Das Buch beleuchtet Bachs Leben und Werk aus neuen Perspektiven, und es widmet sich Aspekten wie etwa Schule, Gelehrtheit, Mathematik, Augenleiden, Tod, Johannespassion oder Thomaskirche. Es zeichnet ein lebendiges und farbiges Bild vom Musikuniversum Bach, seiner Zeit und seinen Zeitgenossen, seinen Kämpfen und Leidenschaften, seiner Bescheidenheit und Größe, seiner ungeheuren Schaffensenergie und Phantasie, seiner Einsamkeit und seiner Lebenstragik.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In einer Sammelbesprechung untersucht Thomas Schacher zehn Bücher über Johann Sebastian Bach. Dabei sind die ersten fünf der besprochenen Bücher eher der musikwissenschaftlichen Literatur zuzuordnen, während die letzten fünf populärwissenschaftlichen Charakters sind. Schacher stellt fest, dass sich die Bilder über den Komponisten in diesen Büchern teilweise erheblich von einander unterscheiden, ja widersprechen. Diese Widersprüche stellt er selbst innerhalb der musikwissenschaftlichen Literatur fest, wofür er nicht zuletzt die spärlichen Quellen zu Bachs privatem Leben verantwortlich macht. Letztlich sei aber jegliche Erkenntnis über Bach immer nur eine vorläufige, die auch in Zukunft um neue Aspekte ergänzt werden wird.
1.) Martin Geck: "Bach. Leben und Werk" (Rowohlt Verlag)
Schacher hält es für einigermaßen mutig, dass Geck sich dem Komponisten und seinem Werk "aus der Sicht von heute" nähert. Diese Haltung scheint der Rezensent durchaus zu begrüßen, denn der Autor geht, wie er feststellt, dem heutigen Bedürfnis nach "Mythos" nach, dem Wunsch nach Identifikation, der gerade bei Bach - nicht zuletzt wegen der lückenhaften Quellen zu seiner Person - kaum zu erfüllen ist. Ein zweiter Aspekt, den Schacher betont, ist dass Geck das Denken des Komponisten "zwischen Alt und Neu" einordnet, also nicht - wie so viele seiner forschenden Kollegen - primär der Vergangenheit verhaftet sieht. Der Autor sieht in Bachs Musik sowohl Anzeichen eines mittelalterlichen "Ordnungsdenkens" als auch ein neuzeitliches "am Subjekt orientiertes Denken", so Schacher.
2.) Christoph Wolff: "Johann Sebastian Bach" (Fischer-Verlag)
Schacher betont ausdrücklich, dass der Autor durch intensives Quellenstudium "das Wissen über Bach auf den neuesten Stand der Forschung" gebracht hat. Dennoch zeigt sich der Rezensent ein wenig überrascht, dass Wolff den Komponisten in seinem Denken der Zeit vor der Aufklärung zuordnet. So sehe Wolff in Bachs Komponieren die "aristotelische Nachahmungslehre als ein Abbilden der Natur" und die mittelalterliche Vorstellung des Quadriviums aus Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie angestrebt.
3.) Konrad Küster (Hrsg.): "Bach-Handbuch" (Bärenreiter und Metzler)
An diesem Band hebt der Rezensent besonders den Beitrag von Hans-Joachim Hinrichsen hervor, der hier - wie Schacher feststellt - einen "fundierten Überblick über die Rezeptionsgeschichte der letzten 250 Jahre" gibt. Besonders interessant erscheint ihm dabei die Bach-Rezeption in den beiden deutschen Staaten. Während in der DDR Bach als fortschrittlich galt, um auch in das "marxistisch-atheistische Weltbild" zu passen, betrachtete man Bach in der damaligen Bundesrepublik primär als Kirchenmusiker und Komponisten religiöser Werke, so Schacher.
4.) Klaus Eidam: "Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach (Piper)
"Geradezu peinlich" findet es Schacher, dass der von ihm geschätzte Piper-Verlag ein Buch dieses Schlages herausgebracht hat. Die hervorstechendsten Merkmale des Bandes sind seiner Ansicht nach "Arroganz und Selbstüberschätzung" des Autors, was sich bereits im Titel ankündige. Der Rezensent zeigt sich geradezu abgestoßen von Eidams polemischen Angriffen gegen dessen Kollegen und die Bach-Forschung insgesamt. Seinerseits scheint Eidam jedoch nicht viel Neues zur Bach-Forschung beizutragen, jedenfalls erwähnt der Rezensent nicht einen einzigen Aspekt, der ihm interessant genug erschienen wäre.
