Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2011Vorkoloniale Studien
Lokale Vorstellungen über rassische Differenzen spielten eine wichtige Rolle für die Generierung und Intensivierung von nachkolonialen Bürgerkriegen in den Regionen am Südrand der Sahara, am Horn von Afrika oder im Gebiet der Großen Seen. Die Analyse dieser Phänomene habe jedoch, schreibt Bruce Hall, darunter gelitten, dass "Rasse" meist als ausschließlich europäisch-amerikanische Ideologie gedeutet und das Sprechen von Afrikanern über Rasse lediglich als aus der Kolonialzeit herrührendes "falsches Bewusstsein" abgetan wurde. In seiner substantiellen, nicht zuletzt auf der sorgfältigen Auswertung arabischer Quellen beruhenden Untersuchung zum nördlichen Mali argumentiert der an der Duke University lehrende Historiker hingegen, dass "es eine Geschichte des Rassenkonzepts in Afrika gibt, die nicht kolonialen Logiken gehorcht". Diese Geschichten manifestieren sich etwa in den Schriften muslimischer Intellektueller bereits weit vor der Kolonialperiode, häufig in Verbindung mit Diskursen über Sklaverei. Freilich gab es in der westafrikanischen Sahelzone "weder einen Arthur de Gobineau noch einen Herbert Spencer". Denken in Kategorien der Rasse war hier - wie in Europa - im Übrigen keineswegs kohärent, und die konkreten Effekte dieses Denkens auf die sozialen Beziehungen der Menschen gestalteten sich höchst unterschiedlich. Mit Nachdruck plädiert Hall für die analytische Nützlichkeit des Konzepts "Rasse", weil es helfe, zu erkennen, wann lokale Vorstellungen sich mit umfassenderen sozialen Phänomenen verknüpften. (Bruce S. Hall: "A History of Race in Muslim West Africa, 1600-1960". Cambridge University Press, New York u.a. 2011,. 352 S., geb., 59,- [Euro])
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Lokale Vorstellungen über rassische Differenzen spielten eine wichtige Rolle für die Generierung und Intensivierung von nachkolonialen Bürgerkriegen in den Regionen am Südrand der Sahara, am Horn von Afrika oder im Gebiet der Großen Seen. Die Analyse dieser Phänomene habe jedoch, schreibt Bruce Hall, darunter gelitten, dass "Rasse" meist als ausschließlich europäisch-amerikanische Ideologie gedeutet und das Sprechen von Afrikanern über Rasse lediglich als aus der Kolonialzeit herrührendes "falsches Bewusstsein" abgetan wurde. In seiner substantiellen, nicht zuletzt auf der sorgfältigen Auswertung arabischer Quellen beruhenden Untersuchung zum nördlichen Mali argumentiert der an der Duke University lehrende Historiker hingegen, dass "es eine Geschichte des Rassenkonzepts in Afrika gibt, die nicht kolonialen Logiken gehorcht". Diese Geschichten manifestieren sich etwa in den Schriften muslimischer Intellektueller bereits weit vor der Kolonialperiode, häufig in Verbindung mit Diskursen über Sklaverei. Freilich gab es in der westafrikanischen Sahelzone "weder einen Arthur de Gobineau noch einen Herbert Spencer". Denken in Kategorien der Rasse war hier - wie in Europa - im Übrigen keineswegs kohärent, und die konkreten Effekte dieses Denkens auf die sozialen Beziehungen der Menschen gestalteten sich höchst unterschiedlich. Mit Nachdruck plädiert Hall für die analytische Nützlichkeit des Konzepts "Rasse", weil es helfe, zu erkennen, wann lokale Vorstellungen sich mit umfassenderen sozialen Phänomenen verknüpften. (Bruce S. Hall: "A History of Race in Muslim West Africa, 1600-1960". Cambridge University Press, New York u.a. 2011,. 352 S., geb., 59,- [Euro])
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