Ed ist der Star der Basketballmannschaft, Min eine sensible, künstlerisch angehauchte Filmnärrin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Als sich beide auf einer Party begegnen, funkt es gewaltig. Doch beim näheren Kennenlernen zeigt sich, wie grundverschieden sie sind. Ihre Beziehung wird kurz, aber heftig - voller Überraschungen und Entdeckungen, voll Bemühen und Enttäuschung. Als es aus ist, schreibt Min einen glühenden, virtuosen Brief und gibt Ed all die Dinge zurück, die in ihrer Beziehung eine Rolle gespielt haben. Dieses einfühlsame Jugendbuch erzählt vom Erwachsenwerden, von Liebe und Trennung - anhand von 43 illustrierten Objekten, die am Ende zurückbleiben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.201343 Gründe, warum Sie dieses Buch lesen sollten
Als Lemony Snicket hat der Amerikaner Daniel Handler Millionen begeistert. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der zu den besten Jugendbüchern der letzten Jahre gehört. Es ist die Geschichte einer gescheiterten Beziehung.
Noch ein paar Minuten, dann wird ein Karton vor Eds Tür landen. "Entweder du fühlst es oder du fühlst es nicht" steht auf dem Deckel, ein Lieblingssatz der sechzehnjährigen Min, die zwei Monate mit Ed zusammen war und ihm nun diese Kiste schickt. Ihr Inhalt: Kronkorken (das erste gemeinsame Bier), Kinokarten (der erste Kuss), eine Pappkamera (Eds Geschenk für Min), ein Küchenhandtuch (als Min Eds Schwester Joan kennenlernte und sogar von ihr gemocht wurde), getrocknete Rosenblätter (aus dem Blumenladen, als alles herauskam), Spielzeug, Fotos, Baumsamen, ein Zuckerstreuer und dergleichen mehr. Weil Min sich aber nicht darauf verlassen mag, dass Ed "es fühlt", schreibt sie ihm unterwegs einen langen Brief. Jedes Ding im Karton erhält darin seinen Platz in der Liebesgeschichte, die nun vorüber ist. Sie sind die Essenz, die der Brief Stück für Stück erklärt. Zusammen bilden sie eines der schönsten Jugendbücher seit langer Zeit.
Es heißt "43 Gründe, warum es aus ist", erscheint am Montag in deutscher Übersetzung bei Hanser, und es stammt von dem Autor Daniel Handler und der Künstlerin Maira Kalman. Die New Yorker Illustratorin hat jeden Gegenstand aus Mins Kiste mit filigranem Pinselstrich und beherzter Farbgebung gemalt. Das Buch ist nicht die einzige Zusammenarbeit der beiden; auf Youtube gibt es etwa einen Clip, in dem der Autor gemeinsam mit Kalman in privater Atmosphäre ein skurriles Loblied auf Bibliotheken singt.
Handlers von der Kritik gefeierte Kinder- und Jugendbücher erzielten in den Vereinigten Staaten zweistellige Millionenauflagen, während alle Versuche, sie bei uns zu etablieren, bislang wenig fruchteten. Berühmt wurde er unter dem Pseudonym "Lemony Snicket" mit einer dreizehnteiligen Buchreihe um die Waisenkinder Violet, Klaus und Sunny Baudelaire, die nach dem Feuertod ihrer Eltern von dem ewig hustenden Anwalt Poe bei wechselnden Pflegeeltern untergebracht werden. Die Kinder landen in der "Schule des Schreckens", am Ufer des "Seufzersees", im "Schaurigen Spital" oder "Haarsträubenden Hotel", immer verfolgt von ihrem Onkel "Graf Olaf", der die Geschwister um die Ecke bringen und sie beerben will.
