"The Great War of 1914-1918 reshaped the political geography of the Middle East, destroying a centuries-old, multinational empire, while creating the nation-states of today's Middle East. The political aftermath of the war has proven as heavily contestedas the military battles that shaped the conflict. After a century of change, however, the social experience of the region's inhabitants during those four trying years has faded into the background. This book illuminates the challenges of the civilians who endured and the soldiers who fought through four calamitous years. It is a story of resilience in the midst of hardship, courage in the face of death, and triumph in the cauldron of battle. In this telling, the First World War is not just a global event, but a personal story running across regions and along fronts. From soldiers encountering new worlds on distant battlefields to civilians staving off hunger at home and refugees escaping persecution abroad, the war profoundly upended the social identities and historical memories of the region. For these reasons, and due to the political settlement that followed, World War I stands as the defining moment that shaped the direction of the Middle East for the next 100 years. This social history testifies to the resourcefulness of the people of the region, in particular those of Greater Syria, investigates their experiences, and serves as a foundation for understanding the Great War's enduring legacy"--Provided by publisher.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2015Willkürliche Aufteilung der Beute
Das Ende der Osmanen-Herrschaft im Ersten Weltkrieg und die Kolonialmächte
Studien über den Verlauf und die Folgen des Ersten Weltkrieges außerhalb Europas sind immer noch selten. Immerhin gibt es für den Mittleren Osten jetzt das Buch von Leila Tarazi Fawaz. Am Beispiel Großsyriens beschreibt sie den Transformationsprozess, der die vierhundertjährige Herrschaft der Osmanen in der Region beendete und jenen Mittleren Osten schuf, auf den wir inzwischen tagtäglich mit Schaudern blicken. Dabei, so betont die Autorin zu Recht, würden wir nur allzu gern vergessen, dass für viele der Folgen doch die neuen Kolonialmächte - Großbritannien und Frankreich - verantwortlich gewesen seien. Sie hätten die osmanische Beute unter sich aufgeteilt, ohne die Interessen und Erfahrungen, Traditionen und Opfer der Menschen zu berücksichtigen.
Um den Transformationsprozess historisch einzuordnen, weist die Autorin zunächst auf zwei Ereignisse hin, die für die Geschichte der Region von zentraler Bedeutung waren: Das Einlaufen des deutschen Mittelmeer-Geschwaders in die Dardanellen. Erst dadurch wurde das Osmanische Reich, das mit den Konflikten zwischen den großen Mächtekonstellationen in Europa eigentlich nichts zu tun hatte, in den Weltkrieg wirklich hineingezogen. Dieses Einlaufen war allerdings nur der Endpunkt einer Entwicklung, die mit der Beschießung Alexandrias durch englische und französische Kriegsschiffe im Mai 1882 begonnen und das Mittelmeer und seine Anrainer zu Objekten europäischer Politik gemacht hatte.
Vom Objekt wieder zum Subjekt des Geschehens zu werden, war insofern eines der wichtigsten Ziele der Verantwortlichen in Konstantinopel im Herbst 1914, als sie an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintraten. Allein mit deren Hilfe schien es möglich, zu einem erfolgreichen Spieler im Geflecht der Mächte zu werden und verlorene Gebiete wiederzugewinnen. Militärisch schien diese Rechnung anfänglich sogar aufzugehen. Im Kaukasus, an den Dardanellen und im fernen Mesopotamien konnten osmanische Truppen alliierte Angriffe abwehren oder sogar selbst vorrücken. Trotz hoher Verluste verteidigte sich die osmanische Armee erstaunlich zäh.
Ein solches "Durchhalten" war teuer erkauft, wie der Blick auf die Lage der Zivilbevölkerung zeigt. Zwar ließ die osmanische Führung Hunderttausende Armenier als "Sündenböcke" und um sich an deren Besitz zu bereichern umbringen. Aber auch die übrige Bevölkerung, vor allem in den Randgebieten, litt unendlich. Die alliierte Hungerblockade war eine Ursache des Hungers. Weitaus bedeutender waren Missmanagement und eine schlechte Infrastruktur, ungerechte Verteilung des noch vorhandenen Getreides aus politischen Gründen sowie mehrfache Heuschreckenplagen, die vor allem in Syrien große Teile der Ernte vernichteten. Über allem lastete eine immer auswuchernde Korruption.
Krankheiten, Kriminalität und Ströme von Flüchtlingen, die durch das Riesenreich wanderten und die mit der lokalen Bevölkerung um die wenigen noch vorhandenen Lebensmittel konkurrierten, sowie eine galoppierende Inflation, die wiederum die Probleme verschärfte, kennzeichneten den Alltag. Hinzu kam eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen einer kleinen Schicht von Profiteuren, die sich schamlos am Krieg bereicherte, und der breiten Masse, die immer weniger zum Leben hatte.
