Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 9,80 €
  • Gebundenes Buch

"Aaron's Rod", so der Originaltitel, erschien 1922 und markiert D.H. Lawrences Abschied von England. Erzählt wird die Geschichte des Bergarbeitersohns Aaron Sisson aus den Midlands, der Frau und Kinder verläßt, um in London und später Italien eine Karriere als Flötist zu beginnen. Lawrence verarbeitet in dem Roman eigene Erlebnisse innerhalb der Londoner Bohème während des Ersten Weltkriegs und seine Begeisterung für das Leben in Italien, wo sein Held sich neu zu finden versucht.Erstaunlicherweise ist der Roman im deutschen Sprachraumbislang übersehen worden; dies ist die erste Übersetzung.Es…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
"Aaron's Rod", so der Originaltitel, erschien 1922 und markiert D.H. Lawrences Abschied von England. Erzählt wird die Geschichte des Bergarbeitersohns Aaron Sisson aus den Midlands, der Frau und Kinder verläßt, um in London und später Italien eine Karriere als Flötist zu beginnen. Lawrence verarbeitet in dem Roman eigene Erlebnisse innerhalb der Londoner Bohème während des Ersten Weltkriegs und seine Begeisterung für das Leben in Italien, wo sein Held sich neu zu finden versucht.Erstaunlicherweise ist der Roman im deutschen Sprachraumbislang übersehen worden; dies ist die erste Übersetzung.Es gibt einige Dinge in diesem Buch, die ich nicht mag. Sie sind trivial, verkrustet, haften daran wie Schnecken an der Unterseite eines Blatts. Aber abgesehen von diesen existiert das Blatt, der Baum, fest verwurzelt, tief austreibend, ausschlagend, grandios wachsend, lebendig in jedem Zweig. Es ist ein lebendes Buch.(Katherine Mansfield, die von Lawrence in dem Roman porträtiert wurde.)
Autorenporträt
D.H. Lawrence (1885-1930) entstammt einer englischen Bergarbeiterfamilie. Bis 1911 arbeitete er als Lehrer in Croydon. In diesem Jahr erschien sein erster Roman, "Der weiße Pfau". Bis zu seinem frühen Tod in Vence, Südfrankreich, publizierte er elf Romane ("Lady Chatterley's Lover"), zahlreiche Erzählungen und mehrere Bände Lyrik. Sein Gedichtband "Vögel, Blumen und wilde Tiere" erschien 2000 im Weidle Verlag, übersetzt von Wolfgang Schlüter.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2004

