Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 3,00 €
  • Gebundenes Buch

Tomás, ein junger Kolumbianer, arbeitet in den sechziger Jahren als Kinderarzt im Ruhrgebiet. Anders als sein Studienfreund Albrecht, der erfolgreich Karriere macht und sich bürgerlich etabliert, schließt er sich dem Aufstand in Nicaragua an, um den Diktator Somoza zu stürzen. Als Albrechts Sohn Philipp viele Jahre später in Berlin von der Geschichte erfährt, spürt er ihr nicht nur mit großem Interesse nach, sondern übernimmt einen Impuls für sein eigenes Leben. Zwiespältig fasziniert stellt er sich linkisch den Fragen der Revolution, besucht Tomás in Kolumbien und steigert sich, wieder zu…mehr

Produktbeschreibung
Tomás, ein junger Kolumbianer, arbeitet in den sechziger Jahren als Kinderarzt im Ruhrgebiet. Anders als sein Studienfreund Albrecht, der erfolgreich Karriere macht und sich bürgerlich etabliert, schließt er sich dem Aufstand in Nicaragua an, um den Diktator Somoza zu stürzen. Als Albrechts Sohn Philipp viele Jahre später in Berlin von der Geschichte erfährt, spürt er ihr nicht nur mit großem Interesse nach, sondern übernimmt einen Impuls für sein eigenes Leben. Zwiespältig fasziniert stellt er sich linkisch den Fragen der Revolution, besucht Tomás in Kolumbien und steigert sich, wieder zu Hause, in eine Entführungsaktion hinein.Ralph Hammerthaler erzählt so sinnlich wie kühn von einer Suche nach dem richtigen und dem falschenLeben und davon, wie Philipps Liebesbeziehung zu Helen, einer Schauspielerin, einer großen Belastungsprobe ausgesetzt wird.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bestens unterhalten hat sich Florian Welle bei der Lektüre von Ralph Hammerthalers Roman über das reiche Arztsöhnchen Philipp, der als Enddreißiger seine revolutionäre Ader entdeckt, mit dem Freak Pete die Entführung des Großkapitalisten "Herrfurth" plant und dabei grandios scheitert. Welle unterstreicht den Verzicht des Autors auf "vordergründige Theorieanleihen", von denen sein Vorgängerroman nicht frei war, und begrüßt, dass er hier ganz auf seine Geschichte und ihre Figuren vertraut. Dass Hammerthaler auch grundsätzliche ethische Fragen nicht ausklammert, hält Welle für durchaus mutig - denn hier droht die Gefahr der Banalität. Hier aber findet der Rezensent es gelungen, auch weil der Roman trotz dieses ernsthaften Hintergrundes leicht bleibt. Welle bescheinigt dem Autor zudem, souverän zwischen verschiedenen Zeitebenen und Erzählperspektiven zu wechseln. Da kann er auch gelegentliche sprachliche Mängel verzeihen. Sein Fazit: ein Roman mit "Witz und Drive".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2007

