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Band 2 der Geschichte des Wohnens beschreibt die Lebensverhältnisse des Menschen in Europa in den Jahrhunderten zwischen Mittelalter und der Aufklärung. Er beginnt mit dem Wohnen in der frühgeschichtlichen Zeit, mit der Nutzung Römischer Ruinen, den ländlichen Bauten und dem Wohnen in vorstädtischen Großsiedlungen. Unterschiedliche funktionale Bauten wie Werkstätten, Ställe, Speicher und Keller werden ebenso behandelt wie die Organisation und Struktur von Siedlungen. Die Ausprägung regionaler Besonderheiten beim Wohnen im hohen Mittelalter und die Verhältnisse in bezug auf hausbauliche…mehr

Produktbeschreibung
Band 2 der Geschichte des Wohnens beschreibt die Lebensverhältnisse des Menschen in Europa in den Jahrhunderten zwischen Mittelalter und der Aufklärung. Er beginnt mit dem Wohnen in der frühgeschichtlichen Zeit, mit der Nutzung Römischer Ruinen, den ländlichen Bauten und dem Wohnen in vorstädtischen Großsiedlungen. Unterschiedliche funktionale Bauten wie Werkstätten, Ställe, Speicher und Keller werden ebenso behandelt wie die Organisation und Struktur von Siedlungen. Die Ausprägung regionaler Besonderheiten beim Wohnen im hohen Mittelalter und die Verhältnisse in bezug auf hausbauliche Technik, Wohnkomfort und Bebauungsdichte gehören zu den weiteren Themen des Bandes. Die Entwicklungstendenzen in den ländlichen, städtischen und adligen Wohn- und Lebensformen, die Ökonomie des Bauens und das Handwerk sowie die Herausbildung einer alteuropäischen Wohnkultur ergänzen die Geschichte des Wohnens in dieser Epoche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1999

Das Hochhaus ziert den hohen Herrn
Adlige haben sich mit Turmbauten eine tolle gesellschaftliche Stellung geschaffen: Die "Geschichte des Wohnens" vermißt Alteuropa

Das Haus verspricht Schutz vor der Gewalt der Natur. Da der Wohnkomfort die Menschen frei atmen läßt, taugt er zum Maßstab für zivilisatorischen Fortschritt. Von der fünfbändigen "Geschichte des Wohnens", die die Wüstenrot Stiftung in Auftrag gegeben hat, liegen der dritte und vierte Band bereits vor (F.A.Z. vom 2. Dezember 1997). Ulf Dirlmeier gibt nun den zweiten Band heraus, der Mittelalter und Frühneuzeit umspannt. Die enzyklopädische Reihe wendet sich an Leser, die viel Zeit haben und bereit sind, eine große Lektüreleistung zu vollbringen. Das Untersuchungsgebiet bleibt im zweiten Band vornehmlich auf den deutschen Sprachraum beschränkt.

Imma Kilian schildert das Wohnen im frühen Mittelalter. Zahlreiche archäologische Grabungen werden ausgewertet, wobei Fotografien, Zeichnungen und Modelle den Text begleiten. Obzwar die ehemaligen römischen Städte an Mosel, Rhein und Donau teilweise bewohnt blieben, lebte die Bevölkerung überwiegend auf dem Land. Den Mittelpunkt eines umzäunten dörflichen Gehöfts bildete das Wohnstallhaus, wo Mensch und Vieh lediglich durch eine halbhohe Querwand getrennt waren. Im einräumigen, dunklen Wohnteil, wo die rauchige Feuerstelle die einzige feste Einrichtung war, wurde gekocht, gegessen und geschlafen. Nur auf dem Herrenhof ging es um eine Spur komfortabler zu, da es für Wohnraum und Stall je ein eigenes Gebäude gab.

Während in den dörflichen Siedlungen die Gebäude aus Holz und Lehm in Pfostenbauweise errichtet wurden, waren Steinbauten mit Repräsentations- und Wohnräumen vornehmlich das Privileg von königlichen und bischöflichen Pfalzen und Klöstern. Es ist schade, daß die Kaiserpfalz in Aachen oder der St. Gallener Idealplan eines Klosters nicht erörtert werden. Die große Bedeutung der Klöster für die abendländische Wohn- und Lebenskultur bleibt insgesamt in diesem Buch unterbelichtet.