Der 1970 geborene Daniel Handler, dessen jüdischer Vater als Kind aus Deutschland fliehen musste, und seine spätere Frau, eine Opernsängerin, infolge eines Wirbelsturms kennenlernte, weswegen sich der Autor einmal als "Produkt zweier Katastrophen" bezeichnete, spielt als Lemony Snicket virtuos mit der operettenhaften Szenerie und spickt seine äußerst fesselnde Handlung mit Verweisen auf das Bühnengeschehen im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert - nicht zufällig sind die besten Freunde der Baudelaire-Waisen das Zwillingspaar "Isadora" und "Duncan". Dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, erschließt sich jungen Lesern sofort, und man muss die Anspielungen im Einzelnen gar nicht verstehen, um den doppelten Boden zu ahnen und die ständigen Trugschlüsse zu genießen.
Man könnte auch sagen: Daniel Handlers Bücher sind eine Schule des Lesens. In der mancherorts gern als "unterkomplex" verschrienen Kinder- und Jugendliteratur zeigen sie, was artistisch möglich ist, wenn sich ein Autor nur traut. Wenn er es vermeidet, die immergleichen Klischees zu bedienen oder sein Sujet von vornherein dort anzusiedeln, wo es fünfzig andere Jugendbuchautoren auch gerade tun. Wenn er seine Leser mit einer Sprache verschont, die gegenwärtig sein will und gerade deshalb besonders rasch altert. Wenn er registriert, wie er rezipiert wird, ohne sein Schreiben danach auszurichten. Kurz: wenn er eben nicht seine Ansprüche herunterschraubt, um auf vermeintliche Bedürfnisse einer jungen Leserschaft zu reagieren, sondern sie im Gegenteil dazu herausfordert, an einem Text zu wachsen, ohne sie dabei durch pädagogischen Eifer zu verprellen.
Das gilt besonders für Handlers Liebesgeschichte von Min und Ed, für "43 Gründe, warum es aus ist", im Original: "Why We Broke Up". Denn so rasch die Erzählerin unsere Herzen gewinnt, so beredt sie anhand der Objekte ihre Geschichte erzählt und dabei ein Bild der Gegensätze malt (hier der Mädchenschwarm und Basketballstar der Schulmannschaft, dort die Cineastin mit dem feinsinnigen Freundeskreis) - so klug und großartig dieses Mädchen auch ist, so sehr lehrt Handler uns auch, vor ihr auf der Hut zu sein.
Schließlich sehen wir Ed nur durch ihre Augen, hören ihn mit ihren Ohren, und dass Mins Wahrnehmung im hohen Maß von Emotionen eingefärbt ist, erschließt sich rasch. Glaubt man ihr, ist Ed im Wesentlichen an Basketball interessiert, von den Filmen, die ihr am Herzen liegen, hat er keine Ahnung (wenn er freiwillig ins Kino geht, dann in Klamotten wie "Vollidioten III: Achtung, unter dir!"), und so verkörpert sie für ihn die Chance, seinen Horizont gründlich zu erweitern.
Befragt nach Eds Perspektive, sagt Handler, er berichte in seinem Buch nun einmal Mins Geschichte, und weil ihr Geliebter etwas weniger auskunftsfreudig sei als sie, hätte seine Version wahrscheinlich auf einem Post-it Platz. Allerdings ist Handler viel zu gewieft, um es dabei zu belassen. Er erzählt - geradewegs an Min vorbei -, wie gekonnt Ed sie auflaufen lässt, wenn sie ihm ihre Weltvorstellungen überstülpen will. Etwa wenn es um die Maskierungen für den Halloween-Ball geht. Ed erzählt, dass seine Freunde und er als Sträflingskolonne gehen. "Ist das nicht rassistisch?", fragt Min besorgt. "Ich glaube, Sträflingskolonnen nehmen jeden", antwortet Ed.
Spätestens hier ist klar, dass Min ihren Freund permanent unterschätzt. Und dass zu den auffälligen Leerstellen in ihrem Bericht - die Eltern kommen allenfalls am Rand vor, und speziell in Eds Fall wittert man dahinter eine veritable Katastrophe - auch manch eigenwillige Umdeutung der Geschehnisse durch Min kommen mag. Es wäre jedenfalls eine reizvolle Aufgabe, in welchem Unterricht auch immer, Eds Sicht der Dinge darzustellen.
