A biologist and an anthropologist use evolutionary biology to explain the causes and inform the prevention of rape.
In this controversial book, Randy Thornhill and Craig Palmer use evolutionary biology to explain the causes of rape and to recommend new approaches to its prevention. According to Thornhill and Palmer, evolved adaptation of some sort gives rise to rape; the main evolutionary question is whether rape is an adaptation itself or a by-product of other adaptations. Regardless of the answer, Thornhill and Palmer note, rape circumvents a central feature of women's reproductive strategy: mate choice. This is a primary reason why rape is devastating to its victims, especially young women. Thornhill and Palmer address, and claim to demolish scientifically, many myths about rape bred by social science theory over the past twenty-five years. The popular contention that rapists are not motivated by sexual desire is, they argue, scientifically inaccurate.
Although they argue that rape is biological, Thornhill and Palmer do not view it as inevitable. Their recommendations for rape prevention include teaching young males not to rape, punishing rape more severely, and studying the effectiveness of "chemical castration." They also recommend that young women consider the biological causes of rape when making decisions about dress, appearance, and social activities. Rape could cease to exist, they argue, only in a society knowledgeable about its evolutionary causes.
The book includes a useful summary of evolutionary theory and a comparison of evolutionary biology's and social science's explanations of human behavior. The authors argue for the greater explanatory power and practical usefulness of evolutionary biology. The book is sure to stir up discussion both on the specific topic of rape and on the larger issues of how we understand and influence human behavior.
In this controversial book, Randy Thornhill and Craig Palmer use evolutionary biology to explain the causes of rape and to recommend new approaches to its prevention. According to Thornhill and Palmer, evolved adaptation of some sort gives rise to rape; the main evolutionary question is whether rape is an adaptation itself or a by-product of other adaptations. Regardless of the answer, Thornhill and Palmer note, rape circumvents a central feature of women's reproductive strategy: mate choice. This is a primary reason why rape is devastating to its victims, especially young women. Thornhill and Palmer address, and claim to demolish scientifically, many myths about rape bred by social science theory over the past twenty-five years. The popular contention that rapists are not motivated by sexual desire is, they argue, scientifically inaccurate.
Although they argue that rape is biological, Thornhill and Palmer do not view it as inevitable. Their recommendations for rape prevention include teaching young males not to rape, punishing rape more severely, and studying the effectiveness of "chemical castration." They also recommend that young women consider the biological causes of rape when making decisions about dress, appearance, and social activities. Rape could cease to exist, they argue, only in a society knowledgeable about its evolutionary causes.
The book includes a useful summary of evolutionary theory and a comparison of evolutionary biology's and social science's explanations of human behavior. The authors argue for the greater explanatory power and practical usefulness of evolutionary biology. The book is sure to stir up discussion both on the specific topic of rape and on the larger issues of how we understand and influence human behavior.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.2000Zurück in die Steinzeit
Ein Skandalbuch: Ist Vergewaltigung ein Erbe der Naturgeschichte?
Fünfundzwanzig Jahre ist es her, dass der Ameisenspezialist Edward O. Wilson sein kontroverses Werk "Sociobiology: The New Synthesis" publizierte. Darin untersuchte Wilson das Sozialverhalten der Tiere aus einem evolutionären Blickwinkel. Im allerletzten Kapitel seines siebenhundert Seiten dicken Buches wagte Wilson, seine Ideen auch auf Menschen anzuwenden. Das Sozialverhalten von Tieren und Menschen behandelte er wie jedes andere physiologische Merkmal: Auch komplexes Verhalten, so seine These, diene nichts anderem als der Weitergabe egoistischer Gene in die nächste Generation. Die oft naive Anwendung der Soziobiologie auf den Menschen scheiterte schließlich an wissenschaftsinternen und -externen Widerständen. Methodisch war die Soziobiologie einem zu einfachen Bild von der evolutionären und individuellen Entwicklung des Menschen verhaftet: Die Soziobiologen, die alle Verhaltensweisen auf einen Fortpflanzungsvorteil zurückführen wollten, erfanden oftmals ziemlich gezwungene Argumentationsketten. Und viele ihrer Erklärungen schienen dem sozialen Status quo den Stempel der Natürlichkeit zu verleihen.