5.) Arno Forchert: "Johann Sebastian Bach und seine Zeit" (Laaber-Verlag)
An diesem Buch lobt der Rezensent, dass es offenbar auch möglich ist, Bach als modern und aufgeklärt zu zeigen, ohne dabei zwangsläufig von "einer linken Ideologie geprägt zu sein" (Schacher bezieht sich mit dieser Anmerkung augenscheinlich auf die Bach-Rezeption in der DDR). Forchert habe bei der Beschäftigung mit Bach zahlreiche Hinweise gefunden, die darauf hindeuten, dass Bach durchaus Kontakt mit Vertretern "moderner Lebensweise" gepflegt hat, wofür Schacher einige Beispiele aufzählt.
6.) Christoph Rueger: "Johann Sebastian Bach. Wie im Himmel so auf Erden" (Heyne)
Diesem Buch kann der Rezensent nicht wirklich etwas abgewinnen und deutet an, dass sich der ehemalige Thomaner Christoph Rueger offenbar sehr stark "mit seinem Gegenstand" identifiziert. Rueger lobt - so der Rezensent - bei Bach "innere Ordnung, Pflichterfüllung und Gemeinsinn", und möchte seinen Lesern diese Tugenden in den heutigen Zeiten von Werteverlust ans Herz legen. Schacher bemängelt dabei, dass der Autor unkritisch "sämtliche Klischees der Bach-Literatur" aufgewärmt habe.
7.) Günter Jena: "Das gehet meiner Seele nah" (Herder)
Auch hier macht Schacher eine starke Identifikation aus, allerdings im positiven Sinne. Der Rezensent weist darauf hin, dass Jena lange Jahre Kirchenmusikdirektor an St. Michaelis in Hamburg war und mit diesem Band seine Erfahrungen als Musiker weitergeben möchte. Schacher gefällt es, dass Jena "nicht belehren, sondern berühren" möchte. Dabei geht der Autor nach Schacher nicht nur auf rein musikalische Aspekte ein, sondern beispielsweise auch auf moderne Deutungen des Verrates von Judas (z. B. der Konflikt zwischen Treue und Ehrlichkeit zu sich selbst).
8.) Franz Rueb: "Achtundvierzig Variationen über Bach" (Reclam)
Nur beiläufig geht Schacher auf dieses Buch ein und weist darauf hin, dass der Titel des Buchs auf die 48 Präludien und Fugen des "Wohltemperierten Klaviers" anspielt. Dementsprechend habe der Autor seine Variationen mit "korrespondierenden Paaren wie `Vergessen` und `Erinnern`" betitelt.
9.) Maarten tHart: "Bach und ich" (Arche)
Der Titel des Buchs erscheint dem Rezensenten zwar ein wenig "unbescheiden", dennoch kann er sich für diesen Band durchaus begeistern. Offensichtlich hat er nicht erwartet, mit welcher Sachkenntnis der Autor (der bisher vor allem durch Romane bekannt geworden ist), hier zu Werke gegangen ist. So staunt Schacher über das ausgiebige Quellen- und Literaturstudium des Autors ebenso, wie über die Tatsache, dass das "Wohltemperierte Klavier" nach Angaben des Autors zu dessen "täglichem musikalischen Brot" gehört. Dass tHart anhand von Bachs Orgel- und Klavierwerken "seine eigenen Entdeckungsreisen nachzeichnet", scheint dem Rezensenten ausnehmend gut zu gefallen.
10.) Andreas Liebert "Mein Vater, der Kantor Bach" (Lichtenberg/Droemersche Verlagsanstalt)
Schacher weist darauf hin, dass es sich bei diesem Buch um ein fiktives Tagebuch von Bachs Tocher Catharina Dorothea handelt. Das findet der Rezensent durchaus "spannend zu lesen". Liebert habe einerseits zahlreiche überlieferte Anekdoten zusammengetragen, andererseits die vielen Lücken in Bachs Biografie mit Phantasie "ausgefüllt". Dass Liebert auch auf Themen wie "Frauenemanzipation" oder Normenkonflikte eingangen ist, erleichtert nach Ansicht des Rezensenten die Identifikation "für die Leserschaft der heutigen Zeit".
