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Der Fotograf Daniel Biskup hat die aufregende Zeit der friedlichen Revolution in Ostdeutschland mit seiner Kamera aktiv begleitet.
Der Bildband zeigt ebenso Szenen aus dem damaligen Alltag wie historisch einmalige Situationen. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl schrieb den Begleittext zu diesem wunderbaren "Bilderbuch". Ein eindrucksvolles Dokument, das viele Erinnerungen weckt ...

Produktbeschreibung
Der Fotograf Daniel Biskup hat die aufregende Zeit der friedlichen Revolution in Ostdeutschland mit seiner Kamera aktiv begleitet.

Der Bildband zeigt ebenso Szenen aus dem damaligen Alltag wie historisch einmalige Situationen. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl schrieb den Begleittext zu diesem wunderbaren "Bilderbuch". Ein eindrucksvolles Dokument, das viele Erinnerungen weckt ...
Autorenporträt
Für den Starfotografen Daniel Biskup, Jg. 962, traten sie alle vor das Objektiv seiner Nikon: Bill Gates, der Dalai Lama, die deutschen Bundeskanzler von Helmut Schmidt über Helmut Kohl, Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel, Michail Gorbatschow, Silvio Berlusconi, Claudia Schiffer, Thomas Gottschalk, Stefan Raab, Dieter Bohlen, Karl Lagerfeld, Wladimir Putin. Nicht zu vergessen Papst Benedikt XVI. Und in seinen Reportagezyklen scheint Biskups Auge für den besonderen Augenblick im Alltag und im Alltäglichen durch. Ausstellungen seiner Bilder, von denen er nicht nur die Negative, sondern auch Abzüge archiviert, waren in St. Petersburg, Nowosibirsk, Wolgograd, Tomsk, Krasnodar, in Berlin, Hamburg, Augsburg und Chemnitz zu sehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Der nachgeschenkte Wein
Wo der geköpfte Karl Marx durch den Mund von Hagen von Tronje spricht: Wolfgang Büscher hat Deutschlands Grenzen umwandert und darüber ein Märchenbuch geschrieben
Von Gustav Seibt
Am Anfang durchquert er den Rhein. Es ist abends, es ist kalt, die Sonne sinkt. Wolfgang Büscher taucht am westlichen Ufer ein und schwimmt in eisigen Fluten auf einen Fabrikschlot auf der anderen Seite zu, auf dem „Oelmühle Germania” zu lesen ist. Von Holland her wirft die Abendsonne ihr rötliches Licht auf den breiten Strom: „Ich trieb in purem Gold.”
So wagnerianisch-siegfriedhaft beginnt ein hochpathetisches Unternehmen, mit dem dieser als Fahrensmann erprobte Schriftsteller ein denkbar hohes Risiko eingeht. Büschers Bericht von einer „Reise zu Fuß”, die ihn von Berlin nach Moskau führte, wurde 2003 zu einem großen und verdienten Erfolg. Die Verbindung von Abenteuererzählung im Eichendorff-Ton mit historischer Reflexion über die osteuropäischen Kriegsschauplätze reaktivierte die verschollene Wahrnehmungsform des „Deutschen in der Landschaft”: Dieser erfährt Natur und Geschichte, die lebenden Menschen und ihre vielfältigen Vergangenheiten am eigenen Leibe, mit allen nachdenklichen Sinnen.
So wurde Büschers Buch eine ganz individuelle Friedensfeier, trug er doch den nicht zuletzt von Deutschen geschundenen Landschaften eine der edelsten Erbschaften unserer Literatur an, die poetisch-selbstvergessene Versenkung des Wanderers in die schöne, schwermütige Fremde. Ja, das war auch kitschig, sätzeweise übersüß; aber das Bisschen Kitsch verbürgte eben auch, dass hier nicht einfach Kunstprosa abgeliefert wurde. Romantik ist uncool, sonst bleibt sie ein toter Manierismus.