In den vergangenen Jahren hat eine neue Wissenschaft versucht, die Stafette von der Soziobiologie zu übernehmen, ohne ihre Fehler zu wiederholen: die evolutionäre Psychologie. Mit ihrem Instrumentarium haben der Biologe Randy Thornhill und der Anthropologe Craig Palmer sich einem der heikelsten Themen im Verhältnis zwischen Mann und Frau genähert: der Vergewaltigung. Ihr Buch versucht, dem Phänomen eine naturalistische, evolutionspsychologische Erklärung zu geben. In den Vereinigten Staaten wurde ihre "Naturgeschichte der Vergewaltigung" heftig angegriffen.
Die evolutionäre Psychologie umgeht manche der methodischen Probleme der alten Soziobiologie, indem sie behauptet, der menschliche Geist bestehe aus einigen wenigen Modulen, "Organen" im Gehirn, die in ihrem Zusammenspiel die Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen steuern. Der Geist entspreche nicht der Hardware eines Computers, sondern den aufgabenspezifischen Programmen, die auf dem Computer laufen. Diese Module seien im Pleistozän von der natürlichen Auslese geformt worden und in den vergangenen hunderttausend Jahren weitgehend unverändert geblieben. So sei zum Beispiel unser Sehnen nach Zucker damals vorteilhaft gewesen, doch in modernen Gesellschaften zu einem Gesundheitsrisiko geworden. In unseren psychologischen Vorlieben seien wir nichts anderes als rohe Jäger und Sammler, die ins Computerzeitalter katapultiert wurden. Daher seien unsere Verhaltensweisen in der Gegenwart nicht immer vorteilhaft und als Fortpflanzungserfolg messbar. Sexuelle Gewalt sei auch ein solches Überbleibsel.
Thornhill und Palmer zeigen zunächst, warum Männer und Frauen verschiedene Strategien benutzen, um ihren Fortpflanzungserfolg zu maximieren. Männer suchten dementsprechend viele Partner, während Frauen wählerischer seien, wer ihre "teuren" Eier befruchten dürfe. In diesem unvermeidlichen Konflikt sei bei Tier und Mensch die evolutionäre Quelle für erzwungenen Geschlechtsverkehr zu finden. Die Autoren stellen zwei evolutionäre Hypothesen vor: Entweder sei Vergewaltigung eine von der natürlichen Auslese geformte Anpassung oder ein Nebenprodukt der Auslese, das unter anderem dazu diene, männliche Aggression aufzufangen. Thornhill und Palmer bevorzugen die erste Alternative und entwerfen ein geradezu absurdes Szenario von widerspenstigen, attraktiven Frauen, die von erregten, den weiblichen Widerstand brechen wollenden Männern verfolgt werden. Alle Männer seien zwar potentielle Vergewaltiger, doch manifestiere sich dieses Verhalten meist unter bestimmten Umständen. Besonders anfällig seien Männer, die über so wenig Ressourcen verfügten, dass sie keine Partnerin dauerhaft an sich binden könnten.
Einer weithin akzeptierten Vorstellung zufolge steht hinter einer Vergewaltigung der Wunsch nach Dominanz und Machtausübung. Thornhill und Palmer jedoch attackieren diese Idee und lokalisieren die Motive stattdessen auf dem Feld von Fortpflanzung und Sexualität. Ihre Begründungen indes sind auf mehreren Ebenen fragwürdig. Teil ihrer Hypothese ist die Annahme, dass Vergewaltiger bevorzugt junge Frauen attackieren sollten, da diese den höchsten "Reproduktionswert" haben. Die Autoren zitieren eine amerikanische Studie, derzufolge 62 Prozent der Vergewaltigungsopfer zwischen elf und neunundzwanzig Jahren alt sind, nur sechs Prozent älter und 29 Prozent jünger als elf Jahre. Die Autoren sehen dies als eine Bestätigung ihrer Hypothese: Vergewaltiger suchten bevorzugt Opfer im besten Reproduktionsalter. Dabei übersehen sie völlig, dass Mädchen unter elf Jahren in den Vereinigten Staaten nur 15 Prozent der weiblichen Bevölkerung ausmachen und damit unter den Opfern deutlich überrepräsentiert sind.