Flötenspieler, Pfeifentänzer
Erstmals auf deutsch: „Aarons Stab” von D. H. Lawrence
David Herbert Lawrence: sein Name scheint auf ewig an einen verjährten Skandal gebunden. „Sons and Lovers”, „Lady Chatterley’s Lover” - wer liest das noch und lässt es sich nicht lieber an der Reminiszenz genügen? Was er schrieb, war damals, vor siebzig, achtzig Jahren eine individuelle Kühnheit; heute locken weit freizügigere Dinge keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Pornografie ist allgemein nicht mehr strafbar, und das Buch scheint als pornografisches Medium sowieso veraltet. So ist er um drei Ecken von dem getrennt, was ihn einst berüchtigt gemacht hat. Lawrence’ Ruhm gleicht heute dem eines alten Sportlers; mit Rührung erinnert man sich, was der Rekord einmal bedeutet hat, bevor er überholt wurde.
Der Mann, die Frau, der Krieg
„Aarons Stab (Aaron’s Rod)” gehört zu den unbekannteren Werken dieses fruchtbaren Autors, der, obwohl er 1930 im Alter von erst 45 Jahren starb, rund ein Dutzend Romane, außerdem Gedichtbände, Dramen, Kurzgeschichten, Reiseberichte und Essays hinterließ. Das Buch wird jetzt, übersetzt von Stefan Weidle, erstmals auf Deutsch vorgelegt. Der titelgebende Held heißt Aaron Sisson und arbeitet als „Checkweighman” im Bergwerk, d.h. als ein Vertrauensmann der Arbeiter, der zu kontrollieren hat, ob die Angaben der Firma über die abgebaute Kohlenmenge zutreffen; er stellt also eine Art Elite-Proletarier da.
Man erfährt wenig darüber, denn das Buch setzt ein an dem Tag, als Aaron alles hinter sich lässt, seine Klassenherkunft mit einem Schulterzucken von sich tut und sich in London und Italien herumzutreiben beginnt. Seine Gesellschaft sind von nun an Bourgeois mit einem neurotischen Hang zur Bohème, kauzige englische Reisende und sogar eine leibhaftige italienische Gräfin; es herrscht in diesem ersten Jahr nach dem Ersten Weltkrieg große Erschöpfung und Verwirrung, Klassenschranken werden durchlässiger, und sie scheinen Lawrence im großen und ganzen ohnehin nicht sehr zu interessieren. Finanziell über Wasser gehalten wird Aaron von seinem „Stab”, einer Flöte, die dieser Arbeiter, unwahrscheinlich genug, auf Konzertniveau zu spielen versteht. Es ist ein deutliches phallisches Symbol, aber ein sehr eigenwilliges. Gegen Ende des Buchs wird es bei einem anarchistischen Bombenanschlag in Florenz zerstört. Man mag darin, im Sinne Freuds, die Ablösung der phallischen durch die genitale Phase angedeutet finden.
Denn das ist jedenfalls das Thema des Buchs: Ob es dem Mann gelingen kann, die hasserfüllte Konfrontation mit der Frau zu überwinden und mit ihr ein Paar zu bilden, das mehr wäre als der Krieg seiner Teile. Es handelt sich in hohem Grad um einen Konversations-Roman, der sich um seinen Plot wenig bekümmert. Umso mehr plaudern und ereifern sich die Salons, in die Aaron, durch Zufall und Gleichgültigkeit, hineingerät. Einige Figuren plädieren für die Wiedereinführung der Sklaverei, aber im Ernst, selbstverständlich mit ihnen als Herren. Andere setzen ihre Hoffnung auf die russische Revolution, die noch ganz jung ist. Vor allem aber erhitzt man sich über das Verhältnis der Geschlechter, wie es ist und wie es sein sollte.
„,Denn eine Frau hat eine unheimliche, höllische Kraft - sie ist Bärin und Wölfin zugleich, wenn sie erst mal die Oberhand über dich hat. Oh, es ist eine entsetzliche Erfahrung, wenn du kein Spießbürger bist und keiner von der Art, die kuscht und Geld ranschafft.‘ ,Die Art, die kuscht, ja. Das ist es‘, pflichtete der Marchese ihm bei. ,Aber kann es denn kein Gleichgewicht des Wollens geben?’ fragte Lilly. ,Mein lieber Junge, Gleichgewicht besteht darin, dass die eine Seite hochgeht und die andere runter. Einer handelt, der andere nimmt es hin. Das ist der einzige Weg in der Liebe. Und heutzutage ist die Frau der aktive Teil. Oh ja, daran gibt es nicht die Spur eines Zweifels. Sie ergreift die Initiative, und der Mann tanzt nach ihrer Pfeife. So ist es. Der Mann tanzt nach ihrer Pfeife - eine hübsch männliche Haltung, nicht wahr?‘ schrie Argyle.”
Und so geht es ganze Nächte hindurch. Aaron sagt wenig dazu; das überragende Talent, mit dem Lawrence seinen Helden ausgerüstet hat, ist die Fähigkeit zu Einsamkeit und Schweigen. Nach einem solchen Abend ungestümer Diskussion geht er allein heim in sein kaltes Bett. „In der Nacht allein zu sein! Dafür war er unaussprechlich dankbar.”
Es sind solche Stellen, die Aaron bei sich zeigen, durch die das Buch über den Rang des bloßen Zeitdokuments hinausgehoben wird. Ganz am Anfang kommt er von der Arbeit heim zu seiner Familie. Es ist der Heiligabend des Jahres 1918, ein großer, leuchtender Abendstern steht am Himmel, und der Boden ist fest gefroren. Als Aaron eintritt, stürzen sofort die zwei kleinen Töchter auf ihn los, „Mein Vater - mein Vater ist da!” Sie bitteln und betteln, er soll für sie den Weihnachtsbaum aufstellen, und ob er bitte, bitte noch ein paar Kerzen kaufen kann? Im Hintergrund steht die Ehefrau. „Pass auf, wo du Dreck machst.” Aaron, der sich auf alles nur halb zerstreut einlässt, geht die Kerzen kaufen - und kehrt nicht mehr zurück. Fast ein Jahr später steht er wieder vor seinem Haus und nimmt die herbstlichen Gerüche des Gartens wahr, der immer noch seiner ist, „Phlox, feuchte alte Pflanzenreste, Getreidegarben. Ein Heimweh, das mindestens zur Hälfte Abscheu war, überkam ihn.” Dann geht er hinein - und stößt auf eine Gattin, die vor Erbitterung und Rachsucht wie versteinert ist. „,Du würdest so gern mir die Schuld geben, aber du kannst es nicht, weil du weißt, dass ich nichts falsch gemacht habe.‘ Sie beobachtete ihn unentwegt. Und er saß bewegungslos auf dem Stuhl an der Tür.” Einen eiskalten, widerlichen Feigling nennt sie ihn, einen Unmenschen und Schuft. Da steht er auf und geht, diesmal für immer.
Knospen am Lebensbaum
Gibt es aus dieser trostlosen Konstellation keinen Ausweg? Im Animalischen liegt jedenfalls keine Hoffnung, es führt nur dazu, dass Mann und Frau wie zwei Raubtiere übereinander herfallen. Lawrence muss sehr weit zurückgehen, um ein versöhnliches Bild zu finden. „Sie können sich nur an Ihre Seele halten, durch dick und dünn. Sie sind Ihr eigener Lebensbaum, Wurzeln, Stamm und Äste. Irgendwo in der Ganzheit des Baumes liegt das Selbst, das Mark: der Heilige Geist. Und dieser Heilige Geist treibt neue Knospen aus, setzt sich über alte Begrenzungen hinweg, schüttelt einen ganzen Leichnam von toten Blättern ab.”
Dies ist die zweite, die vegetabilische Deutung des Leitmotivs von Aarons Stab. Für ein reflexionsreiches Buch von 400 Seiten Umfang scheint es am Ende etwas vage und etwas wenig.
BURKHARD MÜLLER
D. H. LAWRENCE: Aarons Stab. Roman. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Stefan Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2004. 397 Seiten, 23 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2004