Für den Abschnitt über das Wohnen im hohen Mittelalter zeichnet Antje Kluge-Pinsker verantwortlich. Grafen und Ministerialen konnten sich nun Steinbauten leisten. In den Dörfern wurde das herrschaftliche Wohngebäude aus dem Fron- und Wirtschaftshof ausgelagert und als steinerner Wohnturm mit zwei oder drei Räumen übereinander neu aufgeführt. Das neue Haus bot dem ritterlichen Herrn nicht nur Schutz, sondern demonstriert auch dessen herausgehobene Stellung im Dorf.

Zur selben Zeit wuchsen die Städte römischer Provenienz wieder, wurden neue Städte planmäßig angelegt. Auch dort errichteten die Rittergeschlechter Wohntürme, während die Kaufleute im hinteren Teil ihrer Anwesen steinerne Wohnspeicherbauten mauern ließen; erst im Spätmittelalter wurde es auch den Kaufleuten erlaubt, an der Straßenfront Häuser aus Stein zu bauen. Die Handwerker und Bauern hausten in Pfostenhäusern, die nach und nach von Ständerbauten abgelöst wurden. Da die Ständerkonstruktion im Gegensatz zur Pfostenkonstruktion nicht mehr im Erdreich fußt, sondern auf einem Steinfundament, ist sie langlebiger und stabiler. Um allerdings solche Verbesserungen der Hausbautechnik zu verstehen und zu überblicken, muß der Leser mit der Autorin lange Wege gehen, muß wie eine archäologische Wühlmaus in unzähligen Grabungsstätten das Zentimetermaß anlegen und mit den Fachbegriffen der Zimmermannskunst bestens vertraut sein.

Die Hauptgebäude fürstlicher Burgen wurden im Gegensatz zum frühen Mittelalter stärker gegliedert. Wolfram von Eschenbach, vertraut mit den Verhältnissen am Thüringer Hof, hat im "Parzival" plastisch das Wohnen in fürstlichen Gemächern geschildert. Kluge-Pinsker verschenkt die Möglichkeit, mit Zitaten aus der höfischen Literatur des Hochmittelalters oder mit Bildern der Buchmalerei den Räumen Leben einzuhauchen.

Die Geschichte des Wohnens im Spätmittelalter haben Fritz Schmidt und Ulf Dirlmeier geschrieben. Die Wohnungen waren im Durchschnitt "besser gebaut, besser geheizt, besser beleuchtet und reichhaltiger möbliert als in den vorausgegangenen Jahrhunderten". Das älteste in seinem Baubestand erhaltene Bauernhaus, das im Jahr 1367 in Höfstetten errichtet wurde und heute im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim zu sehen ist, ist im Inneren funktional differenziert. Es finden sich Stall, Roßstall, Gang, Tenne, Schlafkammer, eine zwanzig Quadratmeter große Wohnstube und eine ebenso große Küche, wobei die Stube über einen Ofen verfügt, der von der Küche aus beheizt wird.

Eines der schönsten Zitate des Buches zeigt, wie sich am Ende des vierzehnten Jahrhunderts ein Pariser Geschäftsmann nach anstrengenden Reisen behagliche Häuslichkeit vorstellte: "Die Schuhe beim warmen Feuer ausziehen, die Füße waschen lassen, frische Schuhe und Strümpfe anziehen, gutes Essen und Trinken vorgesetzt bekommen, schön bedient und versorgt werden, fein gebettet sein, in weichen Bettüchern und weichen Schlafmützen, anständig zugedeckt sein mit guten Pelzen, verwöhnt durch andere Freuden und Unterhaltungen, Vertraulichkeiten, Liebesdienste und Heimlichkeiten." Um den Komfort zu steigern, richteten reiche Herren am Ende des Mittelalters in ihrem Haus eine eigene Badstube ein.

Gerhard Fouquet berichtet über "Wohnen und Lebensformen" im ausgehenden Mittelalter und nimmt den Leser auf weitverzweigte archivalische Streifzüge mit, um die kommunalen Maßnahmen für die Feuersicherheit, Straßenpflasterung und Kanalisation zu erhellen. In der Periode zwischen 1300 und 1650 ist für den Autor das städtische Streben nach Sauberkeit und Ordnung "moderner" gewesen als im achtzehnten Jahrhundert. Daß sich im sechzehnten Jahrhundert nördlich der Alpen ein Umbruch in der Baukunst vollzog, daß die Formen der Renaissance gegenüber denen der Gotik ein neues Lebensgefühl verkörperten, wird dagegen so gut wie gar nicht behandelt. Zwar werden Bauten der Fugger vorgestellt, deren Dekor "italienischen Geschmack" aufweist, aber der Geist dieser neuen Gebäude wird nicht erläutert. Zwar wird auf einer kleinen Abbildung die Hoffassade des Heidelberger Schlosses wiedergegeben, aber die Anlage wird nicht weiter vorgestellt. Man erfährt nicht, wie ein Renaissancefürst gewohnt hat.

