"Schamlos - wie die Finanzbranche das Vertrauen der Bürger mit Füßen tritt"
Verspieltes Vertrauen
Neben jeder Menge Geld ging in der Finanzkrise vor allem eines verloren: Vertrauen - das Vertrauen der Anleger in die Banken, das Vertrauen der Banken untereinander, das Vertrauen in die Finanzmärkte, in die Finanzaufsicht und letztlich in das gesamte marktwirtschaftliche System.
Was läuft immer noch schief?
Was können wir daraus für die Zukunft lernen? Und wie kann gegenseitiges Vertrauen wiederhergestellt werden?
Auf diese Fragen geben die erfahrenen Verbraucheranwälte Gerhart Baum, Julius Reiter und Olaf Methner konkrete Antworten. In "Abkassiert" enthüllen sie nicht nur die skandalösen Methoden der Finanzbranche und ihre Verflechtungen mit der Politik - anhand zahlreicher Beispiele zeigen sie auch, wie Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister ihre Kunden trotz gegenteiliger Beteuerungen auch heute noch regelrecht abkassieren. Und sie erläutern, wie neue Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte Transparenz und Vertrauen schaffen können.
Verspieltes Vertrauen
Neben jeder Menge Geld ging in der Finanzkrise vor allem eines verloren: Vertrauen - das Vertrauen der Anleger in die Banken, das Vertrauen der Banken untereinander, das Vertrauen in die Finanzmärkte, in die Finanzaufsicht und letztlich in das gesamte marktwirtschaftliche System.
Was läuft immer noch schief?
Was können wir daraus für die Zukunft lernen? Und wie kann gegenseitiges Vertrauen wiederhergestellt werden?
Auf diese Fragen geben die erfahrenen Verbraucheranwälte Gerhart Baum, Julius Reiter und Olaf Methner konkrete Antworten. In "Abkassiert" enthüllen sie nicht nur die skandalösen Methoden der Finanzbranche und ihre Verflechtungen mit der Politik - anhand zahlreicher Beispiele zeigen sie auch, wie Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister ihre Kunden trotz gegenteiliger Beteuerungen auch heute noch regelrecht abkassieren. Und sie erläutern, wie neue Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte Transparenz und Vertrauen schaffen können.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2009Ruf nach der Waffengleichheit
Gustav Dahrendorf, der Pionier des Verbraucherschutzes in Deutschland und Gründer der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, schrieb 1955 in seinem Buch „Der Mensch, das Maß aller Dinge”: „Die außerordentliche hohe Zahl der dem Verbraucher angebotenen Güter, auch innerhalb bestimmter Warengruppen, macht eine Übersicht über den Markt kaum möglich. Der Sortenwirrwarr hindert ihn, die vorteilhafteste Sorte herauszufinden.”
Mehr als 50 Jahre später hat sich daran nichts geändert, gerade auf dem Markt der Anlage- und Versicherungsprodukte: Verbraucher haben es extrem schwer, Angebote sachgerecht zu vergleichen. Und weil das so ist, können ihnen Banken, Versicherungen und so mancher zwielichtiger Berater auch jede Menge Schrott in Form von unnötigen, teuren oder hochriskanten Geldanlagen, Krediten oder vermeintlichen Steuersparmodellen verkaufen. So sehen es jedenfalls der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum sowie die beiden Verbraucheranwälte Julius Reiter und Olaf Methner in ihrem Buch „Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche”. Beispiele liefern sie dafür genug: In dem 250 Seiten starken Werk erklärt das Autorentrio nicht nur, wie aus der Finanzkrise eine Vertrauenskrise wurde und warum der Verbraucherschutz „das Stiefkind der Nation” ist. In mehreren Kapiteln schildern sie auch die Geschichte besonders spektakulärer Finanzskandale: Die fünf Menschen, die sich mit von der Bausparkasse Badenia finanzierten Immobilien finanziell völlig ruiniert hatten und sich das Leben nahmen, werden genauso wenig vergessen wie die Käufer der inzwischen wertlosen Lehman-Zertifikate oder die Immobilienbesitzer, deren Bank ihr Baudarlehen ohne Vorwarnung an Finanzinvestoren verkaufte.
Nun könnte man sich in einer freien Marktwirtschaft auf den Standpunkt stellen, dass jeder selbst daran schuld ist, wenn er einen für sich finanziell wenig vorteilhaften Vertrag abschließt. Die drei Autoren kommen jedoch zu einem anderen Ergebnis: Vertragsfreiheit sei nicht grenzenlos, sie bedürfe der Ordnung und der Transparenz, um Waffengleichheit herzustellen. Die wirtschaftlich unterlegene Partei, wie etwa Bank- und Versicherungskunden, müssten die Chance haben, die Vor- und Nachteile zu erkennen, die sich aus einem Vertrag für sie ergeben. Doch davon, das weisen die Anwälte überzeugend nach, ist Deutschland noch weit entfernt.
