Arbeiten über die Beziehungen zwischen Nietzsche und der Psychoanalyse sind seit Freud, Andreas-Salomé und von Weizsäcker wenig aufgegriffen, und schon gar nicht kulturtheoretisch oder sozialwissenschaftlich vertieft worden. Die beiden Formen von Gewissen, die Nietzsche unterscheidet, erweisen sich psychoanalytisch als lebendiges Spannungsfeld zwischen den im Subjekt repräsentierten Kulturforderungen, die Freud "Über-Ich" nennt, und dem, was er als "Ich-Ideal" versteht. Rolf Denkers Arbeit weist nuanciert auf, wie die soziologische Substanz gerade in Freuds psychologischen und nicht erst seinen kulturtheoretischen Schriften deutlich wird.Er vergleicht die Positionen der Theorien von Horkheimer, Freud, Luhmann, Kant, Hegel, Nietzsche und Jung und entwickelt so ein Gesamtbild des Gewissens in der modernen Gesellschaft.
An den Diskussionen der Evangelischen Kirche untersucht er Schicksale des unterdrückten und neu auftauchenden Gewissens in Deutschland; dies gewinnt heute für das Verstehen von Brauch und Missbrauch von Gewissen und Gewissenserforschung in der aktuellen politischen Diskussion um Helmut Kohl und um die 68er-Bewegung erneut an Bedeutung. Denkers Werk ist eine politische Ermutigung und ein Plädoyer für ein individuelles Gewissen, sogar - oder gerade - in unserer modernen Gesellschaft.
An den Diskussionen der Evangelischen Kirche untersucht er Schicksale des unterdrückten und neu auftauchenden Gewissens in Deutschland; dies gewinnt heute für das Verstehen von Brauch und Missbrauch von Gewissen und Gewissenserforschung in der aktuellen politischen Diskussion um Helmut Kohl und um die 68er-Bewegung erneut an Bedeutung. Denkers Werk ist eine politische Ermutigung und ein Plädoyer für ein individuelles Gewissen, sogar - oder gerade - in unserer modernen Gesellschaft.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rolf Denker, der Tübinger Philosoph, konnte dieses Buch nicht mehr selbst zur Veröffentlichung bringen - es wird nun aus seinem Nachlass publiziert. Er konstatiert darin im systematischen Bezug auf Nietzsche und Freud den Verlust des "individuellen Gewissens", also, mit Freud gesprochen, nicht des gesellschaftlich normierten "Über-Ich", sondern des nicht-gesellschaftlichen "Ich-Ideals". Die aktuelle Ethik-Diskussion, so seine Diagnose, kümmert sich um dieses individuelle Gewissen nur wenig, er möchte es dagegen wieder ins Spiel bringen. Dass sich unter seinen Gewährsmännern neben Freud, Nietzsche, Jung und Horkheimer auch Luhmann findet, hält der Rezensent (Kürzel "mim.") für "eine der reizvollen Pointen" des Bandes.
© Perlentaucher Medien GmbH
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