Produktdetails
- Verlag: Booket
- Seitenzahl: 416
- Erscheinungstermin: Januar 2016
- Spanisch
- Abmessung: 190mm x 126mm x 27mm
- Gewicht: 280g
- ISBN-13: 9788432225758
- ISBN-10: 8432225754
- Artikelnr.: 44370133
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013Jake und der coole Ton
Hemingways erster Roman „Fiesta“ in neuer Übersetzung –
und sein Briefwechsel mit F. Scott Fitzgerald
VON WILLI WINKLER
Bald hundert Jahre sind vergangen, seit der Amerikaner Ernest Hemingway Europa als exotischen und auch noch preiswerten Urlaubsort entdeckte: die Bars in Paris, das Schifahren in den Alpen, das Angeln in den Pyrenäen, den Stierkampf in Pamplona. Hemingway schildert ein scheinbar ursprüngliches Europa und beklagt auch schon den Tourismus, den er doch mit seinen schwärmerischen Schilderungen mitbegründet.
„The Sun Also Rises“, 1926 erschienen, war der erste richtige Roman des Journalisten aus Chicago, der bis dahin nur Erzählungen veröffentlicht hatte und ein paar Gedichte. Ernst Rowohlt brachte das Buch 1928 auf Deutsch unter den einprägsamen spanischen Titel „Fiesta“ heraus, der inzwischen auch auf englischen Ausgaben gleichauf mit dem Originaltitel erscheint.
Durch „Fiesta“ wurde Hemingway zum liebsten deutschen Amerikaner. So nüchtern wie er von Liebesbeziehungen, Trinkritualen, Sportereignissen und dem beiläufigen Töten erzählte, konnte das im Zwischenkriegsdeutschland niemand, das sich am Expressionismus den Magen gründlich verdorben hatte. Die Welt war mit einem Mal jung und einfach. „Es war ein warmer Frühlingsabend, und nachdem Robert gegangen war, saß ich an einem Tisch draußen vor dem Napolitain, sah zu, wie es dunkel wurde und die Lichtreklamen angingen, sah die Ampel abwechseln rot und grün werden, die Leute vorbeischlendern, die Pferdekutschen an den endlosen Taxischlangen entlangklappern, die poules vorbeischlendern, allein oder zu zweit auf der Suche nach einem Abendessen.“
Trotzdem ist dieses entspannte Bild nicht frei von Sentimentalität, aber Hemingway schluckt das aufsteigende Schluchzen hinunter und hält sich an einfache Sätze, die jeder verstehen konnte. Aber da ist noch mehr. Mit der Pingeligkeit eines Restaurantkritikers verzeichnet der erst 25-jährige Autor durch seinen Ich-Erzähler Jake die Speisen, zählt vor allem auf, was in welcher Reihenfolge getrunken wird, vergisst nicht zu notieren, was der Wein im Café Iruna kostet und ob er in der Pension inkludiert ist, wenn die Übernachtung in den Bergen inzwischen so teuer ist wie drunten in Pamplona.
Bei der erneuten Lektüre nach Jahrzehnten fällt auf, wie selbstgefällig dieser Jake und damit das ganze Buch wirkt. Das liegt nicht nur daran, dass die Helden den Stierkampf als inneres und äußeres Erlebnis feiern oder eine Frau danach beurteilt wird, ob sie die Augen abwenden muss, wenn der Stier mit seinen Hörnern die Pferde der picadores aufschlitzt. Es liegt auch an der Konsequenz, mit der Robert Cohn, einer aus der Runde der freiwilligen Exilanten, als Jude dargestellt und damit zum Gegenbild des weltkundigen Jake gemacht wird: Cohn hat zu viel Geld und die falschen Sachen an, er war in Princeton, hat zwar einen Roman geschrieben, der nicht ganz schlecht, aber natürlich alles andre als gut ist. Nichts kann er richtig: „Sherry“, antwortet er auf die Frage nach seinem Getränkewunsch. „Jerez“, gibt der Erzähler die Bestellung an den Kellner weiter.
Vor allem hatte Cohn eine Affäre mit der allseits begehrten Brett Ashley, die zwar mit jedem ins Bett geht, aber eben nicht mit dem Erzähler, mit dem Veteranen Jake Barnes, weil der als Kriegsfolge impotent geworden ist. Die Entmannung tobt sich in männlichen Tätig- und Lustbarkeiten aus und in zweifelhaften Scherzen über einen Unfall, bei dem Henry James eine ähnliche Verletzung davongetragen haben soll. Fitzgerald vermutete hier eine ganz andere wunde Stelle. Jake benehme sich Brett gegenüber gar nicht, als sei er impotent. „Er ist wie ein Mann, der so was wie einen moralischen Keuschheitsgürtel trägt.“
Jakes Verletzung rührt aus dem Krieg, auf den sich die Männer immer beziehen. Dieses Männerbündeln mag eine ganz andere Ursache haben. Kenneth S. Lynn war sich in seiner Biografie, die 1987 erschien, sicher, dass Hemingway Schwierigkeiten mit seiner Geschlechtsidentität hatte, sich also nicht eingestehen wollte, dass er in Wahrheit homosexuell war.
