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Kaum ein Jahrhundert hat das Leben der Frauen so nachhaltig und schnell verändert. Frauen waren in der Geschichte nie nur passive Zuschauerinnen, doch im 20. Jahrhundert rücken sie in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr und mehr in den Vordergrund.
Dieser abschließende Band der Geschichte der Frauen zeigt, welche unterschiedlichen Lebensformen die Frauen in Europa in diesem Jahrhundert für sich erschlossen haben und in welchen Auseinan- dersetzungen dies erkämpft wurde.
"Wer sich für Frauengeschichte interessiert, wird an der Lektüre der Bände kaum vorbeikommen ..." -- Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt
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Produktbeschreibung
Kaum ein Jahrhundert hat das Leben der Frauen so nachhaltig und schnell verändert. Frauen waren in der Geschichte nie nur passive Zuschauerinnen, doch im 20. Jahrhundert rücken sie in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr und mehr in den Vordergrund.

Dieser abschließende Band der Geschichte der Frauen zeigt, welche unterschiedlichen Lebensformen die Frauen in Europa in diesem Jahrhundert für sich erschlossen haben und in welchen Auseinan- dersetzungen dies erkämpft wurde.

"Wer sich für Frauengeschichte interessiert, wird an der Lektüre der Bände kaum vorbeikommen ..."
-- Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.1995

Zwischen Mief und Stärke
Weiblichkeit in Nation und Wohlfahrtsstaat: Die "Geschichte der Frauen" erreicht das 20. Jahrhundert

Als Simone de Beauvoir 1949 in der Einleitung zum "Deuxième Sexe" feststellte: "Ich habe lange gezögert, ein Buch über die Frau zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen", herrschte gewissermaßen die Kaltwetterfront der Frauenfrage. Viola Klein erging es mit ihrer Studie "The Feminine Character" 1946 nicht viel anders. Das Thema schien ein so unerfreuliches Terrain zu sein, daß die Frauen es gar nicht erst betreten sollten. Dies blieb bis in die späten sechziger Jahre die trostlose Regel. Seitdem hat sich ein internationales Projekt herausgebildet, das, weitverzweigt und heterogen, geprägt von nationalen Theorietraditionen und Wissenschaftsstilen, einen Perspektivenwechsel in der Historiographie eingeleitet hat. Das Unternehmen der fünfbändigen Geschichte der Frauen, herausgegeben von den französischen Historikern Georges Duby und Michelle Perrot und überwiegend von französischen Wissenschaftlerinnen geschrieben, markiert als Sammelwerk mit dem Anspruch auf Synthese einen neuen Schritt.

Der in der italienischen Originalausgabe von Françoise Thébaud herausgegebene und für die deutsche Ausgabe von Gisela Bock betreute fünfte Band ist ausschließlich dem 20. Jahrhundert gewidmet. Dieses Jahrhundert, das hier mit dem Ersten Weltkrieg anbricht, wird mit der "Nationalisierung der Frauen" eröffnet. Im Unterschied zum Band über das 19. Jahrhundert, in dem die Bedeutung des Nationalstaats für die Geschlechterordnung nicht Thema wird, erscheinen die Frauen im 20. Jahrhundert im eisernen Griff staatlicher Politik zwischen Kriegen und Diktaturen, Armut und Wohlfahrtsstaat.

Nach Françoise Thébaud brachte der Erste Weltkrieg den Frauen eine zuvor nicht gekannte Freiheit vor allem durch die Anerkennung der Frauenarbeit. Die Frauen hielten als Fabrikarbeiterinnen, Granatenproduzentinnen und Sozialarbeiterinnen die Heimatfront aufrecht. Die Veränderungen waren freilich vorübergehender Art, der Krieg blockierte eher die Emanzipation. Die Beiträge von Nancy F. Cott über den amerikanischen Stil der zwanziger Jahre und von Anne-Marie Sohn über die weiblichen Rollen in Frankreich und Großbritannien der Zwischenkriegszeit erzählen von der Komplexität, zu der sich die Beziehungen zwischen objektiven Strukturen, kulturellen Deutungen und sozialen Normen, zwischen weiblichen Handlungsstrategien und Selbstwahrnehmungen verdichteten.

In den Vereinigten Staaten traten die Wissenschaften als Oberaufpasser der Frauen ziemlich rigoros auf den Plan und machten selbst den Abwasch zum Feld ihrer Rationalisierungsvorstellungen. Von der neuen Kameradschaftsehe bis zur Haushaltsführung sollte die Berechenbarkeit auch im Privaten ihren Einzug halten. In Frankreich und in Großbritannien durchdrangen sich Moderne und Modernisierung, kulturelle Stile und soziale Prozesse nicht weniger. Neben die provozierenden Figuren der "garçonne" und der "flapper", die Klischees der wilden Jahre von unabhängigen ledigen Frauen, die bisweilen auch das eigene Geschlecht begehrten, traten Mütter und Ehefrauen, die den Alltag der Familie aufrechterhielten.