Die Fehldeutung von Daten ist aber nur ein zweitrangiges Problem. Im Ganzen sind die Hypothesen der Autoren keineswegs kühle, logische Schlussfolgerungen, die ein wert- und kontextfreies naturwissenschaftliches Denken aus den Voraussetzungen - der im Pleistozän geformten psychologischen "Natur" des Menschen und den biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau - ziehen muss. Die Biologie der zwei Autoren ist alles andere als unproblematisch und dementsprechend auch nicht allgemein akzeptiert. Besonders störend am Auftreten von Wissenschaftlern wie Thornhill und Palmer und den meisten anderen Evolutionspsychologen ist eine stillschweigende Unterstellung: Entweder man akzeptiert ihre evolutionäre Version, oder man ist ein verblendetes und verdummtes Opfer politischer und sozialwissenschaftlicher Wunschvorstellungen.
Dass es möglich sei, menschliches Verhalten als Produkt der Evolution verstehen zu wollen, ohne den Autoren zuzustimmen, lassen Thornhill und Palmer nicht zu. Dabei gibt es andere Hypothesen, die eine evolutive Erklärung für "abweichendes", pathologisches Verhalten geben. In Thornhills und Palmers Spielart der Evolutionspsychologie haben alle Menschen aller Kulturen zu allen Zeiten an einer einheitlichen Natur teil: Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger und alle Frauen potentielle Opfer. Die Evolutionsbiologie kann eine solche Annahme nicht rechtfertigen. Besonders in komplexen sozialen Wechselwirkungen können sich verschiedene Verhaltensstrategien ausprägen, und nicht jedes Individuum muss darauf geeicht sein, alle Möglichkeiten des Verhaltens zu nutzen.
Mit der kämpferischen Betonung ihrer angeblich unangreifbaren "Wissenschaftlichkeit" und der Diffamierung sozialwissenschaftlicher Forschung ist das Buch auch ein Beitrag zu den leider immer noch nicht beendeten "science wars". Sexualität und Vergewaltigung werden von Thornhill und Palmer als völlig unproblematische, einheitliche, rein biologisch fassbare und messbare Phänomene beschrieben. Sexualität ist allerdings ein soziales und ein biologisches Phänomen und eine Lektüre von Foucaults "Sexualität und Wahrheit" könnte den Autoren ein wenig auf die Sprünge helfen. Sexualität hat Funktionen jenseits der Fortpflanzung, und möglicherweise sind Sexualität und Gewalt erst auf der Ebene der sozialen Konstruktion solcher Bedeutungen eine Einheit eingegangen. Aber das enge Erklärungskorsett der Autoren kann mit den vielfältigen Erscheinungsformen sexueller Gewalt und sexueller Praktiken nichts anfangen.
Thornhill und Palmers Studie muss man leider als ein arrogantes Werk bezeichnen, das sich mit dem Status von objektiver Wissenschaft schmücken möchte, aber nur unüberprüfbare Vermutungen anzubieten hat. Solange die Evolutionspsychologie sich so hochmütig geriert, ist sie auf gutem Wege, das gleiche Schicksal wie die Soziobiologie zu erleiden.
THOMAS WEBER
Randy Thornhill, Craig T. Palmer: "A Natural History of Rape". Biological Bases of Sexual Coercion. The MIT Press, Cambridge, Mass. 2000. 251 S., geb., 28,95 US-Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Skandalbuch: Ist Vergewaltigung ein Erbe der Naturgeschichte?