Wer auf eine gescheiterte Beziehung zurückblickt und nach Erklärungen sucht, findet gern Trost in der Überzeugung, man sei eben "zu verschieden" gewesen. Parallel zum Buch hat Handler eine Website (whywebrokeupproject.tumblr.com) etabliert, in der er seine Leser auffordert, Trennungsgeschichten in ein bis zwei Sätzen einzusenden und zu kategorisieren, etwa nach Rubriken wie "Ich nähme ihn sofort zurück!", "Wie konnte ich nur?" oder "Das habe ich wirklich getragen?".
Handlers Interesse an den Strategien, erhobenen Hauptes aus solchen Verlusterfahrungen herauszukommen, ist offenkundig. Er bildet dies in Mins langem Brief überzeugend ab, ohne die Erzählerin vorzuführen. Stattdessen zeigt er, wieder fast an ihr vorbei, wie im Verlauf des Schreibens auch ihre anfangs so festgefügte Perspektive Risse bekommt bis hin zu einem Zusammenbruch unmittelbar nach der Katastrophe, die in die Trennung führt. In einer Suada klagt sie sich an, nicht entfernt dem Bild zu entsprechen, das sie von sich selbst entworfen und vermittelt habe: Sie sei zu nichts begabt, weder schlau noch Künstlerin, ihr Kleidungsstil sei eine Katastrophe, niemand lache über ihre Witze und dergleichen mehr. Was konventionell beginnt, gewinnt im Verlauf von vier engbedruckten Seiten an Fahrt und Aberwitz, an Absurdität, die eine wesentliche Erkenntnis vorbereitet: In Mins vehementer Verneinung von Künstlertum beweist sie das Gegenteil, sie demonstriert Stil und Beredsamkeit, indem sie beides abstreitet.
Wer nun besorgt fragt, was denn von alldem bei "den" Jugendlichen ankomme, hat schon verloren. Zunächst, weil er eine homogene Gruppe annimmt, wo die Lesegewohnheiten, -vorlieben und -erfahrungen ebenso heterogen sind wie unter erwachsenen Lesern. Zweitens, weil die Vorstellung, ein Buch müsse bis in die letzte Autorintention hinein wahrgenommen werden, glücklicherweise an der Realität vorbeigeht, in der wir Leser selbst dafür verantwortlich sind, was wir aus unserer Lektüre machen. Drittens aber, weil Handlers fulminanter Roman in so vielem an Jugendliche - und an sie zuallererst - adressiert ist, dass er seine Wirkung zuverlässig entfaltet, Erzählhaltungen hin oder her.
Denn auch dies vermittelt der Autor mit leichter Hand: So wie Min die gescheiterte Beziehung rekapituliert, die Reliquien ordnet, beschriftet und für Ed erläutert, wird sie zur Kuratorin ihres privaten Liebesmuseums. Am Ende sind die "43 Gründe, warum es aus ist" nichts anderes als die Gründe, warum es überhaupt angefangen hat. Und dafür möchte man Daniel Handler beinahe weise nennen.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Lemony Snicket hat der Amerikaner Daniel Handler Millionen begeistert. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der zu den besten Jugendbüchern der letzten Jahre gehört. Es ist die Geschichte einer gescheiterten Beziehung.
Noch ein paar Minuten, dann wird ein Karton vor Eds Tür landen. "Entweder du fühlst es oder du fühlst es nicht" steht auf dem Deckel, ein Lieblingssatz der sechzehnjährigen Min, die zwei Monate mit Ed zusammen war und ihm nun diese Kiste schickt. Ihr Inhalt: Kronkorken (das erste gemeinsame Bier), Kinokarten (der erste Kuss), eine Pappkamera (Eds Geschenk für Min), ein Küchenhandtuch (als Min Eds Schwester Joan kennenlernte und sogar von ihr gemocht wurde), getrocknete Rosenblätter (aus dem Blumenladen, als alles herauskam), Spielzeug, Fotos, Baumsamen, ein Zuckerstreuer und dergleichen mehr. Weil Min sich aber nicht darauf verlassen mag, dass Ed "es fühlt", schreibt sie ihm unterwegs einen langen Brief. Jedes Ding im Karton erhält darin seinen Platz in der Liebesgeschichte, die nun vorüber ist. Sie sind die Essenz, die der Brief Stück für Stück erklärt. Zusammen bilden sie eines der schönsten Jugendbücher seit langer Zeit.
