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Zwei Amerikaner in Paris: Charley und Helen reisen in die französische Hauptstadt, um einen Verleger zu treffen. Obwohl dieser den Termin absagt, sind die beiden fest entschlossen, Paris zu genießen. Es folgt ein zielloses Streunen durch eine Stadt, die so gar nicht ihren Vorstellungen entsprechen will. Und was romantisch begonnen hatte, verwandelt sich bald in eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele.

Produktbeschreibung
Zwei Amerikaner in Paris: Charley und Helen reisen in die französische Hauptstadt, um einen Verleger zu treffen. Obwohl dieser den Termin absagt, sind die beiden fest entschlossen, Paris zu genießen. Es folgt ein zielloses Streunen durch eine Stadt, die so gar nicht ihren Vorstellungen entsprechen will. Und was romantisch begonnen hatte, verwandelt sich bald in eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele.
Autorenporträt
Richard Ford, geboren 1944 in Jackson, Mississippi, lebt heute in New Orleans und Montana. Für seine Romane hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 2014 wurde er mit dem Blue Metropolis International Literary Grand Prix für sein Lebenswerk geehrt und 2016 mit dem Asturien-Preis in der Kategorie Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.1998

In Symbolgewittern
Amerikaner in Paris, ratlos: Richard Fords Novelle "Abendländer"

Angelsächsische Liebhaber der Prosa Richard Fords haben es besser. Unter dem Titel "Women with men" bietet ihnen der Buchmarkt eine Ausgabe an, in der die Novellen "Der Frauenheld", "Eifersüchtig" sowie die soeben auf deutsch erschienenen "Abendländer" gebündelt enthalten sind. Daß diese drei Prosastücken aus zwei europäischen Seitenflügeln und einem amerikanischen Mittelstück ein Triptychon bilden, bleibt deutschsprachigen Lesern vorenthalten. Damit entgeht ihnen die Chance, die Novellentrilogie zur geballten Erfahrungsprobe auf das Exempel zu machen, daß Richard Ford in der zeitgenössischen amerikanischen Prosa als singulärer Fall dasteht. Es dürfte wohl kaum einen zweiten Schriftsteller von Rang geben, dessen Literatur sich derart umstandslos als - gänzlich unideologische - Männerliteratur bezeichnen ließe. Mit Frank Bascombe - der Hauptfigur der beiden Romane "Der Sportreporter" und "Unabhängigkeitstag" - gelang es Ford, so etwas wie den männlichen Prototypus der individualisierten, unter Sinnleere und an ihren gescheiterten Ehen leidenden Generation zu schaffen.

Die hinterlistige Idee, die Liebe zwischen Mann und Frau ausgerechnet in Paris, der Hauptstadt der Liebe, als Desaster zu exekutieren, hat Ford jetzt zum zweiten Mal in Folge angewandt. Wie schon sein "Frauenheld" Martin Austin aus Chicago, darf nun auch der siebenunddreißigjährige Charley Matthews aus Ohio, der seinen Job als Collegelehrer aufgegeben hat, in Paris "auf der Suche nach einem neuen Leben" seinen apokalyptischen rite de passage absolvieren. Desillusionierung und Demontage fallen dieses Mal allerdings wesentlich krasser aus.

Mit seiner um acht Jahre älteren Freundin Helen ist Charley ins vorweihnachtliche Paris gereist, um mit dem Lektor eines französischen Verlages die Übersetzung seines in den Vereinigten Staaten ziemlich erfolglosen Romans in die Wege zu leiten. Das Treffen kommt jedoch nicht zustande, der Lektor verabschiedet sich in die Weihnachtsferien, und auch die Übersetzerin ist verreist. Der eigentliche Zweck für Matthews Reise ist damit zwar hinfällig, aber Helen besteht darauf, zu bleiben und die Stadt zu erkunden. Damit ist die Bühne frei für ein an Hoffnungslosigkeit kaum zu überbietendes psychologisches Kammerspiel, das Ford großenteils aus der Perspektive Charleys schildert. Nur physisch präsent, geht der äußerlich gleichmütige, jungenhafte Mann ganz im Gram um seine Frau auf, die sich von ihm getrennt hat.

Helen gegenüber beläßt er es bei floskelhaften Liebesbekundungen, insgeheim überlegt er, wie er sich ohne viel Aufhebens von ihr trennen kann. Über diese Selbsttäuschungen will die kinderlose, dreimal geschiedene, aktive Helen, die versucht, von einer Krebskrankheit zu genesen, nicht länger hinwegsehen. Am Ende nimmt sie sich in der Überzeugung, daß ihr sowenig zu helfen ist wie Matthew und sie sich nie geliebt haben, mit einer Überdosis Tabletten das Leben.

