Auch antike Politiker waren in Sachen Staatsfinanzen sehr erfinderisch. Beweise liefert das unter dem Namen des Aristoteles überlieferte zweite Buch der 'Oikonomika': Da wurden etwa Abgaben auf langes Haar erhoben oder beinahe ein missliebiger Finanzminister gegen Zahlung einer Sondersteuer abgelöst. Durch die detaillierte Einleitung ermöglicht die Sammlung zugleich lehrreiche Einblicke in die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte.Sprachen: Deutsch, Griechisch (bis 1453)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.200677 Steuertricks
Aristoteles hilft dem Fiskus
VON CARSTEN GERMIS
Wenn es darum geht, den Bürgern Geld aus der Tasche zu ziehen, sind Politiker schon immer findig gewesen. Schon im vierten Jahrhundert vor Christus kannte die Phantasie der Herrschenden keine Grenzen, wenn es galt, dem Staat Einnahmequellen zu erschließen. Der griechische Philosoph Aristoteles hat 77 trickreiche Antworten aus dieser Zeit im zweiten Band seiner "Oikonomika" gesammelt. Für Finanzminister Peer Steinbrück sollte Aristoteles zur Pflichtlektüre werden, denn die heutige Politik hat noch längst nicht alle Tricks gefunden, die Staatseinnahmen zu steigern.
Die Bürger von Lampsakos machten es damals schon genauso wie heute die Bundesregierung. Als sie Geld brauchten, befahlen sie den Händlern Olivenöl, Getreide und Wein, die drei Drachmen kosteten, für vier Drachmen zu verkaufen. Der Händler behielt den alten Betrag, den Zuschlag bekam die Polis - die war nun wohlhabend, und die Mehrwertsteuer war geboren.
Auch die Luxussteuer gab es schon. Dionysios, der Tyrann von Syrakus, bat Frauen zur Kasse, die Schmuck trugen. Jeder, der Gold tragen wollte, mußte dafür eine Abgabe zahlen. Ganz anders lösten die Bürger von Byzantion ihre Geldprobleme. Sie setzten auf Privatisierung und "verkauften, als sie Geld brauchten, die im Gemeindebesitz befindlichen Grundstücke", berichtet Aristoteles: "Und zwar die ertragreichen auf eine bestimmte Zeit, die unergiebigen endgültig." Pfiffig war auch ein Statthalter des persischen Großkönigs. Als er sah, daß die Lykier ihr Haar gerne lang trugen, führte er mal eben ein von ihm festgesetztes Kopfgeld ein. Wer sich weigerte, wurde kahlgeschoren. "Sie zahlten ihm gern, was er verlangte, und so kam viel Geld von vielen Leuten zusammen", schreibt Aristoteles.
Der originellste Vorschlag in der Sammlung des Philosophen stammt aber aus der ägyptischen Provinz Athribes. Ophellas von Olynthos hatte dort einen Finanzminister eingesetzt, der sich schnell unbeliebt machte. Die Bürger reisten zu Ophellas "und erklärten, sie seien gewillt, noch viel mehr zu bezahlen, baten ihn aber, er solle dafür den jetzt eingesetzten Finanzminister entfernen". Ablösung eines mißliebigen Finanzministers gegen Zahlung einer Sondersteuer - auf so einen Vorschlag ist bislang noch keiner der Finanzpolitiker im Bundestag gekommen.
Aristoteles, 77 Tricks zur Steigerung der Staatseinnahmen, Reclam, 3 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aristoteles hilft dem Fiskus
VON CARSTEN GERMIS
Wenn es darum geht, den Bürgern Geld aus der Tasche zu ziehen, sind Politiker schon immer findig gewesen. Schon im vierten Jahrhundert vor Christus kannte die Phantasie der Herrschenden keine Grenzen, wenn es galt, dem Staat Einnahmequellen zu erschließen. Der griechische Philosoph Aristoteles hat 77 trickreiche Antworten aus dieser Zeit im zweiten Band seiner "Oikonomika" gesammelt. Für Finanzminister Peer Steinbrück sollte Aristoteles zur Pflichtlektüre werden, denn die heutige Politik hat noch längst nicht alle Tricks gefunden, die Staatseinnahmen zu steigern.
Die Bürger von Lampsakos machten es damals schon genauso wie heute die Bundesregierung. Als sie Geld brauchten, befahlen sie den Händlern Olivenöl, Getreide und Wein, die drei Drachmen kosteten, für vier Drachmen zu verkaufen. Der Händler behielt den alten Betrag, den Zuschlag bekam die Polis - die war nun wohlhabend, und die Mehrwertsteuer war geboren.
Auch die Luxussteuer gab es schon. Dionysios, der Tyrann von Syrakus, bat Frauen zur Kasse, die Schmuck trugen. Jeder, der Gold tragen wollte, mußte dafür eine Abgabe zahlen. Ganz anders lösten die Bürger von Byzantion ihre Geldprobleme. Sie setzten auf Privatisierung und "verkauften, als sie Geld brauchten, die im Gemeindebesitz befindlichen Grundstücke", berichtet Aristoteles: "Und zwar die ertragreichen auf eine bestimmte Zeit, die unergiebigen endgültig." Pfiffig war auch ein Statthalter des persischen Großkönigs. Als er sah, daß die Lykier ihr Haar gerne lang trugen, führte er mal eben ein von ihm festgesetztes Kopfgeld ein. Wer sich weigerte, wurde kahlgeschoren. "Sie zahlten ihm gern, was er verlangte, und so kam viel Geld von vielen Leuten zusammen", schreibt Aristoteles.
Der originellste Vorschlag in der Sammlung des Philosophen stammt aber aus der ägyptischen Provinz Athribes. Ophellas von Olynthos hatte dort einen Finanzminister eingesetzt, der sich schnell unbeliebt machte. Die Bürger reisten zu Ophellas "und erklärten, sie seien gewillt, noch viel mehr zu bezahlen, baten ihn aber, er solle dafür den jetzt eingesetzten Finanzminister entfernen". Ablösung eines mißliebigen Finanzministers gegen Zahlung einer Sondersteuer - auf so einen Vorschlag ist bislang noch keiner der Finanzpolitiker im Bundestag gekommen.
Aristoteles, 77 Tricks zur Steigerung der Staatseinnahmen, Reclam, 3 Euro.
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