Die weiteren Beiträge beschäftigen sich mit den politischen Systemen in Italien, Deutschland, Spanien, Vichy-Frankreich und der Sowjetunion. Die Nationalisierung der Frauen erhielt eine bevölkerungs-und geburtenpolitische Dimension, die in vielerlei Hinsicht einen Bruch im Politischen sowie eine Verschiebung der Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen bedeutete. Aufschlußreich ist hier die Frauenpolitik des italienischen Faschismus, die Victoria de Grazia zum Thema macht, im Vergleich mit der des Nationalsozialismus (Gisela Bock).

Die Herausgeber des fünften Bandes stellen die Ambivalenz des historischen und sozialen Wandels in den Vordergrund. Das zwanzigste Jahrhundert kodifiziert auf eine neue Weise die Zugehörigkeitsformen von Frauen. Als Staatsbürgerinnen und Mütter, als Berufstätige und als politisch Handelnde erhalten sie Zugang zu Rechten und Ressourcen, doch ein Abbau der Ungleichheit ist damit nicht unbedingt verbunden. Luisa Paserini zeigt das am Beispiel der Massenkultur. Die Verflechtung von kulturellen Modellen und Konsum hat einen eigenen Kontinent der "Kultur der Schönheit" und eine Identität der Frauen als Konsumentinnen geschaffen. Dabei zeigt sich nach Françoise Collin in der Moderne ein Dilemma, wonach die Frau selbst in ihrer Befreiung noch den Ansprüchen der Männlichkeit verpflichtet bleibt.

Als Synthese für das 20. Jahrhundert ist dieser Band zugleich ein Indikator für den Stand und die Forschungssituation der Frauengeschichte, wie die gelungenen Beiträge über den Wohlfahrtsstaat gerade ihren komparativen Aspekten zeigen. Eine vermeidbare Schwäche liegt freilich darin, daß den Frauenbewegungen des Jahrhundertbeginns kein eigener Beitrag gewidmet wurde. Die Frage etwa, ob der Erste Weltkrieg Bremse oder Motor war, hätte ergiebiger behandelt werden können.

Zudem hat Natalie Z. Davis früh darauf hingewiesen, daß die historische Forschung über die Geschlechter dazu beitragen könnte, einige der zentralen Themen der Historiker, wie etwa Macht oder Sozialstruktur, zu überdenken. Die Lokalisierung der Macht, so Davis, macht die Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu einem weitaus verzwickteren Geschäft, als es die vertrauten Beschäftigungen mit Regierungen oder Diplomatie ahnen lassen. Die Frauenbewegungen in Europa und Nordamerika, und deren inzwischen breit entwickelte Forschung, bieten sich für diese Fragen geradezu an. Zwischen Mief und Stärke, im Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert, entwickelten die Frauenbewegungen unvorhersehbare Formen des politischen Handelns und standen dem Fortschrittsversprechen skeptisch gegenüber.

Die fünf Bände der Geschichte der Frauen setzen ein Forschungsprogramm um, in dem die historische Kontextualisierung der Geschlechterverhältnisse und ihre kulturelle Ordnung den gemeinsamen Bezugsrahmen bilden. Der Anspruch auf Synthese ist sicherlich nicht in allen Fällen geglückt und gekonnt umgesetzt worden. Dazu kommen Defizite, die ins Gewicht fallen, so das Fehlen der Reformation im Band über die Frühe Neuzeit oder der Mangel an Übersichten zu Schwangerschaft, Geburt, Abtreibung, Lebenserwartung und Eheschließung in langfristiger historischer Sicht.

Mit ihrer Konzeption dieses Sammelwerkes haben sich die Herausgeber erfreulicherweise dagegen entschieden, uns über einen Zeitraum von zweitausend Jahren mit der dauernden Wiederkehr des Immergleichen der Geschichte von Frauen zu konfrontieren. Festzuhalten bleibt freilich, daß die longue durée der Frauengeschichte - die prosaische Praxis der Versorgung und der Aufzucht, die so oft gewissermaßen ohne Spur verschwindet - von den vielen Aufbrüchen, vom Widerstreit und von den Listen der Ohnmacht durch die Jahrhunderte nicht erodiert worden ist. Die Frage nach den offenen Horizonten der Frauengeschichte im Hinblick auf die Kontingenz der Ordnung der Geschlechter wird durch diese Edition in einem makrohistorischen Rahmen allererst aufgeworfen. Für ein kollektives Gedächtnis hat das Sammelwerk weit über den Disziplinzusammenhang hinaus seine Bedeutung. Möge diese Weitung der Perspektive eine Weile Bestand haben und nicht allzu schnell von einer aufkommenden Kaltwetterfront verengt werden. THERESA WOBBE

Georges Duby/Michelle Perrot (Hrsg.): "Geschichte der Frauen". Band 5: "20. Jahrhundert". Hrsg. v. Françoise Thébaud. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1995. 718 S., Abb., geb., 88,- DM.

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