Abschaffel, Flaneur und "Workaholic des Nichtstuns" streift durch eine Metropole der verwalteten Welt. Mit innerer Phantasietätigkeit kompensiert er die äußere Ereignisöde seines Angestellten-Daseins und schlägt alle Zerstreuungsangebote der Freizeitindustrie aus. Im Verlauf der Trilogie unternimmt Abschaffel mehrere kläglich-komische Anläufe zum Ausbruch: Zum Beispiel versucht er sich selbst in der Rolle des Nutznießers von Ausbeutung, als Zuhälter nämlich. Zu guter Letzt jedoch zwingt ihn eine psychosomatische Krankheit zu einem mehrwöchigen Kuraufenthalt. Immerhin eröffnet sich ihm hier endlich die Möglichkeit der Reflektion.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2007Die sirrende Zufriedenheit des Trauerschnäppers
Ins Misslingen verliebt: In seinem neuen Roman "Mittelmäßiges Heimweh" hat Wilhelm Genazino, der Schmerzensmann der Mittelschicht, seinem Anti-Helden-Arsenal ein gelungenes Exemplar hinzugefügt und seinen Humor ein Stück weiter ins Untröstliche vorangetrieben.
Von Wolfgang Schneider
Wilhelm Genazino und seine Figuren sind Beobachter und Belauscher der Mitwelt. Auch im neuen Roman finden sich wieder viele originell formulierte Flaneurswahrnehmungen, gedehnte Blicke ins städtische Getriebe. Dabei stellt sich der Ich-Erzähler - dieses Mal heißt er Dieter Rotmund - quer zu den Abläufen des gewöhnlichen Lebens. Bei aller vorgeblichen Sanftmut hat seine Perspektive etwas Aufsässiges. Sie bringt das Tun der unauffällig beobachteten Mitmenschen um seinen Sinn.
Etwa in der lärmigen Fußballkneipe, gleich in der Eingangsszene. Rotmund interessiert sich überhaupt nicht für Fußball, er guckt die Fußballgucker. Und macht sich, wie es seine Art ist, ein bisschen lustig über das "Schlichtglück der Leute". Aber da passiert ihm ein Malheur: "Ich sehe mein Ohr am Boden liegen wie ein kleines, helles Gebäck." Schmerzlos ist es ihm abgefallen. Ohne die Ohrmuschel aufzuheben, getrieben von einer merkwürdigen Scham, verlässt Rotmund die Kneipe. Später wird er auf ebenso unerklärte Weise noch einen kleinen Zeh einbüßen. Handelt es sich um Schockreaktionen auf die Zumutungen des Lebens? Oder um eine neue Seuche, die sofortige Quarantäne erforderte?
Locker sitzende Identitätsteile.
Oder hat Wilhelm Genazino, den verlässlichen Mikro-Realisten, nun die Lust am Kafkaesken gepackt? Bei Kafka bildet die phantastische Metamorphose den Kern der Erzählung; die Geschichte Gregor Samsas gäbe es nicht ohne das Käfer-Malheur. Der Rotmund-Roman würde dagegen ebenso gut funktionieren, wenn man die Passagen über die Ohrlosigkeit einfach wegließe. Um es mit dem Betroffenen selbst zu sagen: "Tagelang vergesse ich, dass ich nur noch ein Ohr und einen kleinen Zeh habe." Richtig ist allerdings, dass auch andere Teile der Identität bei dieser Figur ziemlich locker sitzen und leicht abfallen könnten. Das Alter zum Beispiel. Wie ein Dreiundvierzigjähriger kommt einem Rotmund nicht vor. Er hat eine Ältere-Herren-Mentalität.
Aber er leidet ja auch an "vorzeitiger Ermüdung". Das Leben setzt ihm zu. Seine Ehe verendet gerade. Noch lebt er mit Edith halbgetrennt in zwei Haushalten. Sehr heimatverbunden, bewohnt die Gattin mit Töchterchen Sabine die Dreizimmerwohnung in einem Schwarzwaldort. Rotmund hat für die Arbeitswoche ein kleines Apartment in Frankfurt. Er ist Controller in einem mittelständischen Pharma-Unternehmen, und die zwei Haushalte überfordern sein Gehalt. So ist er, der im Beruf "Millionen umleitet", gerade dabei, eine Spar-Neurose zu entwickeln. Während der Schwarzwaldfahrten treibt er sich ständig in der Nähe der Zugtoiletten herum, um der Kontrolle zu entgehen. Aber bald kann er sich auch das sparen. Denn an einem Wochenende - ungute Vorzeichen gab es genug - sagt Edith den denkbar schlimmsten Satz, den eine Frau zu ihrem Mann sagen kann: "Ich mag deine Stimme nicht mehr hören."