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1.) Martin Geck: "Bach. Leben und Werk" (Rowohlt Verlag)
Schacher hält es für einigermaßen mutig, dass Geck sich dem Komponisten und seinem Werk "aus der Sicht von heute" nähert. Diese Haltung scheint der Rezensent durchaus zu begrüßen, denn der Autor geht, wie er feststellt, dem heutigen Bedürfnis nach "Mythos" nach, dem Wunsch nach Identifikation, der gerade bei Bach - nicht zuletzt wegen der lückenhaften Quellen zu seiner Person - kaum zu erfüllen ist. Ein zweiter Aspekt, den Schacher betont, ist dass Geck das Denken des Komponisten "zwischen Alt und Neu" einordnet, also nicht - wie so viele seiner forschenden Kollegen - primär der Vergangenheit verhaftet sieht. Der Autor sieht in Bachs Musik sowohl Anzeichen eines mittelalterlichen "Ordnungsdenkens" als auch ein neuzeitliches "am Subjekt orientiertes Denken", so Schacher.
2.) Christoph Wolff: "Johann Sebastian Bach" (Fischer-Verlag)
Schacher betont ausdrücklich, dass der Autor durch intensives Quellenstudium "das Wissen über Bach auf den neuesten Stand der Forschung" gebracht hat. Dennoch zeigt sich der Rezensent ein wenig überrascht, dass Wolff den Komponisten in seinem Denken der Zeit vor der Aufklärung zuordnet. So sehe Wolff in Bachs Komponieren die "aristotelische Nachahmungslehre als ein Abbilden der Natur" und die mittelalterliche Vorstellung des Quadriviums aus Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie angestrebt.
3.) Konrad Küster (Hrsg.): "Bach-Handbuch" (Bärenreiter und Metzler)
An diesem Band hebt der Rezensent besonders den Beitrag von Hans-Joachim Hinrichsen hervor, der hier - wie Schacher feststellt - einen "fundierten Überblick über die Rezeptionsgeschichte der letzten 250 Jahre" gibt. Besonders interessant erscheint ihm dabei die Bach-Rezeption in den beiden deutschen Staaten. Während in der DDR Bach als fortschrittlich galt, um auch in das "marxistisch-atheistische Weltbild" zu passen, betrachtete man Bach in der damaligen Bundesrepublik primär als Kirchenmusiker und Komponisten religiöser Werke, so Schacher.
4.) Klaus Eidam: "Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach (Piper)
"Geradezu peinlich" findet es Schacher, dass der von ihm geschätzte Piper-Verlag ein Buch dieses Schlages herausgebracht hat. Die hervorstechendsten Merkmale des Bandes sind seiner Ansicht nach "Arroganz und Selbstüberschätzung" des Autors, was sich bereits im Titel ankündige. Der Rezensent zeigt sich geradezu abgestoßen von Eidams polemischen Angriffen gegen dessen Kollegen und die Bach-Forschung insgesamt. Seinerseits scheint Eidam jedoch nicht viel Neues zur Bach-Forschung beizutragen, jedenfalls erwähnt der Rezensent nicht einen einzigen Aspekt, der ihm interessant genug erschienen wäre.
5.) Arno Forchert: "Johann Sebastian Bach und seine Zeit" (Laaber-Verlag)
An diesem Buch lobt der Rezensent, dass es offenbar auch möglich ist, Bach als modern und aufgeklärt zu zeigen, ohne dabei zwangsläufig von "einer linken Ideologie geprägt zu sein" (Schacher bezieht sich mit dieser Anmerkung augenscheinlich auf die Bach-Rezeption in der DDR). Forchert habe bei der Beschäftigung mit Bach zahlreiche Hinweise gefunden, die darauf hindeuten, dass Bach durchaus Kontakt mit Vertretern "moderner Lebensweise" gepflegt hat, wofür Schacher einige Beispiele aufzählt.