Einiges davon bringt auch der Briefwechsel zwischen Hemingway und seinem zeitweilig besten Freund F. Scott Fitzgerald zum Vorschein. Benjamin Leberts Ausgabe dieser Korrespondenz sind überraschende Erkenntnisse zu verdanken. In seinen posthum erschienenen Erinnerungen „Paris - ein Fest fürs Leben“ muss er Fitzgerald unbedingt an der Größe seiner Genitalien zweifeln lassen, und der gute Hem kann ihn über diese Schwäche hinwegtrösten. 1925 war aber Fitzgerald bereits der berühmte Autor des „Großen Gatsby“ und wurde bei Scribner verlegt, bei dem Hemingway mit Fitzgeralds Hilfe schließlich unterkam.
Nachdem das Manuskript von „Fiesta“ bereits an den Verlag gegangen ist, redigiert Fitzgerald einen Durchschlag. Er tut es so zartfühlend wie möglich, beginnt damit, wie dankbar er selber für die Arbeit des Lektors war und hält Hemingway dann seine Nachlässigkeiten und vor allem seinen Anfänger-Snobismus vor: „Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann.“ Hemingway befolgte die Ratschläge, schrieb um, kürzte, verbesserte. Fitzgerald hat er diese Hilfe nie verziehen.
In Max Perkins fand Hemingway einen aufmerksamen Lektor, aber er hatte nie einen besseren als den Kollegen Fitzgerald. Ihm vor allem haben die Leser den frischen, kaltblütigen Stil zu verdanken, den der immer selbstbewusster auftretende Hemingway mit der Entfernung von diesem Jugendfreund immer mehr aufgab, bis er sich in ganz und gar in sentimentaler Selbstparodie verlor.
Einem bejahrten Ondit zufolge wollte Hemingway von seiner ersten „autorisierten“ Übersetzerin Annemarie Horschitz-Horst nicht lassen, weil sich der erste Teil ihres Doppelnamens auf Englisch so lustig anhörte. Außerdem sind von ihrer Übersetzung ungefähr achthunderttausend Exemplare verkauft worden, so schlecht kann sie also gar nicht gewesen sein. Vielmehr darf vermutet werden, dass nicht Hemingway den legendären Einfluss auf die Nachkriegsliteratur zwischen Siegfried Lenz, Heinrich Böll und Wolfdietrich Schnurre ausübte, sondern es sich um Frau Horschitz handelte.
Philologische Kritik ist langweilig und bringt den Übersetzer nur gegen den Rezensenten auf. Dann also los, eine Stichprobe. „,That will be a pleasant meal.‘ ‚Won’t it‘ As a matter of fact, supper was a pleasant meal.“, heißt es bei Hemingway. Der neue Übersetzer Werner Schmitz nimmt das „pleasant“ auf und kommt damit dem Hemingway-Sound, zu dem auch eine gewisse Einförmigkeit gehört, recht nahe: „,Das wird bestimmt eine erfreuliche Angelegenheit.‘ ,Bestimmt.‘ Das Abendessen war in der Tat eine erfreuliche Angelegenheit.“ Annemarie Horschitz lässt hier jedes Gefühl für den Hemingway-Ton vermissen. Ihre deutsche Fassung klingt eher wie eine Parodie auf den Autor: „,Wird eine angenehme Mahlzeit werden.‘ ,Wahrhaftig.‘ Tatsache war, daß das Abendessen richtig nett verlief.“ Tatsache ist, dass das fürchterliche „wahrhaftig“ dem armen Autor Klumpfüße unterschnallt, deretwegen seine Erben noch heute Schmerzensgeld verlangen dürften.
Diese erste Übersetzung stammt aus dem Jahr 1928, sie ist wie jede andere gealtert, aber nicht in jedem Fall die schlechtere. Ein Beispiel, willkürlich natürlich. Bei Werner Schmitz heißt es: „Die Fiesta hatte ernsthaft begonnen. Sie ging sieben Tage lang Tag und Nacht weiter. Das Tanzen ging weiter, das Trinken ging weiter, der Lärm ging weiter.“ Bei Horschitz-Horst: „Die Fiesta hatte wirklich begonnen. Sie dauerte Tag und Nacht, sieben Tage lang. Man tanzte und trank unentwegt, und der Lärm nahm kein Ende.“
Und jetzt das Original, Hemingway: „The fiesta was really started. It kept up day and night for seven days. The dancing kept up, the drinking kept up, the noise went on.“ Hemingway, der Liebhaber der schweifenden Parataxe, hämmert hier drei knappe Aussagesätze hintereinander. Alle Schmuckwörter, vor allem die Adjektive sind ihnen ausgetrieben, darum stört eine scheinpoetische Girlande wie das „unentwegt“ im dritten Satz, zumal es das maschinenhafte Vorwärtstreiben in Hemingways Satz bremst. Trotzdem gelingt der ehrwürdigen Frau Horschitz-Horst mit ihrem in fast reine Daktylen aufgelösten Satz ein eigener Tanz; es ist nur nicht der, den Hemingway hörte und (so stellt sich das der Leser vor) schreibmaschinenlaut aufs Papier hämmerte.
