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Eine jüdische Amerikanerin träumte vom Sozialismus - Wiederentdeckung einer unbeugsamen Autorin
Diese erstaunliche Geschichte über die Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges die Jobs der Männer übernehmen, um das gesellschaftliche Leben aufrechtzuerhalten, basiert auf wahren Hintergründen - die Autorin selbst war eine von ihnen.
Worauf beruht eigentlich die uralte Vorstellung von der Überlegenheit der Männer?, fragen sich die jungen Frauen hier am Bahnhof von Port Empire, New Jersey, USA. Anstelle ihrer abwesenden Männer, Brüder und Söhne sind sie es, die den Eisenbahnverkehr am
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Produktbeschreibung
Eine jüdische Amerikanerin träumte vom Sozialismus - Wiederentdeckung einer unbeugsamen Autorin

Diese erstaunliche Geschichte über die Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges die Jobs der Männer übernehmen, um das gesellschaftliche Leben aufrechtzuerhalten, basiert auf wahren Hintergründen - die Autorin selbst war eine von ihnen.

Worauf beruht eigentlich die uralte Vorstellung von der Überlegenheit der Männer?, fragen sich die jungen Frauen hier am Bahnhof von Port Empire, New Jersey, USA. Anstelle ihrer abwesenden Männer, Brüder und Söhne sind sie es, die den Eisenbahnverkehr am Laufen halten. Argwöhnisch werden sie von den verbliebenen männlichen Kollegen empfangen. Ihnen werden die am schlechtesten bezahlten Fahrten angedreht und spezielle Dienstvorschriften aufgezwungen, die nichts als Schikane sind. Und dann werden die Schaffnerinnen auch noch gegeneinander ausgespielt.

Die vorliegende Neuübersetzung folgt dem Originalmanuskript und wird ergänzt um einen biographischen Essay von Carolin Würfel, Autorin des Bestsellers »Drei Frauen träumten vom Sozialismus: Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf«.
Autorenporträt
Die jüdisch-amerikanische Journalistin Edith Anderson (1915-1999) begegnete 1943 in New York dem deutschen Exilanten Max Schröder. Als dieser nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Ostberlin ging, verließ sie, die vom Sozialismus träumte, das antikommunistische Amerika und folgte ihrem Ehemann in die spätere DDR. Auch in der Wahlheimat blieb sie eine eigensinnige und unabhängige Denkerin, die sich als Journalistin, Autorin und Herausgeberin einen Namen machte. 'A Man's Job' (1956) ist ihr Romandebüt. Max Schroeder (1900-1958), 1933 bis 1945 im Exil u. a. in Paris und New York, war später Cheflektor im Ostberliner Aufbau-Verlag und Vermittler der Exilliteratur. Otto Wilck (1927-1990) hat große amerikanische Klassiker übersetzt, darunter Texte von Mark Twain, Upton Sinclair und Jack Kerouac. Hans-Christian Oeser, geboren 1950 in Wiesbaden, ist literarischer Übersetzer, Herausgeber, Reisebuchautor, Publizist, Redakteur und Sprecher. Er hat zahlreiche Klassiker ins Deutsche übertragen, darunter Mark Twains Autobiographie. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 'Heinrich Maria Ledig-Rowohlt'-Preis, Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis und Straelener Übersetzerpreis. Carolin Würfel, geboren 1986, ist freie Autorin und Journalistin. Zuletzt erschien ihr Bestseller 'Drei Frauen träumten vom Sozialismus: Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf' (2022).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Kritikerin Cosima Mattner freut sich, dass der Debütroman der deutsch-amerikanischen Autorin Edith Anderson nach fast siebzig Jahren wieder in einer neuen Übersetzung vorliegt: Es geht um Frauen, die den Fachkräftemangel im Zweiten Weltkrieg mit ihrer Arbeit bei der Bahn ausgleichen sollen. Klischees zu arbeitenden Frauen werden nicht etwa vermieden, sondern genutzt, um zu zeigen, wie Kapitalismus und Sexismus zusammenhängen, erklärt Mattner. Anderson, die in den vierziger Jahren in die DDR ausgewandert war, hatte sich auch in ihrer weiteren Karriere immer wieder mit Fragen um Privilegien und Intersektionalität beschäftigt, erfahren wir, in diesem Roman werde der Grundstock dafür gelegt. Die Sprache ist in der Überarbeitung durch Hans-Christian Oeser nahe am Original belassen worden, um trotz störendenden Potentials, etwa des N-Worts, den zeitgeschichtlichen Charakter zu erhalten, fügt die Rezensentin noch an.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2024

Höchste Eisenbahn

Die Amerikanerin Edith Anderson wanderte Ende der Vierzigerjahre in die DDR aus. Und schrieb einen Roman über das Recht der Frauen auf selbstbestimmte Arbeit. Jetzt ist "A Man's Job" neu übersetzt worden.

