seiner Ersterscheinung nicht an Forschungsstand und Aktualität eingebüßt. JENNY HESTERMANN
Benny Morris: 1948. Der erste arabisch- israelische Krieg.
Hentrich & Hentrich Verlag, Leipzig 2023. 646 S., 32,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main