Wenn Petrarca das eigene Werk auf der Grenze zwischen zwei Völkern (in confinio duorum populorum) sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken sieht, dann unternimmt er mehr als nur eine Selbstdiagnose, vielmehr charakterisiert er ein grundsätzliches Spannungsverhältnis, das die Literatur der Frühen Neuzeit bestimmt. Entgegen der Programmatik einer rinascita als Wiedergeburt der idealen Zeit der Antike, die eine Art kultureller Stunde Null impliziert, treffen die Aktualisierungen antiker Modelle auf traditionelle Formen volkssprachlichen Dichtens, die insbesondere in der Lyrik ihre ganz eigenen Resistenzen entwickeln und so einen Prozess wechselseitiger Modifizierung in Gang setzen. In zwölf Studien zur neulateinischen, italienischen, französischen, spanischen und deutschen Literatur in Renaissance und Barock werden exemplarisch die Modi und das innovative Potential dieses ebenso fruchtbaren wie agonalen Verhältnisses ausgelotet.