Ein Debütroman über den Arbeitskampf von Bahnangestellten. Mit einer bedrückend realistischen Geschichte um eine Gruppe von Frauen, die im Zweiten Weltkrieg an der amerikanischen Ostküste als Schaffnerinnen arbeiten: "A Man's Job", der Roman der Deutsch-Amerikanerin Edith Anderson, im Jahr 1956 erstmals erschienen, liefert siebzig Jahre später einen erfrischend historischen Blick auf die derzeitigen Miseren bei der Deutschen Bahn. Das Buch erinnert auch daran, dass Bahngewerkschaften nicht nur in Deutschland immer schon gern gestreikt und gestritten haben. Die eigentliche Leistung Edith Andersons besteht aber vor allem darin, aus feministischer Perspektive zu zeigen, dass es um mehr als Lohnausgleich oder Gleichberechtigung geht, sondern um Sexismus als Spielart des Kapitalismus.

"A Man's Life" ist das Resultat eines bunt-bewegten Lebens. 1915 als Kind einer konservativ jüdischen Familie in der Bronx geboren, arbeitete Anderson nach einem Lehramtsstudium an der Columbia-Universität in New York kurzzeitig als Kulturredakteurin bei der kommunistischen Tageszeitung "The Daily Worker". Und danach vier Jahre lang als Schaffnerin bei der Pennsylvania Railroad, lange Zeit die größte Eisenbahngesellschaft der Vereinigten Staaten. Nachdem ihre erste Ehe gescheitert war, heiratete sie 1944 Max Schroeder, einen deutschen Dichter und Herausgeber der Exilzeitschrift "The German American". Beide hatten sich dem Kommunismus und Sozialismus verschrieben, seit jungen Jahren war Anderson Mitglied der Kommunistischen Partei der USA gewesen - und so zogen sie gemeinsam Ende der Vierzigerjahre nach Ost-Berlin, wo Schroeder Cheflektor des Aufbau-Verlages werden sollte.

Hier erschien Andersons Debüt dann 1956 unter dem Titel "Gelbes Licht". Für die vorliegende Neuübersetzung hat Hans-Christian Oeser die deutsche Fassung von Otto Wilck und Max Schroeder von Grund auf überarbeitet. In neunzehn relativ kurzen Episoden erzählt das Buch, wie verschiedene Frauen - die meisten mehrfach verheiratete, stolze Singles - mit Sexismus, Gewalt und den Herausforderungen ihres Jobs als Schaffnerinnen bei der Bahn in New Jersey umgehen. Dass sie in diesen Jobs überhaupt arbeiten dürfen, ist eine Folge des Arbeitskräftemangels im Krieg.

Der Text scheut keine Stereotype, sondern stellt sie geradezu aggressiv aus. Oft wirken die girls albern, naiv, unerfahren und desinteressiert. Kindlich verspielt, stecken sie sich bei Dienstsitzungen kichernd Zettelchen zu. Für ihre wenigen männlichen Kollegen, die nicht in den Krieg eingezogen wurden, werden sie zu potentiellen Sexobjekten. Aber weil sie in diese Rollen hinein- und mit ihnen aufgewachsen sind, nehmen sich die Frauen gegenseitig als Gefahr wahr, beäugen einander skeptisch, "zickig", und treten zueinander in ehrgeizige, unbarmherzige Konkurrenz. Was Schwesternschaft sein könnte, scheint von den herrschenden Verhältnissen hoffnungslos untergraben.

Nach und nach aber ändert sich das. Angesichts der gewaltsamen Schikanen, denen sich die Frauen immer wieder ausgesetzt sehen, ringen sie um Solidarität, riskieren ihren eigenen, hart erkämpften Status für akut gefährdete Kolleginnen und die Rechte der Gruppe. Als stille Heldin entpuppt sich Jessie: eine clevere, rhetorisch gewandte, mutige Frau, die den Kampf um Gleichstellung im Job in einen Kampf gegen Sexismus und Rassismus verwandelt. Sie weiß, was ihr Kampf um Solidarität verlangt: ein Sprechen im "Wir" (statt im "Ich"). Forderungen werden auf offiziellem, brieflichem Dienstweg gestellt. Unterschriften werden für Petitionen gesammelt. Und wo es unvermeidlich ist, werden Autoritäten auch mit "Yes, Sir" umschmeichelt.