Die Klippe trivialer Melodramatik, die solch ein Stoff birgt, umschifft Fords Novelle mit viel Glück. Geschickt hält sie den Realitätsgehalt der subjektiven Befindlichkeiten der beiden Protagonisten in der Schwebe und schafft dadurch eine trügerische, stark suggestive Atmosphäre. Zudem überzeugt sie durch Fords mal ironischen, mal sarkastischen Blick. Ein Höhepunkt sind die Passagen, in denen Charley und Helen die klapperdürre "Schmusi" und den fetten "Rex" auf dem Eiffelturm, später im amerikanischen Moderestaurant "Clancy's" treffen. Wie Ford den miesepetrigen Intellektuellen Matthews mit diesen leibhaftigen Karikaturen in Paris lebender, Frankreich und die Franzosen jedoch verabscheuender Amerikaner zusammenbringt, ist reines Lesevergnügen.

Szenen wie diese machen die Novelle als Gegenentwurf zu all den Festen fürs Leben kenntlich, die von der lost generation und anderen amerikanischen Expatriierten in der Stadt des Lichts abgefeiert wurden. Freilich steht der traditionsbeladene Topos von der kulturellen Emanzipation des Amerikaners in Paris nicht durchweg so gekonnt parodistisch und unaufdringlich hintersinnig kopf wie in den erwähnten Abschnitten. Zwar legt Fords Dauerthema der Handlungsunfähigkeit des (intellektuellen) amerikanischen Mannes, der Entscheidungen nicht mehr treffen, sondern nur auf sie hoffen kann, den Fatalismus der Novelle nahe. Dieses zweite Pariser Prosastück läuft jedoch Gefahr, zum Abziehbild des ersten zu werden. Insbesondere stört ein Aufmarsch vorausdeutender Schicksalsmotive, deren nicht gerade unauffällige Inszenierung die Novelle überkonstruiert wirken läßt.

Unter dieser allegorischen Last ächzt vor allem der Schauplatz des Geschehens. Während das wolkenverhangene, graue und kalte Paris das emotionale Mißverhältnis des Paares anzeigt, der dem Hotel gegenüberliegende Friedhof Montparnasse sowie eine Reihe anderer unheilschwangerer Zeichen Helens Tod ankündigen, ist es nach der Peripetie umgekehrt. Dann spiegelt das frühlingshaft warme Paris nicht minder beflissen Charleys Erweckung, seine Hoffnung auf eine "neue Zeit". Zwar bürsten solche Umdeutungen sämtliche in der Tradition des "internationalen Themas" der Romane von Henry James stehenden, zum Klischee verkommenen Topoi vom Amerikaner in Paris gehörig gegen den Strich. Recht glücklich will man jedoch mit Fords durchaus nicht nur parodistisch gemeintem Gegenmythos und dessen von morbiden Symbolen in Gang gebrachtem awakening nicht werden. Mit welch unaufdringlicher Stille war doch im amerikanischen Mittelstück der Trilogie Montana als Urlandschaft existentieller Verlassenheit erschienen. Kaum in Europa angekommen, erliegt Ford demgegenüber einem unter allegorischem Bedeutungszwang stehenden Willen zur Endzeitparabel. Mitunter gewinnt man den Eindruck, bei der Konstruktion dieser Pariser Novelle sei eine Rezeptur namens "Tod in Venedig" als Gebrauchsanleitung mißverstanden worden.

Der Übersetzung bereitet die in ihren Tonlagen changierende Prosa Fords wie so häufig einige Mühe. Manches ist schlichtweg falsch. Computerkids mögen zwar glauben, alles und jedes sei konvertierbar; der Übertritt zum katholischen Glauben heißt jedoch noch immer "Konversion" und nicht "Konvertierung". Größere Sorgfalt vor allem bei der Übertragung derjenigen Passage, in denen Ford die uramerikanische "Sünde" des auf sein inneres Erleben beschränkten, mit sich selbst hadernden Individuums als Isolationsfaktor zwischen den Geschlechtern erscheinen läßt, hätte deutlicher machen können, warum die auf ihr Seelenheil bedachten Selbstsucher dieser Novelle ebensogut "Puritaner" wie "Abendländer" heißen könnten. THOMAS MEDICUS

Richard Ford: "Abendländer". Novelle. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Fredeke Arnim. Berlin Verlag, Berlin 1998. 154 S., geb., 29,80 DM.

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