Fünfundzwanzig Jahre ist es her, dass der Ameisenspezialist Edward O. Wilson sein kontroverses Werk "Sociobiology: The New Synthesis" publizierte. Darin untersuchte Wilson das Sozialverhalten der Tiere aus einem evolutionären Blickwinkel. Im allerletzten Kapitel seines siebenhundert Seiten dicken Buches wagte Wilson, seine Ideen auch auf Menschen anzuwenden. Das Sozialverhalten von Tieren und Menschen behandelte er wie jedes andere physiologische Merkmal: Auch komplexes Verhalten, so seine These, diene nichts anderem als der Weitergabe egoistischer Gene in die nächste Generation. Die oft naive Anwendung der Soziobiologie auf den Menschen scheiterte schließlich an wissenschaftsinternen und -externen Widerständen. Methodisch war die Soziobiologie einem zu einfachen Bild von der evolutionären und individuellen Entwicklung des Menschen verhaftet: Die Soziobiologen, die alle Verhaltensweisen auf einen Fortpflanzungsvorteil zurückführen wollten, erfanden oftmals ziemlich gezwungene Argumentationsketten. Und viele ihrer Erklärungen schienen dem sozialen Status quo den Stempel der Natürlichkeit zu verleihen.
In den vergangenen Jahren hat eine neue Wissenschaft versucht, die Stafette von der Soziobiologie zu übernehmen, ohne ihre Fehler zu wiederholen: die evolutionäre Psychologie. Mit ihrem Instrumentarium haben der Biologe Randy Thornhill und der Anthropologe Craig Palmer sich einem der heikelsten Themen im Verhältnis zwischen Mann und Frau genähert: der Vergewaltigung. Ihr Buch versucht, dem Phänomen eine naturalistische, evolutionspsychologische Erklärung zu geben. In den Vereinigten Staaten wurde ihre "Naturgeschichte der Vergewaltigung" heftig angegriffen.
Die evolutionäre Psychologie umgeht manche der methodischen Probleme der alten Soziobiologie, indem sie behauptet, der menschliche Geist bestehe aus einigen wenigen Modulen, "Organen" im Gehirn, die in ihrem Zusammenspiel die Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen steuern. Der Geist entspreche nicht der Hardware eines Computers, sondern den aufgabenspezifischen Programmen, die auf dem Computer laufen. Diese Module seien im Pleistozän von der natürlichen Auslese geformt worden und in den vergangenen hunderttausend Jahren weitgehend unverändert geblieben. So sei zum Beispiel unser Sehnen nach Zucker damals vorteilhaft gewesen, doch in modernen Gesellschaften zu einem Gesundheitsrisiko geworden. In unseren psychologischen Vorlieben seien wir nichts anderes als rohe Jäger und Sammler, die ins Computerzeitalter katapultiert wurden. Daher seien unsere Verhaltensweisen in der Gegenwart nicht immer vorteilhaft und als Fortpflanzungserfolg messbar. Sexuelle Gewalt sei auch ein solches Überbleibsel.
Thornhill und Palmer zeigen zunächst, warum Männer und Frauen verschiedene Strategien benutzen, um ihren Fortpflanzungserfolg zu maximieren. Männer suchten dementsprechend viele Partner, während Frauen wählerischer seien, wer ihre "teuren" Eier befruchten dürfe. In diesem unvermeidlichen Konflikt sei bei Tier und Mensch die evolutionäre Quelle für erzwungenen Geschlechtsverkehr zu finden. Die Autoren stellen zwei evolutionäre Hypothesen vor: Entweder sei Vergewaltigung eine von der natürlichen Auslese geformte Anpassung oder ein Nebenprodukt der Auslese, das unter anderem dazu diene, männliche Aggression aufzufangen. Thornhill und Palmer bevorzugen die erste Alternative und entwerfen ein geradezu absurdes Szenario von widerspenstigen, attraktiven Frauen, die von erregten, den weiblichen Widerstand brechen wollenden Männern verfolgt werden. Alle Männer seien zwar potentielle Vergewaltiger, doch manifestiere sich dieses Verhalten meist unter bestimmten Umständen. Besonders anfällig seien Männer, die über so wenig Ressourcen verfügten, dass sie keine Partnerin dauerhaft an sich binden könnten.