Es heißt "43 Gründe, warum es aus ist", erscheint am Montag in deutscher Übersetzung bei Hanser, und es stammt von dem Autor Daniel Handler und der Künstlerin Maira Kalman. Die New Yorker Illustratorin hat jeden Gegenstand aus Mins Kiste mit filigranem Pinselstrich und beherzter Farbgebung gemalt. Das Buch ist nicht die einzige Zusammenarbeit der beiden; auf Youtube gibt es etwa einen Clip, in dem der Autor gemeinsam mit Kalman in privater Atmosphäre ein skurriles Loblied auf Bibliotheken singt.
Handlers von der Kritik gefeierte Kinder- und Jugendbücher erzielten in den Vereinigten Staaten zweistellige Millionenauflagen, während alle Versuche, sie bei uns zu etablieren, bislang wenig fruchteten. Berühmt wurde er unter dem Pseudonym "Lemony Snicket" mit einer dreizehnteiligen Buchreihe um die Waisenkinder Violet, Klaus und Sunny Baudelaire, die nach dem Feuertod ihrer Eltern von dem ewig hustenden Anwalt Poe bei wechselnden Pflegeeltern untergebracht werden. Die Kinder landen in der "Schule des Schreckens", am Ufer des "Seufzersees", im "Schaurigen Spital" oder "Haarsträubenden Hotel", immer verfolgt von ihrem Onkel "Graf Olaf", der die Geschwister um die Ecke bringen und sie beerben will.
Der 1970 geborene Daniel Handler, dessen jüdischer Vater als Kind aus Deutschland fliehen musste, und seine spätere Frau, eine Opernsängerin, infolge eines Wirbelsturms kennenlernte, weswegen sich der Autor einmal als "Produkt zweier Katastrophen" bezeichnete, spielt als Lemony Snicket virtuos mit der operettenhaften Szenerie und spickt seine äußerst fesselnde Handlung mit Verweisen auf das Bühnengeschehen im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert - nicht zufällig sind die besten Freunde der Baudelaire-Waisen das Zwillingspaar "Isadora" und "Duncan". Dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, erschließt sich jungen Lesern sofort, und man muss die Anspielungen im Einzelnen gar nicht verstehen, um den doppelten Boden zu ahnen und die ständigen Trugschlüsse zu genießen.
Man könnte auch sagen: Daniel Handlers Bücher sind eine Schule des Lesens. In der mancherorts gern als "unterkomplex" verschrienen Kinder- und Jugendliteratur zeigen sie, was artistisch möglich ist, wenn sich ein Autor nur traut. Wenn er es vermeidet, die immergleichen Klischees zu bedienen oder sein Sujet von vornherein dort anzusiedeln, wo es fünfzig andere Jugendbuchautoren auch gerade tun. Wenn er seine Leser mit einer Sprache verschont, die gegenwärtig sein will und gerade deshalb besonders rasch altert. Wenn er registriert, wie er rezipiert wird, ohne sein Schreiben danach auszurichten. Kurz: wenn er eben nicht seine Ansprüche herunterschraubt, um auf vermeintliche Bedürfnisse einer jungen Leserschaft zu reagieren, sondern sie im Gegenteil dazu herausfordert, an einem Text zu wachsen, ohne sie dabei durch pädagogischen Eifer zu verprellen.
Das gilt besonders für Handlers Liebesgeschichte von Min und Ed, für "43 Gründe, warum es aus ist", im Original: "Why We Broke Up". Denn so rasch die Erzählerin unsere Herzen gewinnt, so beredt sie anhand der Objekte ihre Geschichte erzählt und dabei ein Bild der Gegensätze malt (hier der Mädchenschwarm und Basketballstar der Schulmannschaft, dort die Cineastin mit dem feinsinnigen Freundeskreis) - so klug und großartig dieses Mädchen auch ist, so sehr lehrt Handler uns auch, vor ihr auf der Hut zu sein.