Genazino ist ins Misslingen verliebt. Vor diesem Hintergrund muss man es als klaren humoristischen Tatbestand werten, wenn Rotmund - kontrapunktisch zum Niedergang seines Privatlebens - beruflich aufsteigt. Aus Ratlosigkeit, was er mit seinen Abenden anfangen soll, hat er öfter Überstunden gemacht. Und wird nun Finanzdirektor. Er lernt die Vergünstigungen der Chefs kennen, etwa eine geheime Kammer mit Schlummersessel für das Erholungsschläfchen zwischendurch. Aber man darf sicher sein: Auch am Abend der Beförderung versteht es dieser routinierte Melancholiker, die Stimmung unten zu halten. Dafür genügt der Gedanke an den eingeschweißten Fertigsalat, der in der Wohnung auf ihn wartet. Ein hoher Trübsinnsfaktor ist also garantiert. Rotmunds Tränen werden zum Leitmotiv. Da steht er am helllichten Tag weinend in den Weinbergen oder grübelt über die "Tränensaugkraft" eines Teppichbodens.
In einem poetologischen Essay schrieb Genazino, der Autor habe sich wieder und wieder "in die Sprechstunde des Schmerzes" zu begeben. Um dann die Transsubstantiation von alltäglichem Lebenselend in erzählerischen Humor vorzunehmen. In diesem Buch ist der Humor, weil noch ein Stück weiter ins Untröstliche vorangetrieben, feiner als in Genazinos letztem Roman "Die Liebesblödigkeit". Da war der Held ein "freischaffender Apokalyptiker", und auch andere Figuren neigten zu kabarettistischen Berufen wie "Panik-Berater" oder "Ekel-Referent". Eine bisweilen etwas platte Kritik der Kulturindustrie (bis heute wetterleuchtet noch Adornismus als Wissen vom Verhängniszusammenhang in der Genazino-Welt) sorgte für Pointen.
Erotische Desillusionierung.
Auch jetzt wirken manche Scherze allzu gewollt, wenn Rotmund etwa auf einer Packung Vollkornbrot "Volkszornbrot" liest oder sich hartnäckig über den Ausdruck "schwitzende Wurst" amüsiert. Genazinos Witze seien schlecht, hat daraufhin ein Kritiker befunden - und damit nicht nur die Partien feinerer Komik, die gerade dieses Buch auszeichnen, unterschlagen, sondern auch die Psychologie des "Notblödelns" verkannt, ein Selbstverteidigungsreflex: "Ich möchte nicht, dass sich die Wirklichkeit vor mir aufspielt. Tut sie es trotzdem, setze ich sie innerlich herab und erfreue mich an ihrer Kläglichkeit."
Wie üblich bei Genazino findet sich die eine oder andere krass ausgeleuchtete Liebesszene. Der Erzähler spart nicht an organischen Details, schildert mit hinterhältigem Amüsement, wie Menschen "eigenartige Sexualskulpturen" bilden, und stellt einen Bordellbesuch so dar, dass das letzte Flackern von Rotlichtromantik an der Schnödheit der Vorgänge zuschanden wird. Genazino sieht die Wahrheitsverpflichtung der Literatur offenbar darin, zu den geglätteten Bildern der erotischen Illusionierung forciert nüchterne Gegendarstellungen zu liefern.
Das Erzählen im Präsens wirkt oft etwas gekünstelt. Bei Genazino dagegen erscheint es als plausible, ja einzig angemessene Form. Denn sein Thema ist der unmittelbare Gegenwartsdruck. Dabei protokolliert er vermeintlich unwesentliche Kleinigkeiten, die das Gedächtnis später als Ballast abstoßen würde. Manches würde, ins Imperfekt versetzt, geradezu merkwürdig wirken: "Eine einzelne verirrte Möwe fliegt über einen Platz und lässt sich auf einer Bogenlampe nieder. Ein Bus kommt vorbei, drei Personen steigen aus, zwei steigen zu. Der Bus fährt weiter, die Möwe schaut dem Bus nach. Hat das schon mal jemand gesehen, wie eine Möwe einem Bus nachschaut und dabei ein schmerzlich schönes Möwengesicht kriegt?"