Kartograph des Zufalls
Ein früher Beatnik: D. H. Lawrence und sein Roman "Aarons Stab", erstmals auf deutsch

Der Sommer 1921 war lang und heiß. D. H. Lawrence verbrachte mit Frieda von Richthofen, der Schwester des Kriegspiloten, eine Zeit im österreichischen Zell am See, doch trotz der Hitze zog es ihn wieder nach Süden. Unruhe war sein Kennzeichen, nicht erst seit er in Großbritannien als Autor obszöner Werke wie "The Rainbow" geächtet war.

Lawrence trug in jenem Sommer eine Wolke von Problemen mit sich herum. Er litt unter der Tuberkulose und wurde zugleich verfolgt von einer Horde von Freunden und Bekannten, die sich in seinen Romanen karikiert wähnten. In Italien erhielt er die Drohung seines Verlegers, den neuen Roman "Aaron's Rod" nicht zu veröffentlichen. Auch dieses Werk, das jetzt erstmals unter dem Titel "Aarons Stab" in deutscher Übersetzung vorliegt, war in vieler Hinsicht erneut ein Schlüsselroman, so daß sich mancher unversehens als Romanfigur wiedererkannte: der Hedonist Norman Douglas, der Kritiker John Middleton Murry (Katherine Mansfields Ehemann), ein Freund Oscar Wildes oder ein berühmter Kunsthistoriker. Lawrence hatte das Buch bereits 1918 geschrieben, aber er war jetzt in genau der Situation wie sein Protagonist Aaron: auf der Flucht nicht nur vor England, sondern vor Europa. In England war er während des Krieges wegen seines Zusammenlebens mit Frieda von Richthofen als deutscher Spion verdächtigt worden. Italien war sozusagen das Ausgangstor für die Europaflucht.