Schließlich sehen wir Ed nur durch ihre Augen, hören ihn mit ihren Ohren, und dass Mins Wahrnehmung im hohen Maß von Emotionen eingefärbt ist, erschließt sich rasch. Glaubt man ihr, ist Ed im Wesentlichen an Basketball interessiert, von den Filmen, die ihr am Herzen liegen, hat er keine Ahnung (wenn er freiwillig ins Kino geht, dann in Klamotten wie "Vollidioten III: Achtung, unter dir!"), und so verkörpert sie für ihn die Chance, seinen Horizont gründlich zu erweitern.
Befragt nach Eds Perspektive, sagt Handler, er berichte in seinem Buch nun einmal Mins Geschichte, und weil ihr Geliebter etwas weniger auskunftsfreudig sei als sie, hätte seine Version wahrscheinlich auf einem Post-it Platz. Allerdings ist Handler viel zu gewieft, um es dabei zu belassen. Er erzählt - geradewegs an Min vorbei -, wie gekonnt Ed sie auflaufen lässt, wenn sie ihm ihre Weltvorstellungen überstülpen will. Etwa wenn es um die Maskierungen für den Halloween-Ball geht. Ed erzählt, dass seine Freunde und er als Sträflingskolonne gehen. "Ist das nicht rassistisch?", fragt Min besorgt. "Ich glaube, Sträflingskolonnen nehmen jeden", antwortet Ed.
Spätestens hier ist klar, dass Min ihren Freund permanent unterschätzt. Und dass zu den auffälligen Leerstellen in ihrem Bericht - die Eltern kommen allenfalls am Rand vor, und speziell in Eds Fall wittert man dahinter eine veritable Katastrophe - auch manch eigenwillige Umdeutung der Geschehnisse durch Min kommen mag. Es wäre jedenfalls eine reizvolle Aufgabe, in welchem Unterricht auch immer, Eds Sicht der Dinge darzustellen.
Wer auf eine gescheiterte Beziehung zurückblickt und nach Erklärungen sucht, findet gern Trost in der Überzeugung, man sei eben "zu verschieden" gewesen. Parallel zum Buch hat Handler eine Website (whywebrokeupproject.tumblr.com) etabliert, in der er seine Leser auffordert, Trennungsgeschichten in ein bis zwei Sätzen einzusenden und zu kategorisieren, etwa nach Rubriken wie "Ich nähme ihn sofort zurück!", "Wie konnte ich nur?" oder "Das habe ich wirklich getragen?".
Handlers Interesse an den Strategien, erhobenen Hauptes aus solchen Verlusterfahrungen herauszukommen, ist offenkundig. Er bildet dies in Mins langem Brief überzeugend ab, ohne die Erzählerin vorzuführen. Stattdessen zeigt er, wieder fast an ihr vorbei, wie im Verlauf des Schreibens auch ihre anfangs so festgefügte Perspektive Risse bekommt bis hin zu einem Zusammenbruch unmittelbar nach der Katastrophe, die in die Trennung führt. In einer Suada klagt sie sich an, nicht entfernt dem Bild zu entsprechen, das sie von sich selbst entworfen und vermittelt habe: Sie sei zu nichts begabt, weder schlau noch Künstlerin, ihr Kleidungsstil sei eine Katastrophe, niemand lache über ihre Witze und dergleichen mehr. Was konventionell beginnt, gewinnt im Verlauf von vier engbedruckten Seiten an Fahrt und Aberwitz, an Absurdität, die eine wesentliche Erkenntnis vorbereitet: In Mins vehementer Verneinung von Künstlertum beweist sie das Gegenteil, sie demonstriert Stil und Beredsamkeit, indem sie beides abstreitet.