Nur auf den ersten Blick sind solche Passagen belanglos (nebenbei handelt sich auch um eine kleine Selbstpersiflage des Wahrnehmungsvirtuosen). Denn die Tätigkeit des herumstreunenden Beobachtens ist für Genazino-Helden lebenswichtig: als Psychotechnik, die das Bewusstsein entspannt und die Depression abführt. Zum anderen ist das Motiv eingebunden; Rotmund hat nämlich einen Hang zur Vogelbeobachtung. Die Kreatürlichkeit rührt ihn an, die Tiere bieten ihm ein Kontrastprogramm zu den Verzwicktheiten der Menschen- und Bürowelt. Wie staunt er über den Flug der Schwalben: "Ihre sirrende Zufriedenheit am Himmel ist so großartig, dass man auf der Erde in ein neidisches Geheul ausbrechen möchte." Er erwirbt ein Bestimmungsbuch, in dem ihn schon die klangvollen Namen entzücken: Trauerschnäpper zum Beispiel.
Zu bewundern ist die Souveränität, mit der Genazino sein Material inzwischen entfaltet. Mit schwebender Leichtigkeit berichtet er von niedergeschlagenen Seelen und den Belastungen des Angestelltendaseins. Immer wieder gerinnt ihm dabei der Erzählfluss zu gültigen Aphorismen; das Reflexionsvergnügen ist hoch. Und mit Dieter Rotmund hat er der Voliere seines Werkes einen prächtigen Trauerschnäpper hinzugefügt.
- Wilhelm Genazino: "Mittelmäßiges Heimweh". Roman. Carl Hanser Verlag, München 2007. 189 S., geb., 17,90 [Euro].
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Ins Misslingen verliebt: In seinem neuen Roman "Mittelmäßiges Heimweh" hat Wilhelm Genazino, der Schmerzensmann der Mittelschicht, seinem Anti-Helden-Arsenal ein gelungenes Exemplar hinzugefügt und seinen Humor ein Stück weiter ins Untröstliche vorangetrieben.
Von Wolfgang Schneider
Wilhelm Genazino und seine Figuren sind Beobachter und Belauscher der Mitwelt. Auch im neuen Roman finden sich wieder viele originell formulierte Flaneurswahrnehmungen, gedehnte Blicke ins städtische Getriebe. Dabei stellt sich der Ich-Erzähler - dieses Mal heißt er Dieter Rotmund - quer zu den Abläufen des gewöhnlichen Lebens. Bei aller vorgeblichen Sanftmut hat seine Perspektive etwas Aufsässiges. Sie bringt das Tun der unauffällig beobachteten Mitmenschen um seinen Sinn.
Etwa in der lärmigen Fußballkneipe, gleich in der Eingangsszene. Rotmund interessiert sich überhaupt nicht für Fußball, er guckt die Fußballgucker. Und macht sich, wie es seine Art ist, ein bisschen lustig über das "Schlichtglück der Leute". Aber da passiert ihm ein Malheur: "Ich sehe mein Ohr am Boden liegen wie ein kleines, helles Gebäck." Schmerzlos ist es ihm abgefallen. Ohne die Ohrmuschel aufzuheben, getrieben von einer merkwürdigen Scham, verlässt Rotmund die Kneipe. Später wird er auf ebenso unerklärte Weise noch einen kleinen Zeh einbüßen. Handelt es sich um Schockreaktionen auf die Zumutungen des Lebens? Oder um eine neue Seuche, die sofortige Quarantäne erforderte?
Locker sitzende Identitätsteile.
Oder hat Wilhelm Genazino, den verlässlichen Mikro-Realisten, nun die Lust am Kafkaesken gepackt? Bei Kafka bildet die phantastische Metamorphose den Kern der Erzählung; die Geschichte Gregor Samsas gäbe es nicht ohne das Käfer-Malheur. Der Rotmund-Roman würde dagegen ebenso gut funktionieren, wenn man die Passagen über die Ohrlosigkeit einfach wegließe. Um es mit dem Betroffenen selbst zu sagen: "Tagelang vergesse ich, dass ich nur noch ein Ohr und einen kleinen Zeh habe." Richtig ist allerdings, dass auch andere Teile der Identität bei dieser Figur ziemlich locker sitzen und leicht abfallen könnten. Das Alter zum Beispiel. Wie ein Dreiundvierzigjähriger kommt einem Rotmund nicht vor. Er hat eine Ältere-Herren-Mentalität.