Werner Schmitz ist hier viel näher am Original, wenn er in Parallelführung mit dem ,kept on‘ alles weitergehen lässt, drei Mal hintereinander. Hemingway ist mit zweien zufrieden und windet sich dann durch ein abschließendes, aber neues Verb aus dem Satz heraus. Er tut es überlegt: Tanzen und Trinken sind Spezifika, der Lärm ist der generische Begriff, der insgesamt weitergeht.
Das sind alles Kleinigkeiten, Kleinigkeiten, die aber den Stil entscheiden und dem Autor seine unverwechselbare Stimme geben. Bei diesem Autor ist auch die Angeberei am Ende eine lässliche Sünde. „Fiesta“ ist ein unverschämt jugendliches Buch. Ernest Hemingway stand da noch ganz am Anfang seiner verheerenden Karriere, die über Frauentausch, Großwildjagd und Alkoholismus zum Weltruhm führte. Hier ist er noch einmal neu zu entdecken.
Ernest Hemingway: Fiesta. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 320 Seiten, 19,95 Euro.
F. Scott Fitzgerald/Ernest Hemingway: Wir sind verdammt lausige Akrobaten. Eine Freundschaft in Briefen. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Benjamin Lebert. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2013. 160 Seiten, 17,99 Euro.
„Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann“, schrieb F. Scott Fitzgerald (links) an seinen zeitweiligen besten Freund Ernest Hemingway .
FOTOS: GETTY IMAGES
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Hemingways erster Roman „Fiesta“ in neuer Übersetzung –
und sein Briefwechsel mit F. Scott Fitzgerald
VON WILLI WINKLER
Bald hundert Jahre sind vergangen, seit der Amerikaner Ernest Hemingway Europa als exotischen und auch noch preiswerten Urlaubsort entdeckte: die Bars in Paris, das Schifahren in den Alpen, das Angeln in den Pyrenäen, den Stierkampf in Pamplona. Hemingway schildert ein scheinbar ursprüngliches Europa und beklagt auch schon den Tourismus, den er doch mit seinen schwärmerischen Schilderungen mitbegründet.
„The Sun Also Rises“, 1926 erschienen, war der erste richtige Roman des Journalisten aus Chicago, der bis dahin nur Erzählungen veröffentlicht hatte und ein paar Gedichte. Ernst Rowohlt brachte das Buch 1928 auf Deutsch unter den einprägsamen spanischen Titel „Fiesta“ heraus, der inzwischen auch auf englischen Ausgaben gleichauf mit dem Originaltitel erscheint.
Durch „Fiesta“ wurde Hemingway zum liebsten deutschen Amerikaner. So nüchtern wie er von Liebesbeziehungen, Trinkritualen, Sportereignissen und dem beiläufigen Töten erzählte, konnte das im Zwischenkriegsdeutschland niemand, das sich am Expressionismus den Magen gründlich verdorben hatte. Die Welt war mit einem Mal jung und einfach. „Es war ein warmer Frühlingsabend, und nachdem Robert gegangen war, saß ich an einem Tisch draußen vor dem Napolitain, sah zu, wie es dunkel wurde und die Lichtreklamen angingen, sah die Ampel abwechseln rot und grün werden, die Leute vorbeischlendern, die Pferdekutschen an den endlosen Taxischlangen entlangklappern, die poules vorbeischlendern, allein oder zu zweit auf der Suche nach einem Abendessen.“
Trotzdem ist dieses entspannte Bild nicht frei von Sentimentalität, aber Hemingway schluckt das aufsteigende Schluchzen hinunter und hält sich an einfache Sätze, die jeder verstehen konnte. Aber da ist noch mehr. Mit der Pingeligkeit eines Restaurantkritikers verzeichnet der erst 25-jährige Autor durch seinen Ich-Erzähler Jake die Speisen, zählt vor allem auf, was in welcher Reihenfolge getrunken wird, vergisst nicht zu notieren, was der Wein im Café Iruna kostet und ob er in der Pension inkludiert ist, wenn die Übernachtung in den Bergen inzwischen so teuer ist wie drunten in Pamplona.
Bei der erneuten Lektüre nach Jahrzehnten fällt auf, wie selbstgefällig dieser Jake und damit das ganze Buch wirkt. Das liegt nicht nur daran, dass die Helden den Stierkampf als inneres und äußeres Erlebnis feiern oder eine Frau danach beurteilt wird, ob sie die Augen abwenden muss, wenn der Stier mit seinen Hörnern die Pferde der picadores aufschlitzt. Es liegt auch an der Konsequenz, mit der Robert Cohn, einer aus der Runde der freiwilligen Exilanten, als Jude dargestellt und damit zum Gegenbild des weltkundigen Jake gemacht wird: Cohn hat zu viel Geld und die falschen Sachen an, er war in Princeton, hat zwar einen Roman geschrieben, der nicht ganz schlecht, aber natürlich alles andre als gut ist. Nichts kann er richtig: „Sherry“, antwortet er auf die Frage nach seinem Getränkewunsch. „Jerez“, gibt der Erzähler die Bestellung an den Kellner weiter.