Wer nun besorgt fragt, was denn von alldem bei "den" Jugendlichen ankomme, hat schon verloren. Zunächst, weil er eine homogene Gruppe annimmt, wo die Lesegewohnheiten, -vorlieben und -erfahrungen ebenso heterogen sind wie unter erwachsenen Lesern. Zweitens, weil die Vorstellung, ein Buch müsse bis in die letzte Autorintention hinein wahrgenommen werden, glücklicherweise an der Realität vorbeigeht, in der wir Leser selbst dafür verantwortlich sind, was wir aus unserer Lektüre machen. Drittens aber, weil Handlers fulminanter Roman in so vielem an Jugendliche - und an sie zuallererst - adressiert ist, dass er seine Wirkung zuverlässig entfaltet, Erzählhaltungen hin oder her.
Denn auch dies vermittelt der Autor mit leichter Hand: So wie Min die gescheiterte Beziehung rekapituliert, die Reliquien ordnet, beschriftet und für Ed erläutert, wird sie zur Kuratorin ihres privaten Liebesmuseums. Am Ende sind die "43 Gründe, warum es aus ist" nichts anderes als die Gründe, warum es überhaupt angefangen hat. Und dafür möchte man Daniel Handler beinahe weise nennen.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als eines der "schönsten" Jugendbücher seit langer Zeit lobt Rezensent Tilman Spreckelsen Daniel Handlers neuen Roman "43 Gründe, warum es aus ist". Handler, der bereits unter dem Pseudonym Lemony Snicket "virtuose" und erfolgreiche Jugendromane veröffentlichte, erzähle hier aus der Perspektive der jungen Cineastin Min die Geschichte der gescheiterten Beziehung mit dem Mädchenschwarm Ed. Der Kritiker würdigt nicht nur die Idee des Autors, diese Liebesgeschichte aus mit kurzen Geschichten versehenen Liebesreliquien zu rekonstruieren, sondern schätzt auch Handlers Mut, den jungen Lesern mit seinem komplexen Roman - ganz ohne "pädagogischen Eifer" - durchaus einiges zuzutrauen. Nicht zuletzt dank der liebevollen Illustrationen der New Yorker Künstlerin Maira Kalman kann der Rezensent diesen humorvollen, nachhaltig wirkenden und nahezu "weisen" Roman nur unbedingt empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Weil diese Geschichte von ... Daniel Handler stammt, der in einer sehr seltenen Mischung stilsicher, skurril, witzig und herzerwärmend traurig sein kann, ist dieses Buch der richtige Begleiter: für alle, die wissen wollen, warum etwas zu Ende gegangen ist, und auch für die, die sich erinnern wollen, warum etwas eigentlich einmal angefangen hat." Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine am Sonntag, 26.06.16
"Selten ist schöner, klüger und unterhaltsamer vom Liebeskummer eines Teenagers erzählt worden als in "43 Gründe, warum es aus ist" von Daniel Handler." Verena Specks-Ludwig, WDR 5, Scala, 30.07.13
"Daniel Handler erzählt in seinem Roman sensibel und ganz auf der Höhe der jugendlichen Emotionalität, was Liebeskummer mit einem anstellen kann." Christine Lötscher, Tages-Anzeiger, 01.10.13
"Als Lemony Snicket hat der Amerikaner Daniel Handler Millionen begeistert. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der zu den besten Jugendbüchern der letzten Jahre gehört. Es ist die Geschichte einer gescheiterten Beziehung. ... Eines der schönsten Jugendbücher seit langer Zeit." Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.07.13
"Selten ist schöner, klüger und unterhaltsamer vom Liebeskummer eines Teenagers erzählt worden als in "43 Gründe, warum es aus ist" von Daniel Handler." Verena Specks-Ludwig, WDR 5, Scala, 30.07.13
"Daniel Handler erzählt in seinem Roman sensibel und ganz auf der Höhe der jugendlichen Emotionalität, was Liebeskummer mit einem anstellen kann." Christine Lötscher, Tages-Anzeiger, 01.10.13
"Als Lemony Snicket hat der Amerikaner Daniel Handler Millionen begeistert. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der zu den besten Jugendbüchern der letzten Jahre gehört. Es ist die Geschichte einer gescheiterten Beziehung. ... Eines der schönsten Jugendbücher seit langer Zeit." Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.07.13