Mama sagt, dass ich nicht darf. Aber ich will, ich will, ich will. Zum Beispiel: laut Musik hören, die Wand anmalen, Cola trinken und auf dem Bett herumhopsen, bis es auseinander kracht. Ich habs. Ich baue eine Rakete und schicke Mama auf den Mond. Aber wer erzählt dann die Gutenachtgeschichte? Von John A. Rowe, dem Meister des skurrilen Humors illustriert, erzählt Karl Rühmann eine verrückte Geschichte, die man immer und immer wieder verschlingt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002Lustvoller Chaot
oder: mit Mama auf den Mond
Das neue Bilderbuch von John Rowe
Seit 1990 hat der Engländer John Rowe bei Neugebauer Press seine Kinderbücher veröffentlicht. Keines von ihnen wollte lieb und nett, anschmiegsam an den Markt und den mehrheitlichen Geschmack der suchenden und kaufenden Erwachsenen sein. Rowe hat alle nur erdenklichen nationalen und internationalen Preise gewonnen. Marktrenner und Stapeltitel für den Buchhandel wurde keiner von ihnen. Zu verfremdet erschien seine oft düstere Farbskala; zu alternativ erscheinen seine absurden,immer turbulenten Nonsense-Geschichten.
Auch an seinem jüngsten Titel Ich will werden sich die Geister scheiden. Zu konsequent unbequem gibt sich die Geschichte von Karl Rühmann. Ein kleiner, grimmig durch eine schwarze Maskenbrille starrender Knabe, auf dem Buchdeckel nur eine Socke mit Zehenloch an den Füßen, kommt offenbar aus seinem Dauertrotz gegen die Mutter nicht heraus. Was er will, zeigt ihn als Chaoten und Gesetzesbrecher. Garantiert werden sich viele Altersgenossen in seiner Dauer-Aufmuckerei wiedererkennen, und ihre Eltern und Erziehungspersonen werden kaum das Buch aufklappen wollen, vor allem, wenn ihnen Antiautoritäres – in welcher Form auch immer – bis heute verdächtig blieb. Auf Rowe passt auch keine herkömmliche Bilderbuchkritik. Zu sehr ist er an Comics, Kino und TV-Clips orientiert, die raschen Szenenwechsel, rasante Kameraschwenks und waghalsige Blickwechsel ermöglichen. Zudem begegnen wir hier einem stilistisch völlig gewandelten Rowe: An die Stelle der immer eindruckstarken Acrylpalette seiner früheren Bilderbücher ist ein karikierender Cartoonstrich getreten. Es ist zwar deftige „freche ” Farbigkeit vorhanden. Sie ist jedoch mehr dem grellen Plakat angenähert, und wird verstärkt durch die Freistellung seiner Figuren vor weißem Untergrund. Dieser Wandel scheint dem Thema angemessen, gibt dem anarchischen Toben des kleinen Wüterichs dreist, drastisch Ausdruck.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Bedingt nur Fürsprache für die fragwürdige Devise „Anarchie ist machbar – Herr Frau Nachbar”, denn die anfangs auf den Mond geschossene Mama ist doch willkommen, wenn's darum geht, eine nervenberuhigende Gutenachtgeschichte am Bettrand erzählt zu bekommen. (ab 4 Jahre)
HORST KÜNNEMANN
KARL RÜHMANN: Aber ich will. Mit Bildern von John A. Rowe. Neugebauer Verlag 2002. 32 Seiten, 12,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
oder: mit Mama auf den Mond
Das neue Bilderbuch von John Rowe
Seit 1990 hat der Engländer John Rowe bei Neugebauer Press seine Kinderbücher veröffentlicht. Keines von ihnen wollte lieb und nett, anschmiegsam an den Markt und den mehrheitlichen Geschmack der suchenden und kaufenden Erwachsenen sein. Rowe hat alle nur erdenklichen nationalen und internationalen Preise gewonnen. Marktrenner und Stapeltitel für den Buchhandel wurde keiner von ihnen. Zu verfremdet erschien seine oft düstere Farbskala; zu alternativ erscheinen seine absurden,immer turbulenten Nonsense-Geschichten.
Auch an seinem jüngsten Titel Ich will werden sich die Geister scheiden. Zu konsequent unbequem gibt sich die Geschichte von Karl Rühmann. Ein kleiner, grimmig durch eine schwarze Maskenbrille starrender Knabe, auf dem Buchdeckel nur eine Socke mit Zehenloch an den Füßen, kommt offenbar aus seinem Dauertrotz gegen die Mutter nicht heraus. Was er will, zeigt ihn als Chaoten und Gesetzesbrecher. Garantiert werden sich viele Altersgenossen in seiner Dauer-Aufmuckerei wiedererkennen, und ihre Eltern und Erziehungspersonen werden kaum das Buch aufklappen wollen, vor allem, wenn ihnen Antiautoritäres – in welcher Form auch immer – bis heute verdächtig blieb. Auf Rowe passt auch keine herkömmliche Bilderbuchkritik. Zu sehr ist er an Comics, Kino und TV-Clips orientiert, die raschen Szenenwechsel, rasante Kameraschwenks und waghalsige Blickwechsel ermöglichen. Zudem begegnen wir hier einem stilistisch völlig gewandelten Rowe: An die Stelle der immer eindruckstarken Acrylpalette seiner früheren Bilderbücher ist ein karikierender Cartoonstrich getreten. Es ist zwar deftige „freche ” Farbigkeit vorhanden. Sie ist jedoch mehr dem grellen Plakat angenähert, und wird verstärkt durch die Freistellung seiner Figuren vor weißem Untergrund. Dieser Wandel scheint dem Thema angemessen, gibt dem anarchischen Toben des kleinen Wüterichs dreist, drastisch Ausdruck.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Bedingt nur Fürsprache für die fragwürdige Devise „Anarchie ist machbar – Herr Frau Nachbar”, denn die anfangs auf den Mond geschossene Mama ist doch willkommen, wenn's darum geht, eine nervenberuhigende Gutenachtgeschichte am Bettrand erzählt zu bekommen. (ab 4 Jahre)
HORST KÜNNEMANN
KARL RÜHMANN: Aber ich will. Mit Bildern von John A. Rowe. Neugebauer Verlag 2002. 32 Seiten, 12,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Zu "konsequent unbequem" sind die anarchischen Bilderbücher Rühmanns, als dass erziehende und daher der Anarchie ausgelieferte Eltern sie kaufen würde, vermutet Horst Künnemann. Und das, obwohl die Bücher schon alle möglichen Preise gewonnen haben. Auch die Geschichte von einem kleinen maskierten Dauer-Wüterich mit Loch im Strumpf, der seine Mutter auf den Mond schießt, handle wieder von der üblichen Aufmuckerei in Rühmanns Geschichten. Einen drastischen Ausdruck erhalte dieses Toben durch den karikierenden Cartoonstrich und eine freche Farbigkeit. So frech, das Kind ohne Gutenachtgeschichte ins Bett gehen zu lassen, sei jedoch auch Rühmann nicht, der dazu die Mutter wieder vom Mond hole.
© Perlentaucher Medien GmbH
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