Vor allem hatte Cohn eine Affäre mit der allseits begehrten Brett Ashley, die zwar mit jedem ins Bett geht, aber eben nicht mit dem Erzähler, mit dem Veteranen Jake Barnes, weil der als Kriegsfolge impotent geworden ist. Die Entmannung tobt sich in männlichen Tätig- und Lustbarkeiten aus und in zweifelhaften Scherzen über einen Unfall, bei dem Henry James eine ähnliche Verletzung davongetragen haben soll. Fitzgerald vermutete hier eine ganz andere wunde Stelle. Jake benehme sich Brett gegenüber gar nicht, als sei er impotent. „Er ist wie ein Mann, der so was wie einen moralischen Keuschheitsgürtel trägt.“
Jakes Verletzung rührt aus dem Krieg, auf den sich die Männer immer beziehen. Dieses Männerbündeln mag eine ganz andere Ursache haben. Kenneth S. Lynn war sich in seiner Biografie, die 1987 erschien, sicher, dass Hemingway Schwierigkeiten mit seiner Geschlechtsidentität hatte, sich also nicht eingestehen wollte, dass er in Wahrheit homosexuell war.
Einiges davon bringt auch der Briefwechsel zwischen Hemingway und seinem zeitweilig besten Freund F. Scott Fitzgerald zum Vorschein. Benjamin Leberts Ausgabe dieser Korrespondenz sind überraschende Erkenntnisse zu verdanken. In seinen posthum erschienenen Erinnerungen „Paris - ein Fest fürs Leben“ muss er Fitzgerald unbedingt an der Größe seiner Genitalien zweifeln lassen, und der gute Hem kann ihn über diese Schwäche hinwegtrösten. 1925 war aber Fitzgerald bereits der berühmte Autor des „Großen Gatsby“ und wurde bei Scribner verlegt, bei dem Hemingway mit Fitzgeralds Hilfe schließlich unterkam.
Nachdem das Manuskript von „Fiesta“ bereits an den Verlag gegangen ist, redigiert Fitzgerald einen Durchschlag. Er tut es so zartfühlend wie möglich, beginnt damit, wie dankbar er selber für die Arbeit des Lektors war und hält Hemingway dann seine Nachlässigkeiten und vor allem seinen Anfänger-Snobismus vor: „Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann.“ Hemingway befolgte die Ratschläge, schrieb um, kürzte, verbesserte. Fitzgerald hat er diese Hilfe nie verziehen.
In Max Perkins fand Hemingway einen aufmerksamen Lektor, aber er hatte nie einen besseren als den Kollegen Fitzgerald. Ihm vor allem haben die Leser den frischen, kaltblütigen Stil zu verdanken, den der immer selbstbewusster auftretende Hemingway mit der Entfernung von diesem Jugendfreund immer mehr aufgab, bis er sich in ganz und gar in sentimentaler Selbstparodie verlor.
Einem bejahrten Ondit zufolge wollte Hemingway von seiner ersten „autorisierten“ Übersetzerin Annemarie Horschitz-Horst nicht lassen, weil sich der erste Teil ihres Doppelnamens auf Englisch so lustig anhörte. Außerdem sind von ihrer Übersetzung ungefähr achthunderttausend Exemplare verkauft worden, so schlecht kann sie also gar nicht gewesen sein. Vielmehr darf vermutet werden, dass nicht Hemingway den legendären Einfluss auf die Nachkriegsliteratur zwischen Siegfried Lenz, Heinrich Böll und Wolfdietrich Schnurre ausübte, sondern es sich um Frau Horschitz handelte.
Philologische Kritik ist langweilig und bringt den Übersetzer nur gegen den Rezensenten auf. Dann also los, eine Stichprobe. „,That will be a pleasant meal.‘ ‚Won’t it‘ As a matter of fact, supper was a pleasant meal.“, heißt es bei Hemingway. Der neue Übersetzer Werner Schmitz nimmt das „pleasant“ auf und kommt damit dem Hemingway-Sound, zu dem auch eine gewisse Einförmigkeit gehört, recht nahe: „,Das wird bestimmt eine erfreuliche Angelegenheit.‘ ,Bestimmt.‘ Das Abendessen war in der Tat eine erfreuliche Angelegenheit.“ Annemarie Horschitz lässt hier jedes Gefühl für den Hemingway-Ton vermissen. Ihre deutsche Fassung klingt eher wie eine Parodie auf den Autor: „,Wird eine angenehme Mahlzeit werden.‘ ,Wahrhaftig.‘ Tatsache war, daß das Abendessen richtig nett verlief.“ Tatsache ist, dass das fürchterliche „wahrhaftig“ dem armen Autor Klumpfüße unterschnallt, deretwegen seine Erben noch heute Schmerzensgeld verlangen dürften.