Die arabischen Gebiete des Osmanischen Reiches hungerten jedoch nicht nur. Die türkischen Behörden versuchten vielmehr auch, die dort lebende männliche Bevölkerung immer stärker zum Militärdienst heranzuziehen. Dies widersprach bisherigen Traditionen, und es war daher nicht weiter erstaunlich, dass viele zu fliehen versuchten. Ganze Dörfer waren bald ohne Männer, weil diese geflohen oder am Ende doch eingezogen worden waren. Für traditionale Gesellschaften, denen die Vorstellung fremd war, dass Frauen die Rolle der Männer wenigstens teilweise übernehmen konnten, war dies eine Katastrophe - ganz abgesehen davon, dass die Äcker nicht bestellt wurden und der Hunger sich weiter verschärfte. Die Angst vor dem Militärdienst war nur zu berechtigt: Mangelhafte Ausrüstung, Hunger und Willkür der Offiziere ließen Hunderttausende 1917/18 desertieren.
Der unvermeidliche Kollaps des Osmanischen Reiches Ende 1918 war ein Wendepunkt in der Geschichte des Mittleren Ostens. Anstelle von Freiheit gab es für die Randgebiete des zerfallenen Reiches nur neue Herren. Mit ihren willkürlichen Grenzen und ihrer Herrschaft verschärften sie die latent vorhandenen Gegensätze zwischen den verschiedenen Nationalitäten, Ethnien und religiösen Gruppen, die schließlich in Nationalstaaten zusammenleben mussten, ohne dies zu wollen. Kein Wunder, dass manche sich nostalgisch an die Zeit vor 1914 erinnern, in der das riesige multiethnische und multireligiöse Reich - trotz all seiner Schwächen - vielleicht doch mehr Möglichkeiten des Aushandelns von Kompromissen zwischen Nationalitäten und Religionen wie auch größere Mobilität ohne Rücksicht auf nationale Grenzen geboten habe.
Geschichte lässt sich bekanntlich nicht zurückdrehen, aber lernen kann man aus ihr. Auch dies fällt vielen schwer, wie die Autorin schreibt, da die Erinnerung immer noch vielfältig gebrochen sei und von der Gegenwart überlagert würde. Besonders dramatisch sei, dass die Menschen heute, anders als vor 1914, jede Hoffnung auf Besserung verloren hätten. Einen Weg, dies zu ändern, vermag auch sie in ihrem sehr informativen und facettenreichen Buch nicht aufzuzeigen.
MICHAEL EPKENHANS
Leila Tarazi Fawaz: A land of aching hearts. The Middle East in the Great War. Harvard University Press, Harvard 2014. 364 S., 35 $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Ende der Osmanen-Herrschaft im Ersten Weltkrieg und die Kolonialmächte
Studien über den Verlauf und die Folgen des Ersten Weltkrieges außerhalb Europas sind immer noch selten. Immerhin gibt es für den Mittleren Osten jetzt das Buch von Leila Tarazi Fawaz. Am Beispiel Großsyriens beschreibt sie den Transformationsprozess, der die vierhundertjährige Herrschaft der Osmanen in der Region beendete und jenen Mittleren Osten schuf, auf den wir inzwischen tagtäglich mit Schaudern blicken. Dabei, so betont die Autorin zu Recht, würden wir nur allzu gern vergessen, dass für viele der Folgen doch die neuen Kolonialmächte - Großbritannien und Frankreich - verantwortlich gewesen seien. Sie hätten die osmanische Beute unter sich aufgeteilt, ohne die Interessen und Erfahrungen, Traditionen und Opfer der Menschen zu berücksichtigen.
Um den Transformationsprozess historisch einzuordnen, weist die Autorin zunächst auf zwei Ereignisse hin, die für die Geschichte der Region von zentraler Bedeutung waren: Das Einlaufen des deutschen Mittelmeer-Geschwaders in die Dardanellen. Erst dadurch wurde das Osmanische Reich, das mit den Konflikten zwischen den großen Mächtekonstellationen in Europa eigentlich nichts zu tun hatte, in den Weltkrieg wirklich hineingezogen. Dieses Einlaufen war allerdings nur der Endpunkt einer Entwicklung, die mit der Beschießung Alexandrias durch englische und französische Kriegsschiffe im Mai 1882 begonnen und das Mittelmeer und seine Anrainer zu Objekten europäischer Politik gemacht hatte.
