Jeder Normalbürger freut sich auf den Urlaub und das meist das ganze Jahr über. Allein für die Typen im mittleren Management sind Ferien ein Graus. Irgendwie beschleicht sie das Gefühl, dass die Firma während ihrer Abwesenheit untergehen könnte - oder was noch schlimmer ist: das Gefühl, dass die
Firma nicht pleite macht, gerade weil sie nicht am Arbeitsplatz sind.
Martin Suter (Jg. 1948),…mehrJeder Normalbürger freut sich auf den Urlaub und das meist das ganze Jahr über. Allein für die Typen im mittleren Management sind Ferien ein Graus. Irgendwie beschleicht sie das Gefühl, dass die Firma während ihrer Abwesenheit untergehen könnte - oder was noch schlimmer ist: das Gefühl, dass die Firma nicht pleite macht, gerade weil sie nicht am Arbeitsplatz sind.
Martin Suter (Jg. 1948), früher selbst in der Werbebranche tätig, hat schon wiederholt satirisch über diese „Managerkrankheit“ geschrieben, so in den Diogenes-Bänden „Business Class (I und II)“, „Huber spinnt aus“, „Unter Freunden“ und „Das Bonus-Geheimnis“. Von den hier vorliegenden knapp sechzig Kolumnen ist ein Großteil aus diesen Bänden entnommen, sodass „Abschalten“ gewissermaßen ein Auswahlband ist, ergänzt mit dreizehn neuen Business-Geschichten.
In den Kurzgeschichten (meist nur drei Seiten lang) lernen wir Männer kennen, die ständig nach Stress süchtig sind und diesen als die höchste Form der Pflichterfüllung ansehen. Da lassen Alpträume, Herzklopfen, Magengeschwüre und hoher Blutdruck nicht lange auf sich warten. Eine Steigerung ist da nur noch das Burn-out-Syndrom - das sind dann Leute, die für ihre Arbeit leben. Und wenn sie doch mal ein paar Tage Urlaub machen - nur der Familie wegen - dann sitzen sie nicht etwa im Strandkorb sondern mit den Quartalsabschlüssen oder der Financial Times im Hotelzimmer.
Mit jeder Kolumne lernen wir eine andere Hauptfigur dieser Business Class kennen, die dann Suter gewaltig auf die Schippe nimmt. Konkurrenzkampf, Neid und Schadenfreude beherrscht diese karrieregesteuerten Geschäftsmänner. Obwohl es mehrheitlich bedauernswürdige Protagonisten sind, über die Suter schreibt, macht es einfach Spaß, diese ironischen und mitunter sarkastischen Texte zu lesen, denn der Autor lässt diese armen Tölpel, die in dem System aus Konkurrenz und Erfolgsprämien gefangen sind, so richtig menschlich erscheinen.
Manfred Orlick