Diese erste Übersetzung stammt aus dem Jahr 1928, sie ist wie jede andere gealtert, aber nicht in jedem Fall die schlechtere. Ein Beispiel, willkürlich natürlich. Bei Werner Schmitz heißt es: „Die Fiesta hatte ernsthaft begonnen. Sie ging sieben Tage lang Tag und Nacht weiter. Das Tanzen ging weiter, das Trinken ging weiter, der Lärm ging weiter.“ Bei Horschitz-Horst: „Die Fiesta hatte wirklich begonnen. Sie dauerte Tag und Nacht, sieben Tage lang. Man tanzte und trank unentwegt, und der Lärm nahm kein Ende.“
Und jetzt das Original, Hemingway: „The fiesta was really started. It kept up day and night for seven days. The dancing kept up, the drinking kept up, the noise went on.“ Hemingway, der Liebhaber der schweifenden Parataxe, hämmert hier drei knappe Aussagesätze hintereinander. Alle Schmuckwörter, vor allem die Adjektive sind ihnen ausgetrieben, darum stört eine scheinpoetische Girlande wie das „unentwegt“ im dritten Satz, zumal es das maschinenhafte Vorwärtstreiben in Hemingways Satz bremst. Trotzdem gelingt der ehrwürdigen Frau Horschitz-Horst mit ihrem in fast reine Daktylen aufgelösten Satz ein eigener Tanz; es ist nur nicht der, den Hemingway hörte und (so stellt sich das der Leser vor) schreibmaschinenlaut aufs Papier hämmerte.
Werner Schmitz ist hier viel näher am Original, wenn er in Parallelführung mit dem ,kept on‘ alles weitergehen lässt, drei Mal hintereinander. Hemingway ist mit zweien zufrieden und windet sich dann durch ein abschließendes, aber neues Verb aus dem Satz heraus. Er tut es überlegt: Tanzen und Trinken sind Spezifika, der Lärm ist der generische Begriff, der insgesamt weitergeht.
Das sind alles Kleinigkeiten, Kleinigkeiten, die aber den Stil entscheiden und dem Autor seine unverwechselbare Stimme geben. Bei diesem Autor ist auch die Angeberei am Ende eine lässliche Sünde. „Fiesta“ ist ein unverschämt jugendliches Buch. Ernest Hemingway stand da noch ganz am Anfang seiner verheerenden Karriere, die über Frauentausch, Großwildjagd und Alkoholismus zum Weltruhm führte. Hier ist er noch einmal neu zu entdecken.
Ernest Hemingway: Fiesta. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 320 Seiten, 19,95 Euro.
F. Scott Fitzgerald/Ernest Hemingway: Wir sind verdammt lausige Akrobaten. Eine Freundschaft in Briefen. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Benjamin Lebert. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2013. 160 Seiten, 17,99 Euro.
„Nicht nur, dass Du gut schreiben willst, sondern gleichzeitig musst Du auch immer noch heraushängen lassen, dass Du niemals tun würdest, was jeder andere auch tun kann“, schrieb F. Scott Fitzgerald (links) an seinen zeitweiligen besten Freund Ernest Hemingway .
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2014Niemand kostet sein Dasein aus wie die Stierkämpfer
Seine minimalistische Sprache war in den zwanziger Jahren aufregend neu. Doch wie wirkt sie heute? Eine Wiederbegegnung mit Ernest Hemingways wegweisendem Roman "Fiesta" in neuer Übersetzung.
Schön, wenn man einem Lieblingsbuch aus Anlass einer Neuübersetzung wiederbegegnet. "Fiesta", so der deutsche Titel von "The Sun Also Rises", ist Hemingways erster Roman aus dem Jahr 1926 - und ein Jahrhundertbuch, so sagt es die Erinnerung an eine euphorische Jugendlektüre des Originals. Und welche kulturgeschichtliche Bedeutung! Die erste Hälfte befeuerte den Amerikaner-in-Paris-Mythos nach dem Ersten Weltkrieg, die zweite die Spanien- und Stierkampf-Legende. Auch der stilistische Einfluss des Buches kann kaum überschätzt werden. Sei einfach, sei wahr, so Hemingways Mantra.
Wenn das mit der Wahrheit bloß so einfach wäre. "Niemand kostet sein Leben voll aus, nur die Stierkämpfer" - ein klarer Satz, aber ist er wahr? Und was ist von dem vorangestellten Gertrude-Stein-Motto über die jungen Amerikaner im Paris der frühen zwanziger Jahre zu halten, sechs Worte, die die Rezeption dieses Romans bestimmten wie ein Leuchtspurgeschoss: "Ihr alle seid eine verlorene Generation." Eine verlorene Generation gab es um 1920 gewiss auf den Straßen Deutschlands; viele, die zu ihr gehörten, versuchten bald als Nationalsozialisten wieder Gewinner zu werden. Aber die jungen Amerikaner? Ihre Nation hatte ohne große Verluste als Spätteilnehmer siegreich den Ersten Weltkrieg beendet und war nun eine Weltmacht. In den Folgejahren konnten die Expats sich dank des starken Dollars im inflationsruinierten Deutschland, in Paris oder in Schweizer Skiorten ein bequemes Leben der Boheme leisten. "Verlorene Generation" scheint in diesem Kontext ziemlich larmoyant.