Mit der Niveadose zur Revolution
Ralph Hammerthalers Roman „Aber das ist ein anderes Kapitel”
Der VW Käfer ist das geheime Bindeglied zwischen den Protagonisten dieses Romans. Das sorglose, verwöhnte Arztsöhnchen Philipp kurvt in seinem alten, blau-weiß lackierten „Glückskäfer” durch das Berlin der Jahrtausendwende wie einst sein Vater Albrecht mit Tomás, seinem besten Freund, durchs Ruhrgebiet. Nur dass der Käfer damals grau war, Anfang der sechziger Jahre – er stand für Autoboom und Wirtschaftswunder. Albrecht und sein kolumbianischer Freund waren junge Kinderärzte. Sie beteiligten sich am Aufbau, indem sie „Schichtdienst leisteten wie die Kumpel im Kohlebergbau”. Dann trennten sich ihre Wege. Albrecht machte Karriere als Arzt, eröffnete in Bayern seine eigene Klinik, wurde reich. Tomás hingegen ging als Pathologe nach New York, kam in Kontakt mit der Studentenbewegung, der lateinamerikanischen Opposition; schließlich kämpfte er in Nicaragua aufseiten der Sandinisten für die Revolution. Als Philipp von der Geschichte Tomás’ erfährt, verändert das sein Leben. Er, der Enddreißiger, beginnt zum ersten Mal über die Welt, Recht und Unrecht und die Verantwortung des Einzelnen nachzudenken.
„Aber das ist ein anderes Kapitel” ist der zweite Roman des 1965 in Wasserburg am Inn geborenen Autors Ralph Hammerthaler. Sein erster hieß „Alles bestens”. Auch er thematisierte die Frage der Macht, allerdings eher im zwischenmenschlichen Bereich, dem Verhältnis von Mann und Frau. „Alles bestens” wurde bei seinem Erscheinen 2002 von der Kritik wohlwollend aufgenommen; als störend empfanden einige nur die theoretische Unterfütterung des Romans mit Ansichten von Roland Barthes bis Niklas Luhmann. Es scheint, als hätte Hammerthaler daraus seine Konsequenzen gezogen. Denn „Aber das ist ein anderes Kapitel” verzichtet auf vordergründige Theorieanleihen – sie wären ja bei seinem Thema nur allzu leicht zu haben gewesen, von Marx über die linke Theorie bis zur Globalisierungskritik. Stattdessen vertraut der Roman ganz auf seine Geschichte und ihre Figuren. Es sind ethische Fragen, die ihre Entwicklung vorantreiben, Fragen, die sich jeder Mensch immer aufs Neue zu stellen hat: Wie sieht eine gerechte Welt aus? Wie begegnet man Leid und Unterdrückung? Kann Engagement nicht auch neuerliches Unrecht gebären? Die Antworten spiegeln zudem seismographisch ihre Zeit wider.
Zigarren ohne Überbau
Zunächst jedoch sind es grundsätzliche Fragen, und gerade diese Grundsätzlichkeit lassen sie schnell in den Verdacht der Banalität geraten. Dass Hammerthaler diese Gefahr in Kauf genommen hat, ist mutig zu nennen. Gewonnen hat sein Roman dadurch auf jeden Fall. Er kommt nie moralinsauer, oberlehrerhaft oder verbiestert weltverbesserisch daher, sondern erfrischend leicht und unverkrampft. Wir Leser sind auf Augenhöhe mit den Protagonisten, schauen ihnen beim Nachdenken über Lebensziele und Ideale, Sorgen und Zweifel zu.
Hammerthaler mag seine Figuren mit all ihren Fehlern und Schwächen. Den Ich-Erzähler Philipp etwa in seiner Naivität und Unbekümmertheit, die dazu führen, dass er sich, einmal von revolutionärer Euphorie ergriffen, in die abstruse Entführung des „Großkapitalisten” Herfurth hineinspintisiert. Und natürlich kolossal scheitert. Die Episode besitzt, wie der gesamte Roman, Witz und Drive – den Drive eines VW Käfers, der in seinen blau-weißen Farben „wie eine Niveadose” aussieht. Und sie offenbart gerade durch ihr Spiel mit Klischees – der „Ausbeuter” Herfurth raucht natürlich dicke Zigarren – einen ernsten Kern, der dem Roman seine historische Perspektive verleiht. Denn was den Entführungsplan so lächerlich macht, den Philipp gemeinsam mit dem Freak Pete ausheckt, ist, dass ihm ein Überbau fehlt, der die Handlung legitimieren würde.
Dieser Überbau ist heute nicht mehr zu haben, im Gegensatz zu den sechziger und siebziger Jahren, deren Freiheitsdiskurse den unausgesprochenen Hintergrund für Tomás Kampf gegen das Somoza-Regime bilden. Nimmt man noch die vielen Frauenfiguren hinzu, etwa Lara und Lucía, die Freundinnen von Tomás, und Helen und Isabel, die Freundinnen von Philipp, so zeigt sich auch im Geschlechterverhältnis, zu welcher Zeit der Roman gerade spielt.
Gekonnt verwebt Hammerthaler die verschiedenen Zeitebenen, geschickt wechselt er die Erzählperspektive. Gerade noch im Berlin der Gegenwart, springt er ins Ruhrgebiet der sechziger Jahre; haben wir gerade noch mit Philipp den alternden Revoluzzer Tomás im heutigen Kolumbien besucht, sind wir kurze Zeit später im New York der Siebziger oder im Dschungel Nicaraguas. Die vielen erzählerischen Stärken lassen die eine oder andere sprachliche Schwäche vergessen. Etwa wenn Hammerthaler permanent Flugzeuge als Vögel bezeichnet. Wenn sich dann noch deren „Schnauzen” in die Luft erheben, wird aus einer schlichten Metapher eine schiefe. Und natürlich lässt sich fragen, warum Philipp erst so alt werden musste, um seine revolutionäre Ader zu entdecken. Ist die Zeit des Aufbegehrens und Hinterfragens nicht die Pubertät? Sei’s drum. Besser spät mit dem Nachdenken beginnen als nie.FLORIAN WELLE
RALPH HAMMERTHALER: Aber das ist ein anderes Kapitel. Roman. Poss Verlag, Wasserburg am Inn 2007. 298 Seiten, 14,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr
Der Kapitalismus ist literaturfähig geworden, und Ralph Hammerthaler ist sein auf den Abgesang eingestimmter Sänger des Unheils. Das unterscheidet diesen Autor von den meisten seiner Generationskollegen, die sich gerne des eigenen, ereignislosen Lebens vergewissern und darüber ganz sentimental werden. Frankfurter Rundschau