Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. im Jahre 2018 hat sich das Präsidium der Sozietät entschlossen, die in dem Zeitraum von 1993 bis 2017 gehaltenen 25 Präsidentenreden auf den Leibniz-Tagen gesammelt und unkommentiert zu veröffentlichen.[1] Die zu den jährlichen Leibniz-Tagen von den Präsidenten Samuel Mitja Rapoport (1993–1998), Herbert Hörz (1999–2005), Dieter B. Herrmann (2006–2011) und Gerhard Banse (ab 2012) gehaltenen Ansprachen stellen einerseits eine kurzgefasste Bilanz der stetig gewachsenen wissenschaftlichen Aktivitäten der Sozietät dar und können insofern als aussagekräftige Dokumente der geleisteten Arbeit gelten. Noch aufschlussreicher sind jedoch aus heutiger Sicht jene Teile der Reden, in denen allgemeine Fragen der Wissenschaft, ihrer Stellung und Funktion in unserer Zeit, ihrer Relation zu anderen gesellschaftlichen Bereichen und Prozessen und insbesondere auch das Selbstverständnis, die Zielsetzung und der Anspruch der Leibniz-Sozietät zum Ausdruck kommen. Alle Präsidenten haben solche über den Berichtscharakter ihrer Reden hinausgehenden Reflexionen angestellt und beim Nachlesen kann man heute – keineswegs immer nur erfreut – feststellen, dass viele ihrer kritischen Analysen und Diagnosen sich nicht nur bewahrheitet, sondern an Aktualität sogar noch gewonnen haben. Die erste Rede von Präsident Samuel Mitja Rapoport aus dem Gründungsjahr der Sozietät ist für uns heute ein besonders eindrucksvolles Dokument der damaligen Situation nach der Zerschlagung der Akademie der Wissenschaften der DDR. Rapoport wusste aber den gescheiterten Widerstand gegen die Liquidierung der DDR-Akademie, die er ungeschönt als Kulturbarbarei bezeichnete, schon damals umzumünzen in eine – wenn auch unfreiwillige – „Rückkehr zu den Ursprüngen der Akademie“. Er hob hervor, dass die Gründung der Leibniz-Sozietät gleichzeitig das Ergebnis einer Niederlage wie auch der Eröffnung neuer Chancen und eines verheißungsvollen Aufbruchs darstellte. Interdisziplinarität, Staatsferne, gesellschaftliche Verantwortlichkeit und geistige Pluralität wurden als besondere Vorzüge der zivilgesellschaftlichen Akademie in der Tradition der im Jahre 1700 gegründeten Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften herausgestellt. Gleich in seiner zweiten Rede von 1994 sprach Präsident Rapoport das von der Leibniz-Sozietät gewünschte Zusammenwirken mit der 1992 neugegründeten Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) eindringlich an. In seiner angesichts der damals aufgeheizten politischen Atmosphäre sehr sachlichen, ausgewogenen und zugleich auch kritischen Rede zeigte er sich davon überzeugt, „dass das geistige Leben in Berlin und darüber hinaus für beide – die Berlin-Brandenburgische Akademie und die Leibniz-Sozietät – Platz bietet“. Das vergangene Vierteljahrhundert hat diese Aussage bestätigt. Zu der von der Leibniz-Sozietät vorgeschlagenen konkreten Zusammenarbeit ist es dennoch nicht gekommen, ungeachtet zahlreicher Vorstöße der Leibniz-Sozietät, persönliche Gespräche der Präsidenten beider Akademien eingeschlossen. Darüber konnten auch einzelne Auftritte von Mitgliedern der BBAW vor dem Plenum der Leibniz-Sozietät sowie die partielle Mitarbeit von Mitgliedern der Leibniz-Sozietät an Projekten der BBAW nicht hinwegtäuschen. „Offenkundig vermögen die beiden Königskinder der Wissenschaft den Graben noch nicht zu überspringen, den seinerzeit Bundes- und Landespolitik ausgehoben haben“, schrieben Martin Koch und Karlen Vesper am 2. Juli 2001 im „Neuen Deutschland“. Doch diese eigentlich naheliegende Zusammenarbeit zwischen beiden Akademien im Sinne einer versöhnenden prospektiven Sicht ist nur eines der zahlreichen Themen, die von den Präsidenten in ihren Reden angesprochen wurden. Zu den Ausführungen der Präsidenten zählten auch der zunehmende Irrationalismus in unserer Gesellschaft, oft gepaart mit unverhohlener Wissenschaftsfeindlichkeit, ethische Probleme der Wissenschaften, die Rolle von Akademien in der Wissenschaftslandschaft sowie die Spannungsfelder von Wissenschaft und Politik, Wissenschaft und Kunst, Wahrheit und Meinungspluralität, Wissenschaft und Öffentlichkeit u.v.a. Beeindruckend ist es auch nachzulesen, wie die inhaltlich-programmatischen Teile der Präsidentenreden sich später oft in den Arbeitsberichten widerspiegeln, – ein Beleg für die unmittelbaren Impulse, die von ihren oft richtungweisenden Ideen ausgingen und zur Bearbeitung neuer Forschungsfelder führten, die durch themenorientierte Arbeitsgruppen aufgegriffen wurden. So entwerfen die Präsidentenreden in ihrer Gesamtheit – ungeachtet aller schwierigen Probleme und Situationen im Einzelnen – ein beeindruckendes Bild der raschen Entwicklung und Konsolidierung der Leibniz-Sozietät, die bei ihrer Gründung vor einem Vierteljahrhundert zwar erklärtes Ziel gewesen ist, ohne dass dessen Erreichen jedoch damals als sicher gelten konnte. Dank der unermüdlichen Tätigkeit der Mitglieder, ihrer wissenschaftlichen Kompetenz und ihrer festen Entschlossenheit, sich in ihrer wissenschaftlichen Neugier auch von widrigen Umständen nicht abbringen zu lassen, ist dieses Ziel dennoch erreicht worden.avon legt dieses Buch ohne Beschönigungen und ohne Verleugnung der Schwierigkeiten Zeugnis ab. In diesem Sinne soll der vorliegende Sammelband nicht nur als ein Dokument zur Geschichte der Leibniz-Sozietät, sondern darüber hinaus auch als ein Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaft im vereinten Deutschland mit all ihren zahlreichen Verwerfungen und Widersprüchen, aber auch positiven Aspekten verstanden werden. Die Einordnung und Beurteilung mögen die Leserinnen und Leser der Texte selbst vornehmen.