Das erste Drittel des Romans erweist sich beim Wiederlesen als unerwartet zäh: diese Rumhängerei in Paris, dieses gelangweilte Herumstrolchen von einer Bar zur anderen, Exzess als Existentialismus, Muster allerdings für unzählige Pop- und Partyromane aus späteren Jahrzehnten. Man steht etwas befremdet davor; aber so ist das ja oft mit früheren Lebensgefühlbüchern. Ein ersticktes Pathos steckt in der Idee einer großen Liebe, die keinen Platz in der Welt hat. Die fatale Lady Brett Ashley kann dem geliebten Jake Barnes wegen dessen heikler Kriegsverletzung nicht treu sein: "Ausgerechnet da verwundet zu werden. Sollte wohl komisch sein", grübelt er in seinen deprimierten Nächten. "Dann fing ich plötzlich an zu weinen."
Der Impotente und die Nymphomanin - Koordinaten für eine kaputte Romantik des Hatnichtsollensein. Brett hängt sich vielen anderen Männern an den Hals, die ihr kurzfristig Geld und Gaudi bieten. Jake, der Journalist, hält sich mit heroisch-masochistischer Selbstbeherrschung in der Nähe der Geliebten und versucht, ihr ein "Freund" zu sein. Die so männer- und hilfsbedürftige Brett Ashley erscheint als Schreckensgemälde der allesverschlingenden weiblichen Unersättlichkeit im Kurzhaar-Chic der Roaring Twenties. Und die Wunde des Jake Barnes ist Hemingways erste literarische Ausformung der Impotenzangst, viele weitere sollten folgen.
Die Figuren streiten und versöhnen sich, prügeln und prosten sich zu, so richtig wichtig ist das alles nicht, und es fällt schwer, als Leser Anteilnahme zu entwickeln, auch deshalb, weil Hemingway die introspektive psychologische Darstellung vermeidet. Selbsterklärend sind die Figuren allerdings auch nicht, sie reden zwar ununterbrochen, aber nie mehr als zwei oder drei läppisch-lapidare Sätze, die meist mit einer Getränkebestellung oder dem Essen zu tun haben. So ist man froh, als es von den Pariser Partymeilen endlich nach Pamplona geht und atmosphärische Reportage-Passagen über die "explodierende Fiesta" in den Roman einfließen. Die Amerikaner schaffen es, auch den wackeren Stierkämpfern bald auf die Nerven zu gehen. Brett beginnt eine Affäre mit dem jungen, heiligmäßigen Torero Pedro Romero, was wiederum viel Streit, Suff, Eifersucht und schlechte Laune stiftet.
Hemingways minimalistische Sprache hat in den zwanziger und auch noch den fünfziger Jahren aufregend neu gewirkt; schließlich war verschmockter oder überladener Stil damals weit verbreitet. Heute, wo acht von zehn Schriftstellern und überhaupt alle Krimiautoren dieser Welt sich bemühen, cool und knapp zu schreiben, ist diese Wirkung des Ungewohnten, Kühnen längst verpufft. Wenn die Figuren demonstrative Nichtigkeiten und kurzatmige Floskeln von sich geben, dann sollen wir uns nach der "Eisberg"-Theorie das Ungesagte dazudenken und spüren, was für schlimm verzweifelte Gestalten das seien: "Noch einen Port?" "Na schön." "Hallo, ihr Rumtreiber." "Wie isses?" "Gut." "Trink noch einen Cognac." "Ach Liebster, ich bin so unglücklich." "Wunderbar!" "Trinken wir noch einen." "Der Wein ist wunderbar." "Budapest ist wunderbar." "Unser Hotel ist ganz reizend." "Ein famoses Mädchen." "Wir sollten was essen." "Ich bin nicht betrunken. Höchstens vielleicht ein bisschen." "Netter Bursche." "Großartiger Bursche." "Du sagst es." So geht das über dreihundert Seiten, und in die Beschreibungen dazwischen hat Hemingway die ganze Kraft der Lakonik gelegt: "Das Essen war gut, Brathähnchen, junge grüne Bohnen, Kartoffelpüree, Salat, Apfelkuchen und Käse." Oder: "Die Weiden waren grün, und es gab schöne Bäume und manchmal zwischen den Bäumen breite Flüsse."
Ist das nun der gerühmte schlackenlose Präzisionsstil? Wie man hier sieht, gebraucht Hemingway durchaus Adjektive, nur wählt er gezielt immer die unschärfsten aus. Atmosphäre durch Tautologie: grüne Bäume, blauer Himmel, unglückliche Frauen. Oder die Beschreibung einer Kirche: "Es war schummrig und dunkel, und die Pfeiler ragten hoch hinauf, und die Leute beteten, und es roch nach Weihrauch, und es gab ein paar wunderbar große Fenster." Hier wird nicht das Wesentliche gesagt, sondern genaugenommen gar nichts; nichts jedenfalls, was nicht schon im Begriff "Kirche" als naheliegende Assoziation drinstecken würde. "In Wien war alles wie in Wien", sagt eine Figur einmal und gibt damit gewissermaßen den Extrakt einer Hemingway-Beschreibung: kein überflüssiges Wort, alles gesagt.