Einer weithin akzeptierten Vorstellung zufolge steht hinter einer Vergewaltigung der Wunsch nach Dominanz und Machtausübung. Thornhill und Palmer jedoch attackieren diese Idee und lokalisieren die Motive stattdessen auf dem Feld von Fortpflanzung und Sexualität. Ihre Begründungen indes sind auf mehreren Ebenen fragwürdig. Teil ihrer Hypothese ist die Annahme, dass Vergewaltiger bevorzugt junge Frauen attackieren sollten, da diese den höchsten "Reproduktionswert" haben. Die Autoren zitieren eine amerikanische Studie, derzufolge 62 Prozent der Vergewaltigungsopfer zwischen elf und neunundzwanzig Jahren alt sind, nur sechs Prozent älter und 29 Prozent jünger als elf Jahre. Die Autoren sehen dies als eine Bestätigung ihrer Hypothese: Vergewaltiger suchten bevorzugt Opfer im besten Reproduktionsalter. Dabei übersehen sie völlig, dass Mädchen unter elf Jahren in den Vereinigten Staaten nur 15 Prozent der weiblichen Bevölkerung ausmachen und damit unter den Opfern deutlich überrepräsentiert sind.
Die Fehldeutung von Daten ist aber nur ein zweitrangiges Problem. Im Ganzen sind die Hypothesen der Autoren keineswegs kühle, logische Schlussfolgerungen, die ein wert- und kontextfreies naturwissenschaftliches Denken aus den Voraussetzungen - der im Pleistozän geformten psychologischen "Natur" des Menschen und den biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau - ziehen muss. Die Biologie der zwei Autoren ist alles andere als unproblematisch und dementsprechend auch nicht allgemein akzeptiert. Besonders störend am Auftreten von Wissenschaftlern wie Thornhill und Palmer und den meisten anderen Evolutionspsychologen ist eine stillschweigende Unterstellung: Entweder man akzeptiert ihre evolutionäre Version, oder man ist ein verblendetes und verdummtes Opfer politischer und sozialwissenschaftlicher Wunschvorstellungen.
Dass es möglich sei, menschliches Verhalten als Produkt der Evolution verstehen zu wollen, ohne den Autoren zuzustimmen, lassen Thornhill und Palmer nicht zu. Dabei gibt es andere Hypothesen, die eine evolutive Erklärung für "abweichendes", pathologisches Verhalten geben. In Thornhills und Palmers Spielart der Evolutionspsychologie haben alle Menschen aller Kulturen zu allen Zeiten an einer einheitlichen Natur teil: Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger und alle Frauen potentielle Opfer. Die Evolutionsbiologie kann eine solche Annahme nicht rechtfertigen. Besonders in komplexen sozialen Wechselwirkungen können sich verschiedene Verhaltensstrategien ausprägen, und nicht jedes Individuum muss darauf geeicht sein, alle Möglichkeiten des Verhaltens zu nutzen.
Mit der kämpferischen Betonung ihrer angeblich unangreifbaren "Wissenschaftlichkeit" und der Diffamierung sozialwissenschaftlicher Forschung ist das Buch auch ein Beitrag zu den leider immer noch nicht beendeten "science wars". Sexualität und Vergewaltigung werden von Thornhill und Palmer als völlig unproblematische, einheitliche, rein biologisch fassbare und messbare Phänomene beschrieben. Sexualität ist allerdings ein soziales und ein biologisches Phänomen und eine Lektüre von Foucaults "Sexualität und Wahrheit" könnte den Autoren ein wenig auf die Sprünge helfen. Sexualität hat Funktionen jenseits der Fortpflanzung, und möglicherweise sind Sexualität und Gewalt erst auf der Ebene der sozialen Konstruktion solcher Bedeutungen eine Einheit eingegangen. Aber das enge Erklärungskorsett der Autoren kann mit den vielfältigen Erscheinungsformen sexueller Gewalt und sexueller Praktiken nichts anfangen.
Thornhill und Palmers Studie muss man leider als ein arrogantes Werk bezeichnen, das sich mit dem Status von objektiver Wissenschaft schmücken möchte, aber nur unüberprüfbare Vermutungen anzubieten hat. Solange die Evolutionspsychologie sich so hochmütig geriert, ist sie auf gutem Wege, das gleiche Schicksal wie die Soziobiologie zu erleiden.
THOMAS WEBER
Randy Thornhill, Craig T. Palmer: "A Natural History of Rape". Biological Bases of Sexual Coercion. The MIT Press, Cambridge, Mass. 2000. 251 S., geb., 28,95 US-Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main