Das letzte Kapitel stammt von Jens Friedhoff. Die Aufnahmefähigkeit hat nach über fünfhundert Seiten Lektüre zwangsläufig nachgelassen. Nun trifft der Leser am Ende auf einen Gelehrten, der eine Schwäche für ausgiebiges Zitieren aus Inventaren, Traktaten und Briefen besitzt. Nicht nur unzählige Hausratsverzeichnisse werden ausgeschöpft, Friedhoff schaut auch in die Ställe, um mit nahezu naturwissenschaftlicher Akribie die Tierhaltung sowohl bäuerlicher als auch adliger Wirtschaftshöfe zu dokumentieren.

Der Autor macht darauf aufmerksam, daß die bauliche Entwicklung in den Reichsstädten nach dem Dreißigjährigen Krieg stagnierte, während viele Landesfürsten versuchten, nicht nur ihr Schloß, sondern auch ihren Residenzort im Stil des Barock um- und ausbauen zu lassen. Dabei ist allenthalben zu spüren, daß die gewaltige Masse an Stoff, die Friedhoff ausbreitet, ihm am Ende selbst die Kraft raubt, die barocken Leitgedanken bei der Gestaltung von Bauten und Plätzen angemessen zu erhellen. Um die Beziehung zwischen der Ludwigskirche und dem Armen-, Zucht- und Waisenhaus auf dem Saarbrücker Ludwigsplatz zu interpretieren, formuliert er unbeholfen: "Eine genauere Betrachtung der Proportionen der Hauptfassade des Armen-, Zucht- und Waisenhauses läßt erkennen, daß das den Ludwigsplatz nach Westen abschließende Gebäude in seiner Gesamtbreite der Breite der Stirnseite des Westkreuzarmes und die risalitartige Zusammenfassung der mittleren Achsen der Breite des Turms entspricht." Die spannenden Übergänge vom Barock zum Rokoko und vom Rokoko zum Klassizismus, die sich im achtzehnten Jahrhundert vollzogen, treten so gut wie nicht in Erscheinung.

Eine größere Souveränität bei der Auswahl der Gegenstände und Quellen, mehr sprachliche Akkuratesse, Eleganz und Anschaulichkeit hätten diesem Buch gutgetan. Der tragende Gedanke, die zunehmende Verfeinerung der Wohnkultur über die Jahrhunderte, geht im Gewirr der Fakten verloren. Man gewinnt den Eindruck, daß die theoretischen und methodologischen Fundamente noch nicht gelegt sind, die ein Überblickswerk über das Wohnen tragen könnten.

ERWIN SEITZ

"Geschichte des Wohnens". Band 2: 500-1800. Hausen - Wohnen - Residieren. Hrsg. v. Ulf Dirlmeier. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998. 816 S., Abb., geb., Subskr.-Pr. 98,- , Einzelpreis 128,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ein über zehn Kilo schweres Werk im "Lexikonformat", das in seinem chronologischen Aufbau Geschichte und Geschichten, Illustrationen aller Art, selbst thematisch passende Gedichte, Fußnoten (an den Rand gestellt, d.h. gut lesbar) und schließlich lange Listen für weiterführende Literatur enthält, schreibt Manfred Sack. Er lobt besonders die Bände 4 (1996 als erster erschienen) und 5 als "mit gut geschriebenen Aufsätzen" bestückt, moniert aber vor allem Band 1, dessen Autoren allzu detailliert von der Frühgeschichte bis zur Antike noch über "die letzte Tonscherbe" Auskunft geben, das Wesentliche jedoch aus dem Auge verlieren. Überrascht haben den Rezensenten, dass jeder behandelte Zeitabschnitt wieder mit Überraschungen aufwarten kann, ob es um städtebauliche Details wie Lagerhäuser und Kanalisationssysteme geht oder um soziale Themen wie Gewerbefreiheit und Wohnungsnot. Sack meint, der hohe Anspruch und die Beharrlichkeit, mit denen die Wüstenrot Stiftung sich für das Projekt engagiert hat, habe eine "außerordentliche kollektive Leistung" hervorgebracht, die auch einige Wermutstropfen vertragen kann, so wie die Ungereimtheit, dass Band 1 in die Ferne bis zum Nil schweifen darf, während ab Band 2 nur das Wohnen "hierzulande" thematisiert ist.

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