Aber er leidet ja auch an "vorzeitiger Ermüdung". Das Leben setzt ihm zu. Seine Ehe verendet gerade. Noch lebt er mit Edith halbgetrennt in zwei Haushalten. Sehr heimatverbunden, bewohnt die Gattin mit Töchterchen Sabine die Dreizimmerwohnung in einem Schwarzwaldort. Rotmund hat für die Arbeitswoche ein kleines Apartment in Frankfurt. Er ist Controller in einem mittelständischen Pharma-Unternehmen, und die zwei Haushalte überfordern sein Gehalt. So ist er, der im Beruf "Millionen umleitet", gerade dabei, eine Spar-Neurose zu entwickeln. Während der Schwarzwaldfahrten treibt er sich ständig in der Nähe der Zugtoiletten herum, um der Kontrolle zu entgehen. Aber bald kann er sich auch das sparen. Denn an einem Wochenende - ungute Vorzeichen gab es genug - sagt Edith den denkbar schlimmsten Satz, den eine Frau zu ihrem Mann sagen kann: "Ich mag deine Stimme nicht mehr hören."
Genazino ist ins Misslingen verliebt. Vor diesem Hintergrund muss man es als klaren humoristischen Tatbestand werten, wenn Rotmund - kontrapunktisch zum Niedergang seines Privatlebens - beruflich aufsteigt. Aus Ratlosigkeit, was er mit seinen Abenden anfangen soll, hat er öfter Überstunden gemacht. Und wird nun Finanzdirektor. Er lernt die Vergünstigungen der Chefs kennen, etwa eine geheime Kammer mit Schlummersessel für das Erholungsschläfchen zwischendurch. Aber man darf sicher sein: Auch am Abend der Beförderung versteht es dieser routinierte Melancholiker, die Stimmung unten zu halten. Dafür genügt der Gedanke an den eingeschweißten Fertigsalat, der in der Wohnung auf ihn wartet. Ein hoher Trübsinnsfaktor ist also garantiert. Rotmunds Tränen werden zum Leitmotiv. Da steht er am helllichten Tag weinend in den Weinbergen oder grübelt über die "Tränensaugkraft" eines Teppichbodens.
In einem poetologischen Essay schrieb Genazino, der Autor habe sich wieder und wieder "in die Sprechstunde des Schmerzes" zu begeben. Um dann die Transsubstantiation von alltäglichem Lebenselend in erzählerischen Humor vorzunehmen. In diesem Buch ist der Humor, weil noch ein Stück weiter ins Untröstliche vorangetrieben, feiner als in Genazinos letztem Roman "Die Liebesblödigkeit". Da war der Held ein "freischaffender Apokalyptiker", und auch andere Figuren neigten zu kabarettistischen Berufen wie "Panik-Berater" oder "Ekel-Referent". Eine bisweilen etwas platte Kritik der Kulturindustrie (bis heute wetterleuchtet noch Adornismus als Wissen vom Verhängniszusammenhang in der Genazino-Welt) sorgte für Pointen.
Erotische Desillusionierung.
Auch jetzt wirken manche Scherze allzu gewollt, wenn Rotmund etwa auf einer Packung Vollkornbrot "Volkszornbrot" liest oder sich hartnäckig über den Ausdruck "schwitzende Wurst" amüsiert. Genazinos Witze seien schlecht, hat daraufhin ein Kritiker befunden - und damit nicht nur die Partien feinerer Komik, die gerade dieses Buch auszeichnen, unterschlagen, sondern auch die Psychologie des "Notblödelns" verkannt, ein Selbstverteidigungsreflex: "Ich möchte nicht, dass sich die Wirklichkeit vor mir aufspielt. Tut sie es trotzdem, setze ich sie innerlich herab und erfreue mich an ihrer Kläglichkeit."
Wie üblich bei Genazino findet sich die eine oder andere krass ausgeleuchtete Liebesszene. Der Erzähler spart nicht an organischen Details, schildert mit hinterhältigem Amüsement, wie Menschen "eigenartige Sexualskulpturen" bilden, und stellt einen Bordellbesuch so dar, dass das letzte Flackern von Rotlichtromantik an der Schnödheit der Vorgänge zuschanden wird. Genazino sieht die Wahrheitsverpflichtung der Literatur offenbar darin, zu den geglätteten Bildern der erotischen Illusionierung forciert nüchterne Gegendarstellungen zu liefern.