Büscher hat nun ein ähnliches Verfahren auf das eigene Vaterland angewandt. Er ist, beginnend am Niederrhein und dem Uhrzeigersinn folgend, den heutigen deutschen Grenzen entlanggereist, über die Nordsee, Schleswig, die Ostseeküste, Oder und Neiße folgend, dann an den böhmischen Grenzgebirgen und den Alpen über den Bodensee zurück zum Rhein und zum Ausgangspunkt. Nicht alles hat er zu Fuß bewältigt; aber nie ist er mit dem Privatauto gefahren, sondern nur mit Bussen und Zügen, in kollektiven Verkehrsmitteln.
Seine Reise beginnt im kühlen Herbst und endet am Weihnachtstag. Seine Unterkünfte sind jene meist kleinstädtischen Wirtshäuser und Hotels, in denen sich heutzutage so etwas wie Volksgeist viel eher hält als in den gehobenen internationalen Hotelketten. Seine Methode ist wieder der Einsatz von Körper und Erfahrungsbereitschaft, nicht nur dem Wetter gegenüber, sondern vor allem den Leuten und ihren Geschichten. Es ist nicht nur Literatur, wenn man bei diesem Autor einen Wandervogelton vernimmt, der längst ausgestorben schien.
Genauer muss man sogar feststellen, dass das literarisch Beste seines Textes wohl aus einer gewissen verschütteten Jugendliteratur stammen mag: Das Bad im goldenen Rhein ist ja nicht originales Nibelungenlied, sondern eher Nibelungenbearbeitung für die Jugend; in Chemnitz fällt Büscher genau so etwas ein, wenn er den großen bronzenen Karl-Marx-Kopf betrachtet: „Marx hatte die Mundpartie und den rauschenden Bart eines Nibelungenhelden, Hagen von Tronje vielleicht und die Feldherrnaugen Dschingis Khans. Der mächtige Kopf auf seinem mächtigen Sockel wirkte abgeschnitten. Geköpft. Als habe er nie auf einem Körper gesessen.”
Das ist glänzend, sogar allegorisch; aber man bemerkt auch gleich, wie himmelweit dieser Reisende von nüchterner Beschreibung entfernt ist. Er verwandelt Deutschland in eine figurenreiche, grausame, schöne, innige Zauberwelt, in ein Märchenreich. Ja, der Kitschanteil ist noch einmal gestiegen, aber nicht ohne tieferen Sinn. Das deutsche Volksmärchen bewahrt von keinem historischen Ereignis so viele Spuren wie vom Dreißigjährigen Krieg. Büscher schreibt das Märchen von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
Irgendjemand hat die Bundesrepublik und die DDR einmal unter den Stichworten „ironisch” und „tragisch” gegenübergestellt. Bei Büscher ist ganz Deutschland tragisch, gerade da, wo es am blankesten wiederaufgebaut wurde, trägt es die Narben der Zerstörung. In Chemnitz sagt er, worüber das ganze Buch reflektiert: „In dessen Mitte schlug gar kein Herz. Chemnitz hatte es verloren zur üblichen Zeit auf die übliche Art und sich lange nichts daraus gemacht.” Zuvor, in Görlitz, dem unzerstörten, waren ihm die Augen übergegangen: „Wie schön das Land gewesen sein muss. Was wir verloren haben. Ich lief durch eine unfassbar heile Stadt.” Und dann setzt er nach: „Großen Zerstörern gefällt es mitunter, ein Exemplar zu schonen und perfekt zu erhalten, wo alles in Asche sinkt: Seht es euch an, scheinen sie der Nachwelt zuzurufen, so groß war meine Macht. Ich besaß Gewalt über die Schönheit der Welt, ich konnte mit ihr tun und lassen, was ich wollte.” Büscher trauert um das alte Deutschland, er jubiliert, wo er es noch findet: in den Backsteinkirchen Wismars, in den Dörfern des Bayerischen Waldes, im katholischen Passau, am Bodensee. Vor allem findet er es in den Erzählungen der Menschen. Wie in „Berlin-Moskau” ist das zentrale Motiv der Frieden, das Überleben. „Nie wieder Krieg” - bei Entronnenen des Russensturms an der Oder ist das keine Phrase, auch nicht bei den Vertriebenen an der tschechischen Grenze oder bei den Allgäuern, die sagen: Die gute alte Zeit hat es früher nicht gegeben, die war gerade und geht schon wieder zuende.