Immerhin, es gibt Passagen, die sich gehalten haben, Landschaftsbeschreibungen von schlichtem, biblischem Pathos, wo Hemingway flächig und leuchtend malt wie Cézanne. Höhepunkt ist der Mittelteil über die Fahrt in die spanischen Berge, wo Jake und Bill im Fluss Forellen fischen. Das ist ganz "wunderbar". Zu loben ist auch die überfällige Neuübersetzung von Werner Schmitz; sie ist in vielem frischer und treffender als die veraltete, oft hölzerne Fassung von Annemarie Horschitz-Horst von 1954, wo es über einen hilfreichen Drink schon mal hieß: "Vielleicht tut dir gerade dieser not." Und wo man über Robert Cohn erfuhr: "Er hatte aus Reaktion gegen die grässlichen Universitätsjahre geheiratet." Jetzt liest man geschmeidiger: "Er hatte geheiratet, um sich für die schlimme Zeit am College zu trösten." Ein grundsätzliches Problem besteht allerdings darin, dass der Hemingway-Stil, der so spärlich und floskelhaft daherkommt, starke klanglich-rhythmische Qualitäten hat. Im Deutschen hat das einfach nicht den Sound, so wie die Übersetzungen von Popsongs meist nicht "klingen".
Kein Zweifel, "Fiesta" ist einer der stilprägendsten Romane des zwanzigsten Jahrhunderts. Gerade deshalb erscheint er heute, bei der Lektüre, auch wie ein alter Bekannter, der seine Geschichten doch schon zu oft zum Besten gegeben hat.
WOLFGANG SCHNEIDER.
Ernest Hemingway: "Fiesta".
Roman.
Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seine minimalistische Sprache war in den zwanziger Jahren aufregend neu. Doch wie wirkt sie heute? Eine Wiederbegegnung mit Ernest Hemingways wegweisendem Roman "Fiesta" in neuer Übersetzung.
Schön, wenn man einem Lieblingsbuch aus Anlass einer Neuübersetzung wiederbegegnet. "Fiesta", so der deutsche Titel von "The Sun Also Rises", ist Hemingways erster Roman aus dem Jahr 1926 - und ein Jahrhundertbuch, so sagt es die Erinnerung an eine euphorische Jugendlektüre des Originals. Und welche kulturgeschichtliche Bedeutung! Die erste Hälfte befeuerte den Amerikaner-in-Paris-Mythos nach dem Ersten Weltkrieg, die zweite die Spanien- und Stierkampf-Legende. Auch der stilistische Einfluss des Buches kann kaum überschätzt werden. Sei einfach, sei wahr, so Hemingways Mantra.
Wenn das mit der Wahrheit bloß so einfach wäre. "Niemand kostet sein Leben voll aus, nur die Stierkämpfer" - ein klarer Satz, aber ist er wahr? Und was ist von dem vorangestellten Gertrude-Stein-Motto über die jungen Amerikaner im Paris der frühen zwanziger Jahre zu halten, sechs Worte, die die Rezeption dieses Romans bestimmten wie ein Leuchtspurgeschoss: "Ihr alle seid eine verlorene Generation." Eine verlorene Generation gab es um 1920 gewiss auf den Straßen Deutschlands; viele, die zu ihr gehörten, versuchten bald als Nationalsozialisten wieder Gewinner zu werden. Aber die jungen Amerikaner? Ihre Nation hatte ohne große Verluste als Spätteilnehmer siegreich den Ersten Weltkrieg beendet und war nun eine Weltmacht. In den Folgejahren konnten die Expats sich dank des starken Dollars im inflationsruinierten Deutschland, in Paris oder in Schweizer Skiorten ein bequemes Leben der Boheme leisten. "Verlorene Generation" scheint in diesem Kontext ziemlich larmoyant.
Das erste Drittel des Romans erweist sich beim Wiederlesen als unerwartet zäh: diese Rumhängerei in Paris, dieses gelangweilte Herumstrolchen von einer Bar zur anderen, Exzess als Existentialismus, Muster allerdings für unzählige Pop- und Partyromane aus späteren Jahrzehnten. Man steht etwas befremdet davor; aber so ist das ja oft mit früheren Lebensgefühlbüchern. Ein ersticktes Pathos steckt in der Idee einer großen Liebe, die keinen Platz in der Welt hat. Die fatale Lady Brett Ashley kann dem geliebten Jake Barnes wegen dessen heikler Kriegsverletzung nicht treu sein: "Ausgerechnet da verwundet zu werden. Sollte wohl komisch sein", grübelt er in seinen deprimierten Nächten. "Dann fing ich plötzlich an zu weinen."
Der Impotente und die Nymphomanin - Koordinaten für eine kaputte Romantik des Hatnichtsollensein. Brett hängt sich vielen anderen Männern an den Hals, die ihr kurzfristig Geld und Gaudi bieten. Jake, der Journalist, hält sich mit heroisch-masochistischer Selbstbeherrschung in der Nähe der Geliebten und versucht, ihr ein "Freund" zu sein. Die so männer- und hilfsbedürftige Brett Ashley erscheint als Schreckensgemälde der allesverschlingenden weiblichen Unersättlichkeit im Kurzhaar-Chic der Roaring Twenties. Und die Wunde des Jake Barnes ist Hemingways erste literarische Ausformung der Impotenzangst, viele weitere sollten folgen.