Vom Objekt wieder zum Subjekt des Geschehens zu werden, war insofern eines der wichtigsten Ziele der Verantwortlichen in Konstantinopel im Herbst 1914, als sie an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintraten. Allein mit deren Hilfe schien es möglich, zu einem erfolgreichen Spieler im Geflecht der Mächte zu werden und verlorene Gebiete wiederzugewinnen. Militärisch schien diese Rechnung anfänglich sogar aufzugehen. Im Kaukasus, an den Dardanellen und im fernen Mesopotamien konnten osmanische Truppen alliierte Angriffe abwehren oder sogar selbst vorrücken. Trotz hoher Verluste verteidigte sich die osmanische Armee erstaunlich zäh.
Ein solches "Durchhalten" war teuer erkauft, wie der Blick auf die Lage der Zivilbevölkerung zeigt. Zwar ließ die osmanische Führung Hunderttausende Armenier als "Sündenböcke" und um sich an deren Besitz zu bereichern umbringen. Aber auch die übrige Bevölkerung, vor allem in den Randgebieten, litt unendlich. Die alliierte Hungerblockade war eine Ursache des Hungers. Weitaus bedeutender waren Missmanagement und eine schlechte Infrastruktur, ungerechte Verteilung des noch vorhandenen Getreides aus politischen Gründen sowie mehrfache Heuschreckenplagen, die vor allem in Syrien große Teile der Ernte vernichteten. Über allem lastete eine immer auswuchernde Korruption.
Krankheiten, Kriminalität und Ströme von Flüchtlingen, die durch das Riesenreich wanderten und die mit der lokalen Bevölkerung um die wenigen noch vorhandenen Lebensmittel konkurrierten, sowie eine galoppierende Inflation, die wiederum die Probleme verschärfte, kennzeichneten den Alltag. Hinzu kam eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen einer kleinen Schicht von Profiteuren, die sich schamlos am Krieg bereicherte, und der breiten Masse, die immer weniger zum Leben hatte.
Die arabischen Gebiete des Osmanischen Reiches hungerten jedoch nicht nur. Die türkischen Behörden versuchten vielmehr auch, die dort lebende männliche Bevölkerung immer stärker zum Militärdienst heranzuziehen. Dies widersprach bisherigen Traditionen, und es war daher nicht weiter erstaunlich, dass viele zu fliehen versuchten. Ganze Dörfer waren bald ohne Männer, weil diese geflohen oder am Ende doch eingezogen worden waren. Für traditionale Gesellschaften, denen die Vorstellung fremd war, dass Frauen die Rolle der Männer wenigstens teilweise übernehmen konnten, war dies eine Katastrophe - ganz abgesehen davon, dass die Äcker nicht bestellt wurden und der Hunger sich weiter verschärfte. Die Angst vor dem Militärdienst war nur zu berechtigt: Mangelhafte Ausrüstung, Hunger und Willkür der Offiziere ließen Hunderttausende 1917/18 desertieren.
Der unvermeidliche Kollaps des Osmanischen Reiches Ende 1918 war ein Wendepunkt in der Geschichte des Mittleren Ostens. Anstelle von Freiheit gab es für die Randgebiete des zerfallenen Reiches nur neue Herren. Mit ihren willkürlichen Grenzen und ihrer Herrschaft verschärften sie die latent vorhandenen Gegensätze zwischen den verschiedenen Nationalitäten, Ethnien und religiösen Gruppen, die schließlich in Nationalstaaten zusammenleben mussten, ohne dies zu wollen. Kein Wunder, dass manche sich nostalgisch an die Zeit vor 1914 erinnern, in der das riesige multiethnische und multireligiöse Reich - trotz all seiner Schwächen - vielleicht doch mehr Möglichkeiten des Aushandelns von Kompromissen zwischen Nationalitäten und Religionen wie auch größere Mobilität ohne Rücksicht auf nationale Grenzen geboten habe.
Geschichte lässt sich bekanntlich nicht zurückdrehen, aber lernen kann man aus ihr. Auch dies fällt vielen schwer, wie die Autorin schreibt, da die Erinnerung immer noch vielfältig gebrochen sei und von der Gegenwart überlagert würde. Besonders dramatisch sei, dass die Menschen heute, anders als vor 1914, jede Hoffnung auf Besserung verloren hätten. Einen Weg, dies zu ändern, vermag auch sie in ihrem sehr informativen und facettenreichen Buch nicht aufzuzeigen.
MICHAEL EPKENHANS
Leila Tarazi Fawaz: A land of aching hearts. The Middle East in the Great War. Harvard University Press, Harvard 2014. 364 S., 35 $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main