6.) Christoph Rueger: "Johann Sebastian Bach. Wie im Himmel so auf Erden" (Heyne)
Diesem Buch kann der Rezensent nicht wirklich etwas abgewinnen und deutet an, dass sich der ehemalige Thomaner Christoph Rueger offenbar sehr stark "mit seinem Gegenstand" identifiziert. Rueger lobt - so der Rezensent - bei Bach "innere Ordnung, Pflichterfüllung und Gemeinsinn", und möchte seinen Lesern diese Tugenden in den heutigen Zeiten von Werteverlust ans Herz legen. Schacher bemängelt dabei, dass der Autor unkritisch "sämtliche Klischees der Bach-Literatur" aufgewärmt habe.
7.) Günter Jena: "Das gehet meiner Seele nah" (Herder)
Auch hier macht Schacher eine starke Identifikation aus, allerdings im positiven Sinne. Der Rezensent weist darauf hin, dass Jena lange Jahre Kirchenmusikdirektor an St. Michaelis in Hamburg war und mit diesem Band seine Erfahrungen als Musiker weitergeben möchte. Schacher gefällt es, dass Jena "nicht belehren, sondern berühren" möchte. Dabei geht der Autor nach Schacher nicht nur auf rein musikalische Aspekte ein, sondern beispielsweise auch auf moderne Deutungen des Verrates von Judas (z. B. der Konflikt zwischen Treue und Ehrlichkeit zu sich selbst).
8.) Franz Rueb: "Achtundvierzig Variationen über Bach" (Reclam)
Nur beiläufig geht Schacher auf dieses Buch ein und weist darauf hin, dass der Titel des Buchs auf die 48 Präludien und Fugen des "Wohltemperierten Klaviers" anspielt. Dementsprechend habe der Autor seine Variationen mit "korrespondierenden Paaren wie `Vergessen` und `Erinnern`" betitelt.
9.) Maarten tHart: "Bach und ich" (Arche)
Der Titel des Buchs erscheint dem Rezensenten zwar ein wenig "unbescheiden", dennoch kann er sich für diesen Band durchaus begeistern. Offensichtlich hat er nicht erwartet, mit welcher Sachkenntnis der Autor (der bisher vor allem durch Romane bekannt geworden ist), hier zu Werke gegangen ist. So staunt Schacher über das ausgiebige Quellen- und Literaturstudium des Autors ebenso, wie über die Tatsache, dass das "Wohltemperierte Klavier" nach Angaben des Autors zu dessen "täglichem musikalischen Brot" gehört. Dass tHart anhand von Bachs Orgel- und Klavierwerken "seine eigenen Entdeckungsreisen nachzeichnet", scheint dem Rezensenten ausnehmend gut zu gefallen.
10.) Andreas Liebert "Mein Vater, der Kantor Bach" (Lichtenberg/Droemersche Verlagsanstalt)
Schacher weist darauf hin, dass es sich bei diesem Buch um ein fiktives Tagebuch von Bachs Tocher Catharina Dorothea handelt. Das findet der Rezensent durchaus "spannend zu lesen". Liebert habe einerseits zahlreiche überlieferte Anekdoten zusammengetragen, andererseits die vielen Lücken in Bachs Biografie mit Phantasie "ausgefüllt". Dass Liebert auch auf Themen wie "Frauenemanzipation" oder Normenkonflikte eingangen ist, erleichtert nach Ansicht des Rezensenten die Identifikation "für die Leserschaft der heutigen Zeit".
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Ruebs "48 Variationen" lesen sich leicht, geradezu spaziergängerisch. Das liegt an einer einfachen, guten Erfindung, der man unter den Sachbuchautoren Nachahmer wünscht. Dadurch nämlich, dass die Materialfülle unter Stichworten gebündelt ist (Vergessen, Bilder, Eisenach, Ohrdruf, Briefe, Teufel, Aufklärung), entstehen überschaubare Lese-Inseln, auf denen Fragen Antwort finden. Dass dadurch ein paar Zusammenhänge wiederholt gestellt werden, stört nicht, sondern erscheint einem bald als eine symphonische Qualität. Wie sehr man bei dieser Lektüre lernt - man merkt es kaum! Die Welt