Das Erzählen im Präsens wirkt oft etwas gekünstelt. Bei Genazino dagegen erscheint es als plausible, ja einzig angemessene Form. Denn sein Thema ist der unmittelbare Gegenwartsdruck. Dabei protokolliert er vermeintlich unwesentliche Kleinigkeiten, die das Gedächtnis später als Ballast abstoßen würde. Manches würde, ins Imperfekt versetzt, geradezu merkwürdig wirken: "Eine einzelne verirrte Möwe fliegt über einen Platz und lässt sich auf einer Bogenlampe nieder. Ein Bus kommt vorbei, drei Personen steigen aus, zwei steigen zu. Der Bus fährt weiter, die Möwe schaut dem Bus nach. Hat das schon mal jemand gesehen, wie eine Möwe einem Bus nachschaut und dabei ein schmerzlich schönes Möwengesicht kriegt?"
Nur auf den ersten Blick sind solche Passagen belanglos (nebenbei handelt sich auch um eine kleine Selbstpersiflage des Wahrnehmungsvirtuosen). Denn die Tätigkeit des herumstreunenden Beobachtens ist für Genazino-Helden lebenswichtig: als Psychotechnik, die das Bewusstsein entspannt und die Depression abführt. Zum anderen ist das Motiv eingebunden; Rotmund hat nämlich einen Hang zur Vogelbeobachtung. Die Kreatürlichkeit rührt ihn an, die Tiere bieten ihm ein Kontrastprogramm zu den Verzwicktheiten der Menschen- und Bürowelt. Wie staunt er über den Flug der Schwalben: "Ihre sirrende Zufriedenheit am Himmel ist so großartig, dass man auf der Erde in ein neidisches Geheul ausbrechen möchte." Er erwirbt ein Bestimmungsbuch, in dem ihn schon die klangvollen Namen entzücken: Trauerschnäpper zum Beispiel.
Zu bewundern ist die Souveränität, mit der Genazino sein Material inzwischen entfaltet. Mit schwebender Leichtigkeit berichtet er von niedergeschlagenen Seelen und den Belastungen des Angestelltendaseins. Immer wieder gerinnt ihm dabei der Erzählfluss zu gültigen Aphorismen; das Reflexionsvergnügen ist hoch. Und mit Dieter Rotmund hat er der Voliere seines Werkes einen prächtigen Trauerschnäpper hinzugefügt.
- Wilhelm Genazino: "Mittelmäßiges Heimweh". Roman. Carl Hanser Verlag, München 2007. 189 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
""Abschaffel" gibt den Blick frei in einen alltäglichen Abgrund. Es ist ein Einblick, dem man sich, ob betroffen oder nicht, aussetzen sollte." Volker Hage, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.77
"Eine kunstvolle Verschränkung von Alltagsstenogramm und Empfindungsporträt. ... Genazinos Roman, geschrieben in einer tastenden, weichen, aber sicheren Sprache, betritt Neuland. Ein wichtiges Buch, weil es uns nichts vormacht, weder was unsere Beschädigungen und Ängste sind, noch was wir in unseren Tagträumen hoffen." Stephan Reinhardt, Frankfurter Rundschau, 21.05.77
"Der beste vorliegende Bericht aus der Welt der Angestellten, weil er ihre Ausdehnung bis in die Köpfe hinein beschreibt." Lothar Baier, Süddeutsche Zeitung, 23.07.77
"Ein eindrucksvolles Porträt eines Vereinsamten, der an der Tristesse und Sinnlosigkeit seiner Existenz leidet." Jürgen P. Wallmann, Der Tagesspiegel, 12.06.77
"Eine kunstvolle Verschränkung von Alltagsstenogramm und Empfindungsporträt. ... Genazinos Roman, geschrieben in einer tastenden, weichen, aber sicheren Sprache, betritt Neuland. Ein wichtiges Buch, weil es uns nichts vormacht, weder was unsere Beschädigungen und Ängste sind, noch was wir in unseren Tagträumen hoffen." Stephan Reinhardt, Frankfurter Rundschau, 21.05.77
"Der beste vorliegende Bericht aus der Welt der Angestellten, weil er ihre Ausdehnung bis in die Köpfe hinein beschreibt." Lothar Baier, Süddeutsche Zeitung, 23.07.77
"Ein eindrucksvolles Porträt eines Vereinsamten, der an der Tristesse und Sinnlosigkeit seiner Existenz leidet." Jürgen P. Wallmann, Der Tagesspiegel, 12.06.77