Der Einwand, den dieses schmale, an Eindrücken, Geschichten, Gedanken so reiche Buch auf sich zieht, wird lauten: Dieses Deutschlandbild ist Teil des wachsenden Viktimismus, einer Verheultheit, die Deutschland als Opfer versteht, versehrt von Luftkrieg und Vertreibungen. Das liegt daran, dass Büscher den heutigen Grenzen folgt. Sie sind ein Resultat unserer selbstverschuldeten Niederlage. Es gäbe andere Reiserouten, die das kämpfende und tötende Deutschland zeigen würden, an der Maas, in Verdun oder tief in Polen, und niemand könnte diese Landstriche mit mehr Verstand und Gefühl durchstreifen als Büscher.
Aber sein Buch ist trotzdem nicht viktimistisch. Der Abschnitt über Flossenbürg zeigt ein denkbar unschematisches Grauen vor unseren Verbrechen. Knapp beschreibt Büscher das Konzentrationslager als Ort der absoluten Freiheit: nämlich für die Folterer. Wie er das macht, ist ganz neu und formelfrei, und so darf er im Satz über Chemnitz einfach weglassen, was in jeder Politikerrede sowieso gesagt wird. Bei aller jungenhaften Abenteuerlust steckt in diesem Text nämlich auch ein reiches und vielfältiges Wissen. Es tritt zu seiner Freude an individuellen Geschichten hinzu und macht diese hintergründig.
Wildfremd ist Deutschland! Wer es nicht ahnt, erfährt es hier. Der Böhmerwald hat noch eine Stiftersche Anmutung; in Altötting reden die Frauen laut mit der Madonna; am Bodensee wird Büscher von Unbekannten zu Apfelkuchen eingeladen, weil er am Wegrand sichtbar hungrig Lebensmittel verschlingt, die er zuvor einer Frauentanzgruppe in einem Schloss gestohlen hatte; bei Ramstein nimmt ihn ein gefasst melancholischer amerikanischer Soldat von tiefschwarzer Hautfarbe mit, der vor seinem Abflug in den Irak noch einmal schweigend über Land fahren wollte; die Bayern werden sehr treffend als geschmeidiges und erotisch hochaktives Völkchen beschrieben.
Im Ardennerwald ist der Reisende der letzte Gast eines einsamen Wirtshauses, in dem vor Jahrzehnten die Überlebenden der letzten Offensive des Zweiten Weltkriegs die Schlachtpläne immer wieder nachspielten. Die Wirtin, steinalt, macht eine gute Flasche auf, weil der Vorrat eh aufgebraucht werden muss, denn das Lokal wird aufgegeben. „Die Wirtin schenkte nach. Ihr Wein war gut. Und es war, als ob das Land nachschenkte, um das ich jetzt beinahe herum war, als ob es bei mir säße und mich festhielte und noch aufbleiben wollte ...”. Ein besonnenerer Autor hätte diesen Satz unbedingt weggelassen, diesem kann man ihn nicht übel nehmen.
Wolfgang Büscher
Deutschland, eine Reise
Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2005. 250 Seiten, 17,90 Euro.
Der Blick auf das offene Meer: Seit jeher ist ihm ein Sehnen nach einem freieren Ort eingeschrieben, der einem Versprechen gleich hinter dem Horizont auf den Betrachter wartet. Einen Assoziationsraum in Blau schuf Daniel Biskup, als er im Januar 1990 den nördlichsten Punkt der DDR, Gellort, fotografierte. Nachtgedanken. Das Schild, es versperrt den Ausblick, und noch immer markiert es die Grenze eines Staates, der seine Bewohner eingemauert hatte. Biskup durchstreifte in den Wendejahren Ostdeutschland, entstanden sind realitätsgesättigte Fotos, die - so Altkanzler Helmut Kohl in seinem Vorwort - den „Geist der Freiheit” atmen. Der Band „1989/1990. Fotografische Impressionen auf dem Weg zur Deutschen Einheit” versammelt nun Biskups Aufnahmen (Verlag Markus Böhm, Leipzig 2005. 144 Seiten, 29,80 Euro).
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