Jessie ist außerdem die Einzige, die nicht "colorblind" ist, die versteht, dass Antisemitismus und Rassismus gegen Schwarze auch sie selbst betrifft (heute spricht man da von "Intersektionalität"). Mit der Figur der Jessie stellt Anderson klar, dass der eigentliche Wunsch der Frauen in "A Man's Job" ist, als Mensch wahrgenommen zu werden - einfach Mensch zu sein, "ganz einfaches Menschenblut, eine Mischung aus allem".

Anderson zeigt dabei aber auch, dass sie mehr anstrebt als Gleichberechtigung im Sinne eines unpolitischen Humanismus. Zum Beispiel macht die Art der Arbeit, in der man Mensch sein kann, für sie einen Unterschied: Bahnarbeit wird fast idealisiert als eine ehrliche Tätigkeit, bei der man sich trotz allen Staubs und Drecks ironischerweise eine weißere Weste erhalten kann als beispielsweise im Verkauf weißer Westen, was geschicktes "Lügen" erfordert. Die Utopie, die sich hier leise, aber klar am Horizont abzeichnet, ist kommunistisch, antikapitalistisch, antirassistisch und vor allem antisexistisch. Es geht um die Reform des ganzen ungerechten Systems, nicht nur um Optimierung.

Die neue Übersetzung dieses siebzig Jahre alten Buchs orientiert sich stärker an der Schnelligkeit und Prägnanz des amerikanischen Originals. Anderson hatte vor allem in der Figurenrede rassistisch oder sexistisch diskriminierende Sprache verwendet. Im Resultat bleiben jetzt zum Beispiel umstrittene Begriffe wie das "N-Wort" im deutschen Text stehen, was beim Lesen stören kann. Die "Anmerkung zur Übersetzung" erklärt diese Annäherung an das Original damit, den Text in seiner zeitgeschichtlichen Signifikanz rekonstruieren und für eine kritische Auseinandersetzung erhalten zu wollen. Das gelingt erstaunlich gut. Oesers Neufassung trifft die feministische Verve und den emanzipatorischen Drive von Andersons Ton, der für die mitreißende Dynamik der Geschichte essenziell ist.

Ganz zum Schluss wendet sich die sonst relativ farblose allwissende Erzählerin einmal direkt an ihr Publikum und erinnert es daran, "dass in einem anderen Teil der Welt" Aspekte ihrer Utopie schon verwirklicht seien. Mit dieser Hoffnung scheint Anderson sich für die DDR entschieden zu haben - wo sie bis zum Mauerfall blieb. Auch danach lebte sie in Deutschland, im Jahr 1999 ist sie in Berlin gestorben. Nach dem Umzug aus den USA in die DDR blieb sie ihrem Kampf für die Diversifizierung von Geschlechterrollen und -bildern treu. 1975 brachte sie die Anthologie "Blitz aus heiterem Himmel" heraus, eine Sammlung von Texten von Christa Wolf, Rolf Schneider und Sarah Kirsch, die Anderson 1970 eingeladen hatte, über das Thema Geschlechtsumwandlungen zu schreiben. Die Idee dazu zeichnet sich schon im Debütroman ab, wenn Jessie vom "Privileg" träumt, sich "nur für ein paar Minuten in einen Mann verwandeln" zu können.

"A Man's Job" brachte eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung zur Sprache: das Recht auf eine selbstbestimmte und sinnstiftende Tätigkeit. Bell Hooks, eine der wirkmächtigsten Feministinnen der vergangenen Jahrzehnte, hat es 2015 so formuliert: "Die Bedeutung von Arbeit neu zu denken ist eine wichtige Aufgabe für künftige feministische Bewegungen." In ihrem Debüt hatte Edith Anderson schon 1956 damit begonnen. COSIMA MATTNER

Edith Anderson: "A Man's Job". Aus dem Englischen von Max Schroeder, Otto Wilck und Hans-Christian Oeser. Die Andere Bibliothek, 408 Seiten, 48 Euro.

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»"A Man's Job" brachte eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung zur Sprache: das Recht auf eine selbstbestimmte und sinnstiftende Tätigkeit.« Cosima Mattner Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20240428