Zwischen Politik und Komö die müsse er sich entscheiden, warnte ihn einst sein Kollege Michael Portillo, doch Boris Johnson denkt nicht daran. Er bringt beides unter einen Hut - sowohl in persona als auch in seinem ersten Roman 72 Jungfrauen, einer packenden "Post-9/11- Farce", die unseren Umgang mit dem Terrorismus aufs Korn nimmt. Das Buch spielt in einem Zeitfenster von nur dreieinhalb Stunden: Ein Unterhausabgeordneter radelt, wie der Autor es selbst gerne tut, zur Arbeit, wo der amerikanische Präsident in Westminster Hall eine große Ansprache halten soll. Secret Service und Scotland Yard sorgen mit ihren besten Leuten für Sicherheit, Scharfschützen sind auf dem Dach des Parlamentsgebäudes stationiert. Zur gleichen Zeit gerät eine wilde Gruppe von Pakistanis in einem gestohlenen Krankenwagen in Konflikt mit einem Parkwächter. Während das Fahrrad des Abgeordneten als potentielles Bombendepot eingestuft wird, gelingt es den Terroristen mit dem Parkwächter im Kofferraum des Krankenwagens ohne viel Mühe durch die Sicherheitsschleusen zu schlüpfen. Als die Situation eskaliert, wird daraus ein TV- Spektakel, an dem die ganze Welt teilnimmt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein bisschen erlahmt geht Hannes Hintermeier aus dieser Lektüre, die ihm zunächst angesichts der derzeitigen Sicherheitslage in London heikel, zwischenzeitlich "wirklich komisch" (und bösartig) und letztlich doch ein bisschen verspätet und vor allem dem eigenen kurzatmigen Tempo nicht durchweg gewachsen erscheint. Johnsons Porträt der englischen Middleclass gelingt allerdings, ebenso das des scheiternden Multikulturalismus und das Ausstellen der blinden Blair-Folgsamkeit, findet der Rezensent. Und der Autor, Londons Bürgermeister Boris Johnson, fügt seinem öffentlichen Bild als scharfsinniger, politisch völlig unkorrekter Snob laut Hintermeier ein weiteres schillerndes Scherbchen hinzu - das des ganz genauso schreibenden Romanciers.
© Perlentaucher Medien GmbH
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