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Christopher Hampton's play is drawn from the testimony Pomsel gave when she finally broke her silence shortly before she died to a group of Austrian filmmakers, and from their documentary A German Life (Christian Krà nes, Olaf Mà ller, Roland Schrotthofer and Florian Weigensamer, produced by Blackbox Film & Media Productions).

Produktbeschreibung
Christopher Hampton's play is drawn from the testimony Pomsel gave when she finally broke her silence shortly before she died to a group of Austrian filmmakers, and from their documentary A German Life (Christian Krà nes, Olaf Mà ller, Roland Schrotthofer and Florian Weigensamer, produced by Blackbox Film & Media Productions).
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das ganz gewöhnliche Leben im Schatten von Goebbels

LONDON, 12. April

Ein gewöhnliche alte Frau sitzt in ihrer gewöhnlichen Wohnung und legt nachdenklich, aber seltsam unbeteiligt Zeugnis ab über ihr Leben, als wäre auch dies ganz gewöhnlich gewesen. Sie hat inzwischen so viele Jahre auf dem Buckel, dass sie sich noch an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert. Damals war sie drei Jahre alt. Inzwischen hat sie die Hundert überschritten und kramt in ihrem Gedächtnis nach den Erinnerungen an den Aufstieg der Nationalsozialisten, an die Verfolgung der Juden und an den Zweiten Weltkrieg, den sie als Stenotypistin im Herzen des mörderischen Regimes überstand. Dessen Untergang hat sie in Hitlers Bunker erlebt, bevor sie für fünf Jahre in sowjetische Gefangenschaft geriet. Wie die drei Affen hat sie nichts gesehen, nichts gehört und nichts gesagt.

Für Politik hat sie sich nicht interessiert. Ihr Pflichtbewusstsein ist stärker gewesen als die Neugier. Sie ist sich keiner Schuld bewusst. Warum auch? Sie hat ja lediglich "Zeug getippt". "Wie kann man sich schuldig fühlen für etwas, worüber man nichts gewusst hat", fragt die alte Frau. Sie heißt Brunhilde Pomsel und ist vor drei Jahren, kurz vor ihrem Tod im Alter von 106 Jahren, der Öffentlichkeit als Sekretärin von Goebbels durch den bemerkenswerten österreichischen Dokumentarfilm "Ein deutsches Leben" vorgestellt worden.

Dieses deutsche Leben hat der britische Dramatiker Christopher Hampton jetzt als Vehikel für die Schauspielerin Maggie Smith zu einem Bühnenstück bearbeitet. Regie führt Jonathan Kent. Es ist der erste Theaterauftritt der 84 Jahre alten Maggie Smith seit zwölf Jahren. Die 29 Vorstellungen in dem wunderbaren neuen Bridge Theatre an der Themse sind restlos ausverkauft. Das Publikum lauscht gebannt, wie Maggie Smith diesen Kraftakt vollbringt, einen hundert Minuten langen, durch gelegentliche Lacher erleichterten Monolog darzubieten. Ihre Stimme ist frei von der kehligen Ironie, mit der sie als Gräfinnenmutter in der Fernsehserie "Downton Abbey" ihre Umwelt runterputzt.

Während sie äußerst konzentriert in aller Aufrichtigkeit versucht, ihr Leben zu rekonstruieren, bricht gelegentlich das komische Talent durch, wenn sie etwa erzählt, dass sie als schnellste Stenotypistin galt und zugleich stolz und selbstabwertend kommentiert, wie typisch es sei, dass sie die "Beste in etwas war, was niemand mehr braucht". Sie sitzt in der Wohnküche ihres Altersheims auf einem geschnitzten Stuhl mit Armlehnen neben einem runden Tisch mit Büchern und Zeitungen. Manchmal fährt sie mit den Fingern über den Tischrand oder legt den Kopf grüblerisch in die Hand: "Wie zum Teufel hieß es noch mal, als sie das ganze Glas zerschepperten?"

Hin und wieder gesteht sie, den Faden verloren zu haben, ein geschickter Kunstgriff, mit dem eventuelle Gedächtnislücken der Darstellerin überspielt werden können. Maggie Smith führt ein Leben vor, wie die meisten es führen, die das Persönliche über das Politische stellen und einfach weitermachen, so gut es geht, ein ganz und gar heldenloses Leben, wie es in Deutschland in die Katastrophe führte, weil Millionen von Menschen sich mitreißen ließen oder wegschauten. Das gehört, wie Brunhilde Pomsel hervorhebt, zum Wesen der Menschen. Darin liegt das Exemplarische ihrer Biografie.

GINA THOMAS

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