"Aarons Stab" ist ein stark autobiographisch getöntes, lose zusammengeschriebenes Wanderbuch: Der Mann mit der Flöte - darauf bezieht sich der Titel - läßt Frau und Familie im Bergbaumilieu der Midlands im Stich und zieht erst in London umher, wo er sich in Bohemekreisen aufhält, um schließlich Italien anzusteuern. Der Erste Weltkrieg ist gerade vorbei, so mancher liegt mit der lebensgefährlichen Grippe danieder, es gibt nicht viel zu essen, und so gehört schon einiges an Ego dazu, die Familie sitzenzulassen. Dieses Ego hat ein höchstes Ziel, und das heißt: sich frei machen von allen Bindungen.

Das neunzehnte Jahrhundert mit seinem Fortschritt und Materialismus, das Christentum haben ausgedient. Ein anderer Italienfahrer wetterleuchtet: Nietzsche. Doch neue Bindungen locken und warten an allen Ecken und Enden. Am Horizont der Zeit lodern Feuer: Revolutionen, Kommunismus, Anarchie, Faschismus - alle möglichen Formen von Gewalt und Kollektivismus. Die jungen Leute sind hauptsächlich damit beschäftigt zu hassen: London, England, Europa, die Liebe, das Universum. Aaron fühlt sich angezogen und abgestoßen zugleich von seinen Zeitgenossen wie von sich selbst. Mit einem anderen Individualisten, seinem Moses namens Lilly, bildet er eine Art Doppelgängergespann. Vorbild ist wohl das spannungsreiche Verhältnis zwischen Lawrence und John Middleton Murry, die sich wiederum so ähneln, daß die Personen im Roman kaum auseinanderzuhalten sind. Beiden Figuren ist die Konzentration auf das Eigenste gemeinsam, eine Ablehnung der Masse, aber zugleich sehnen sie sich nach einem Zentrum, nach einer Seele, nach dem Führer.

Lawrence ist denn auch nicht nur von den Prüden als öbszon gebrandmarkt worden, sondern auch von der Linken, die in ihm einen Protofaschisten sah. Solche Behauptungen dienen aber wohl in erster Linie der Selbstentlastung. Lawrence schrieb den Roman "Aarons Stab" mit knapp dreißig Jahren, zu einer Zeit, als Europa ein rauchender Aschehaufen war. Allen Figuren, ob den zynischen oder den leidenden, den hassenden oder den liebenden, ist anzusehen, daß sie am Rande eines riesigen Kraterloches entlangwandeln, die einen schlafwandlerisch, die anderen entsetzt und wie gelähmt. So kann Lawrence auch keinen richtigen Plot entwickeln außerhalb der unruhigen Bewegungen seines entwurzelten Helden, der sich für Freundlichkeiten mit Sarkasmen bedankt. Zu einer Integration seiner selbst kann es gar nicht erst kommen, denn er beobachtet seine Handlungen aus der Ferne, wie ein Marsmensch die Erde, und sie kommen ihm wie ein Naturereignis vor.

Lawrence entwickelt in diesem Roman eine Art Kartographie des Zufalls, mit der er seinen Beitrag zu einer modernistischen Ästhetik leistet. Im Rückblick erscheint diese Planlosigkeit, die den zeitgenössischen Kritikern mißfiel, modern. Wir fühlen uns erinnert an Jack Kerouacs "On the Road", an das Driften der Beat- und Hippiegeneration, an das Aufbegehren der Achtundsechziger, an die Europamüdigkeit des New Age, an die zufälligen Klangmuster eines John Cage. Und dabei geht so manches kaputt, nicht zuletzt Aarons Stab, seine Flöte, die sich nicht etwa in eine Schlange verwandelt, sondern einfach zerbricht. Die Symbolik ist etwas platt geraten, wenn man sie platt psychoanalytisch liest: Aaron hat sozusagen seinen phallischen Wegweiser verloren, der ihn aus der Wüste führen sollte. Phallische Kulte lagen Lawrence; in Florenz genießt Aaron die Männlichkeit der Kunst. Nimmt man jedoch den Stab als Flöte, als harmonisierendes Musikinstrument, so zeigt sich hier auch, daß Lawrence Politik als destruktives Programm durchschaut, denn die Flöte wird bei einer Bombenexplosion zerstört.