Trotz mancher Verbesserungen im Anlegerschutz ist es zum Beispiel weiter unmöglich, die Kosten einer Lebensversicherung exakt zu vergleichen. Auch nach Ausbruch der Finanzkrise geht es den Anbietern auf dem Kapitalmarkt in erster Linie um den Verkauf von Produkten und nicht um die Beratung der Kunden. Die Vertriebsmitarbeiter in den Banken erhalten nach wie vor Vertriebsvorgaben, wie oft sie in einem Monat etwa einen Bausparvertrag unters Volk bringen müssen. Auch bei der Finanzaufsicht hat sich nicht viel geändert. Die Bafin sei ein „stumpfes Schwert”, schreiben die Autoren. Ihr Auftrag ziele „eher auf das Funktionieren des Bankensystems denn auf das Wohl der Anleger”. In der Rechtsprechung sehen die Anwälte ebenfalls Lücken. Richter würden lieber eine Anlegerklage aus formalen Gründen ablehnen, „ehe sie sich rechnerisch mit einem komplizierten Finanzprodukt auseinandersetzen müssen”. Die Autoren fordern aber auch die Verbraucher zum Umdenken auf. Sie sollten bereit sein, „für unabhängige Beratung ein Entgelt zu zahlen, damit nicht die Provisionshöhe der Berater die Produktwahl bestimmt”. Die Lektüre dieses Buches kann dazu sicherlich beitragen. Thomas Öchsner
Gerhart Baum, Julius Reiter und Olaf Methner. Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.
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Gustav Dahrendorf, der Pionier des Verbraucherschutzes in Deutschland und Gründer der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, schrieb 1955 in seinem Buch „Der Mensch, das Maß aller Dinge”: „Die außerordentliche hohe Zahl der dem Verbraucher angebotenen Güter, auch innerhalb bestimmter Warengruppen, macht eine Übersicht über den Markt kaum möglich. Der Sortenwirrwarr hindert ihn, die vorteilhafteste Sorte herauszufinden.”
Mehr als 50 Jahre später hat sich daran nichts geändert, gerade auf dem Markt der Anlage- und Versicherungsprodukte: Verbraucher haben es extrem schwer, Angebote sachgerecht zu vergleichen. Und weil das so ist, können ihnen Banken, Versicherungen und so mancher zwielichtiger Berater auch jede Menge Schrott in Form von unnötigen, teuren oder hochriskanten Geldanlagen, Krediten oder vermeintlichen Steuersparmodellen verkaufen. So sehen es jedenfalls der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum sowie die beiden Verbraucheranwälte Julius Reiter und Olaf Methner in ihrem Buch „Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche”. Beispiele liefern sie dafür genug: In dem 250 Seiten starken Werk erklärt das Autorentrio nicht nur, wie aus der Finanzkrise eine Vertrauenskrise wurde und warum der Verbraucherschutz „das Stiefkind der Nation” ist. In mehreren Kapiteln schildern sie auch die Geschichte besonders spektakulärer Finanzskandale: Die fünf Menschen, die sich mit von der Bausparkasse Badenia finanzierten Immobilien finanziell völlig ruiniert hatten und sich das Leben nahmen, werden genauso wenig vergessen wie die Käufer der inzwischen wertlosen Lehman-Zertifikate oder die Immobilienbesitzer, deren Bank ihr Baudarlehen ohne Vorwarnung an Finanzinvestoren verkaufte.
Nun könnte man sich in einer freien Marktwirtschaft auf den Standpunkt stellen, dass jeder selbst daran schuld ist, wenn er einen für sich finanziell wenig vorteilhaften Vertrag abschließt. Die drei Autoren kommen jedoch zu einem anderen Ergebnis: Vertragsfreiheit sei nicht grenzenlos, sie bedürfe der Ordnung und der Transparenz, um Waffengleichheit herzustellen. Die wirtschaftlich unterlegene Partei, wie etwa Bank- und Versicherungskunden, müssten die Chance haben, die Vor- und Nachteile zu erkennen, die sich aus einem Vertrag für sie ergeben. Doch davon, das weisen die Anwälte überzeugend nach, ist Deutschland noch weit entfernt.
Trotz mancher Verbesserungen im Anlegerschutz ist es zum Beispiel weiter unmöglich, die Kosten einer Lebensversicherung exakt zu vergleichen. Auch nach Ausbruch der Finanzkrise geht es den Anbietern auf dem Kapitalmarkt in erster Linie um den Verkauf von Produkten und nicht um die Beratung der Kunden. Die Vertriebsmitarbeiter in den Banken erhalten nach wie vor Vertriebsvorgaben, wie oft sie in einem Monat etwa einen Bausparvertrag unters Volk bringen müssen. Auch bei der Finanzaufsicht hat sich nicht viel geändert. Die Bafin sei ein „stumpfes Schwert”, schreiben die Autoren. Ihr Auftrag ziele „eher auf das Funktionieren des Bankensystems denn auf das Wohl der Anleger”. In der Rechtsprechung sehen die Anwälte ebenfalls Lücken. Richter würden lieber eine Anlegerklage aus formalen Gründen ablehnen, „ehe sie sich rechnerisch mit einem komplizierten Finanzprodukt auseinandersetzen müssen”. Die Autoren fordern aber auch die Verbraucher zum Umdenken auf. Sie sollten bereit sein, „für unabhängige Beratung ein Entgelt zu zahlen, damit nicht die Provisionshöhe der Berater die Produktwahl bestimmt”. Die Lektüre dieses Buches kann dazu sicherlich beitragen. Thomas Öchsner
Gerhart Baum, Julius Reiter und Olaf Methner. Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.
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