Bryson nimmt den Leser mit auf eine spannende Reise durch Zeit und Raum. Er nimmt Phänomene u.a. aus Geologie und Physik unter die Lupe und erzählt so eine amüsante Geschichte der menschlichen Erkenntnis.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2003Mal seh’n, was passiert
Reiseautor Bill Bryson erforscht die Wissenschaft
Europa, Afrika, Australien, die USA – Bill Bryson war schon fast überall und immer hat er seine Reisen sehr erfolgreich in Büchern vermarkten können. Vieles erfährt der Leser über das bereiste Land, mehr aber noch über Mr Bryson selbst. Besonders auffällig ist des Autors Talent, überall seltsame Leute zu treffen, wobei er in deren Gesellschaft sehr gut zu passen scheint. Mit seiner Vorliebe für menschliche Eigenarten ist es wohl folgerichtig, dass sich Bryson für sein jüngstes Werk drei Jahre lang auf den Heimatkontinent der Exzentriker begeben hat: die Wissenschaft. „A short history of nearly everything” heißt das bislang nur auf englisch erschienene Buch. Die Scham über seinen wissenschaftlichen Analphabetismus, sagt Bryson, war der Anlass, sich auf diesen Trip zu begeben. Was er an Skurrilitäten entdeckte, muss ihm jedoch sehr vertraut erschienen sein.
Der brillante schwedische Chemiker Carl Scheele etwa hatte die fatale Neigung, alle Substanzen, die er erforschte, einer Geschmacksprobe zu unterziehen. 1786 wurde er tot an seinem Arbeitsplatz gefunden. Unbeschadet kam dagegen Sir Isaac Newton davon. Er schob aus reiner Neugier einmal eine lange Nadel so weit wie möglich zwischen seinen Augapfel und die Augenhöhle, „just to see what would happen”. Aber auch lebende Forschergrößen, die er besucht hat, kann Bryson zitieren, und diese persönlichen Gespräche machen sein Buch lebendig. Fachlich bietet Bryson zwar – wie der Titel verspricht – fast alles über Kosmos, Erde, Geologie über Chemie, Physik und Biologie, tatsächlich aber nicht viel Neues. Zudem hat sich so mancher Fehler eingeschlichen – oft ist daran wohl Brysons Lust an der allzu griffigen Formulierung schuld. Etwa wenn er über die Mitochondrien, die Energie produzierenden Zellbestandteile höherer Organismen, schreibt. Diese stammen von Bakterien ab und wurden vor mehr als einer Milliarde Jahren in die Zellen aufgenommen. Das lässt sich unter anderem daran sehen, dass sie über eigenes genetisches Material verfügen. „In short, they keep their bags packed”, heißt es dazu bei Bryson, was schlicht falsch ist. Nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen genetischen Ausrüstung ist übrig, so dass Mitochondrien außerhalb der Zelle keinesfalls überleben könnten.
Beim Internet-Buchhandel Amazon steht „A short history of nearly everything” seit Wochen in den Top 20 der Verkaufsliste. Wie die enthusiastische Fanpost schließen lässt, hat Brysons bekannter Name dem Buch viele Leser gebracht, die sich sonst nicht für Wissenschaft interessieren. Bestenfalls profitiert das für Wissenschaftsliteratur sonst unzugängliche Publikum von Brysons Buch nicht nur intellektuell, sondern übernimmt auch des Autors Begeisterung für die Wunder der Natur. Ein paar fachliche Ausrutscher wird man da in Kauf nehmen können.
SUSANNE WEDLICH
BILL BRYSON: A Short History Of Nearly Everything. Broadway Books, New York 2003. 545 S., 27,50 US-Dollar.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Reiseautor Bill Bryson erforscht die Wissenschaft
Europa, Afrika, Australien, die USA – Bill Bryson war schon fast überall und immer hat er seine Reisen sehr erfolgreich in Büchern vermarkten können. Vieles erfährt der Leser über das bereiste Land, mehr aber noch über Mr Bryson selbst. Besonders auffällig ist des Autors Talent, überall seltsame Leute zu treffen, wobei er in deren Gesellschaft sehr gut zu passen scheint. Mit seiner Vorliebe für menschliche Eigenarten ist es wohl folgerichtig, dass sich Bryson für sein jüngstes Werk drei Jahre lang auf den Heimatkontinent der Exzentriker begeben hat: die Wissenschaft. „A short history of nearly everything” heißt das bislang nur auf englisch erschienene Buch. Die Scham über seinen wissenschaftlichen Analphabetismus, sagt Bryson, war der Anlass, sich auf diesen Trip zu begeben. Was er an Skurrilitäten entdeckte, muss ihm jedoch sehr vertraut erschienen sein.
Der brillante schwedische Chemiker Carl Scheele etwa hatte die fatale Neigung, alle Substanzen, die er erforschte, einer Geschmacksprobe zu unterziehen. 1786 wurde er tot an seinem Arbeitsplatz gefunden. Unbeschadet kam dagegen Sir Isaac Newton davon. Er schob aus reiner Neugier einmal eine lange Nadel so weit wie möglich zwischen seinen Augapfel und die Augenhöhle, „just to see what would happen”. Aber auch lebende Forschergrößen, die er besucht hat, kann Bryson zitieren, und diese persönlichen Gespräche machen sein Buch lebendig. Fachlich bietet Bryson zwar – wie der Titel verspricht – fast alles über Kosmos, Erde, Geologie über Chemie, Physik und Biologie, tatsächlich aber nicht viel Neues. Zudem hat sich so mancher Fehler eingeschlichen – oft ist daran wohl Brysons Lust an der allzu griffigen Formulierung schuld. Etwa wenn er über die Mitochondrien, die Energie produzierenden Zellbestandteile höherer Organismen, schreibt. Diese stammen von Bakterien ab und wurden vor mehr als einer Milliarde Jahren in die Zellen aufgenommen. Das lässt sich unter anderem daran sehen, dass sie über eigenes genetisches Material verfügen. „In short, they keep their bags packed”, heißt es dazu bei Bryson, was schlicht falsch ist. Nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen genetischen Ausrüstung ist übrig, so dass Mitochondrien außerhalb der Zelle keinesfalls überleben könnten.
Beim Internet-Buchhandel Amazon steht „A short history of nearly everything” seit Wochen in den Top 20 der Verkaufsliste. Wie die enthusiastische Fanpost schließen lässt, hat Brysons bekannter Name dem Buch viele Leser gebracht, die sich sonst nicht für Wissenschaft interessieren. Bestenfalls profitiert das für Wissenschaftsliteratur sonst unzugängliche Publikum von Brysons Buch nicht nur intellektuell, sondern übernimmt auch des Autors Begeisterung für die Wunder der Natur. Ein paar fachliche Ausrutscher wird man da in Kauf nehmen können.
SUSANNE WEDLICH
BILL BRYSON: A Short History Of Nearly Everything. Broadway Books, New York 2003. 545 S., 27,50 US-Dollar.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de