Die Figuren streiten und versöhnen sich, prügeln und prosten sich zu, so richtig wichtig ist das alles nicht, und es fällt schwer, als Leser Anteilnahme zu entwickeln, auch deshalb, weil Hemingway die introspektive psychologische Darstellung vermeidet. Selbsterklärend sind die Figuren allerdings auch nicht, sie reden zwar ununterbrochen, aber nie mehr als zwei oder drei läppisch-lapidare Sätze, die meist mit einer Getränkebestellung oder dem Essen zu tun haben. So ist man froh, als es von den Pariser Partymeilen endlich nach Pamplona geht und atmosphärische Reportage-Passagen über die "explodierende Fiesta" in den Roman einfließen. Die Amerikaner schaffen es, auch den wackeren Stierkämpfern bald auf die Nerven zu gehen. Brett beginnt eine Affäre mit dem jungen, heiligmäßigen Torero Pedro Romero, was wiederum viel Streit, Suff, Eifersucht und schlechte Laune stiftet.
Hemingways minimalistische Sprache hat in den zwanziger und auch noch den fünfziger Jahren aufregend neu gewirkt; schließlich war verschmockter oder überladener Stil damals weit verbreitet. Heute, wo acht von zehn Schriftstellern und überhaupt alle Krimiautoren dieser Welt sich bemühen, cool und knapp zu schreiben, ist diese Wirkung des Ungewohnten, Kühnen längst verpufft. Wenn die Figuren demonstrative Nichtigkeiten und kurzatmige Floskeln von sich geben, dann sollen wir uns nach der "Eisberg"-Theorie das Ungesagte dazudenken und spüren, was für schlimm verzweifelte Gestalten das seien: "Noch einen Port?" "Na schön." "Hallo, ihr Rumtreiber." "Wie isses?" "Gut." "Trink noch einen Cognac." "Ach Liebster, ich bin so unglücklich." "Wunderbar!" "Trinken wir noch einen." "Der Wein ist wunderbar." "Budapest ist wunderbar." "Unser Hotel ist ganz reizend." "Ein famoses Mädchen." "Wir sollten was essen." "Ich bin nicht betrunken. Höchstens vielleicht ein bisschen." "Netter Bursche." "Großartiger Bursche." "Du sagst es." So geht das über dreihundert Seiten, und in die Beschreibungen dazwischen hat Hemingway die ganze Kraft der Lakonik gelegt: "Das Essen war gut, Brathähnchen, junge grüne Bohnen, Kartoffelpüree, Salat, Apfelkuchen und Käse." Oder: "Die Weiden waren grün, und es gab schöne Bäume und manchmal zwischen den Bäumen breite Flüsse."
Ist das nun der gerühmte schlackenlose Präzisionsstil? Wie man hier sieht, gebraucht Hemingway durchaus Adjektive, nur wählt er gezielt immer die unschärfsten aus. Atmosphäre durch Tautologie: grüne Bäume, blauer Himmel, unglückliche Frauen. Oder die Beschreibung einer Kirche: "Es war schummrig und dunkel, und die Pfeiler ragten hoch hinauf, und die Leute beteten, und es roch nach Weihrauch, und es gab ein paar wunderbar große Fenster." Hier wird nicht das Wesentliche gesagt, sondern genaugenommen gar nichts; nichts jedenfalls, was nicht schon im Begriff "Kirche" als naheliegende Assoziation drinstecken würde. "In Wien war alles wie in Wien", sagt eine Figur einmal und gibt damit gewissermaßen den Extrakt einer Hemingway-Beschreibung: kein überflüssiges Wort, alles gesagt.
Immerhin, es gibt Passagen, die sich gehalten haben, Landschaftsbeschreibungen von schlichtem, biblischem Pathos, wo Hemingway flächig und leuchtend malt wie Cézanne. Höhepunkt ist der Mittelteil über die Fahrt in die spanischen Berge, wo Jake und Bill im Fluss Forellen fischen. Das ist ganz "wunderbar". Zu loben ist auch die überfällige Neuübersetzung von Werner Schmitz; sie ist in vielem frischer und treffender als die veraltete, oft hölzerne Fassung von Annemarie Horschitz-Horst von 1954, wo es über einen hilfreichen Drink schon mal hieß: "Vielleicht tut dir gerade dieser not." Und wo man über Robert Cohn erfuhr: "Er hatte aus Reaktion gegen die grässlichen Universitätsjahre geheiratet." Jetzt liest man geschmeidiger: "Er hatte geheiratet, um sich für die schlimme Zeit am College zu trösten." Ein grundsätzliches Problem besteht allerdings darin, dass der Hemingway-Stil, der so spärlich und floskelhaft daherkommt, starke klanglich-rhythmische Qualitäten hat. Im Deutschen hat das einfach nicht den Sound, so wie die Übersetzungen von Popsongs meist nicht "klingen".
Kein Zweifel, "Fiesta" ist einer der stilprägendsten Romane des zwanzigsten Jahrhunderts. Gerade deshalb erscheint er heute, bei der Lektüre, auch wie ein alter Bekannter, der seine Geschichten doch schon zu oft zum Besten gegeben hat.
WOLFGANG SCHNEIDER.
Ernest Hemingway: "Fiesta".
Roman.
Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
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