Lawrence, den es noch nach Sardinien, Ceylon, Australien und Mexiko verschlagen sollte, der die Etrusker und die Indianer suchte, war in diesen Nachkriegsjahren in einem Umbruch begriffen. Er begann sich einzupendeln auf ein anderes Verhältnis zur Natur, das ihm durch Industrialismus und Puritanismus vollkommen verdorben schien. Die Sinneskaskaden in "Lady Chatterley" - das einzige Buch dieses ungemein produktiven Autors, das hierzulande noch im öffentlichen Bewußtsein ist - sind schließlich Absagen an diese verkrüppelnden Systeme, unter denen er und seine Generation aufwuchsen.

Einige Jahre vor diesem geächteten Roman, etwa zur selben Zeit wie "Aarons Stab", entstand eine kleine poetische Geschichte, in deren Mitte die Entdeckung des Instinkts und der sinnlichen Erfüllung steht. Es ist aber auch die Geschichte einer explosiven Selbstentladung, eines heimtückischen Mordes. Zwei Frauen, die sich zusammengetan haben, um einen kleinen Bauernhof zu führen, werden von einem Fuchs bedroht. Eines Tages schaut Nelly March dem Tier in die Augen und ist davon gebannt, ja gezeichnet. Der Blick hat etwas in ihr geweckt. Bald - der Krieg ist zu Ende - taucht ein junger Soldat auf und nistet sich im Hof ein. Es ist, als habe sich der Fuchs in einen Menschen verwandelt. Denn Henry Grenfel nistet sich eben auch in das Herz jener Nelly ein, zur großen Entrüstung und Enttäuschung ihrer Partnerin. Wenn Lawrence über Tiere schreibt, findet er zu sich; in einigen Passagen verwandelt er selbst sich in einen Fuchs. In höchster Anspannung riecht und beobachtet er die Menschen in ihrer absurden Verstandestätigkeit. Die Geschichte nimmt ein böses Ende, zumindest für Nellys Gefährtin Jill. Der Trieb entlädt sich, als Grenfel einen Baum fällt und diesen auf Jill stürzen läßt. Durch ihren Tod wird das Liebespaar frei, aber ein Schmerz bleibt zurück. Das Kreatürliche hat sich durchgesetzt, doch es hinterläßt tiefe Wunden.

Lawrence scheute vor dem Schmerz genausowenig zurück wie vor der Liebe. Seit seiner Jugend war er dem Tod nah, immerzu bedrängte ihn die Tuberkulose mit Fieberschüben. Fieberhaft war auch sein Schreiben, und man mag ihm darob die Schwächen seines Talents vorhalten - "Ja, aber was für ein Talent!", wie Doris Lessing in ihrem Nachwort ausruft.

David Herbert Lawrence: "Aarons Stab". Roman. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Stefan Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2004. 397 S., geb., 23,- [Euro].

David Herbert Lawrence: "Der Fuchs". Aus dem Englischen übersetzt von Martin Beheim-Schwarzbach. Mit einem Nachwort von Doris Lessing. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 79 S., geb., 11,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Als "stark autobiografisch getöntes, lose zusammengeschriebenes Wanderbuch" von England nach Italien beschreibt Rezensent Elmar Schenkel diesen D.H.-Lawrence-Roman von 1918, der seinen Informationen zufolge nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt. Schenkel sieht hier zwischen den Zeilen auch Nietzsche, einen anderen Italienfahrer, wetterleuchten und am Horizont der beschriebenen Zeit schon die Feuer aller möglicher Formen von Gewalt und Kollektivismus lodern. Allen Figuren des Romans sei anzumerken, lesen wir, dass sie am Rande eines riesigen Kraterloches wandeln würden: "die einen schlafwandlerisch, die anderen entsetzt und wie gelähmt". Außerhalb der unruhigen Bewegungen seiner Helden entwickele Lawrence keinen Plot, sondern eine Art "Kartografie des Zufalls", mit der er für den Rezensenten einen Beitrag zu einer modernistischen Ästhetik leistet. Den Rezensenten erinnert das Buch an Jack Kerouacs Roman "On The Road", "an das Driften der Beat- und Hippiegeneration, an das Aufbegehren der Achtundsechziger, an die Europamüdigkeit des New Age".

© Perlentaucher Medien GmbH"